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Bergrheinfeld
Energie aus Biomüll: Wie Bürger im Landkreis Schweinfurt bei sauberer Trennung davon richtig profitieren
Das Abfallwirtschaftszentrum Rothmühle verwertet den angelieferten Biomüll aus der Region und macht ihn unter anderem zu Strom. Das zahlt sich aus.
Im Abfallwirtschaftszentrum Rothmühle in Bergrheinfeld wird Biomüll zu Strom gemacht. Von links: Heiko Glöckler, Technischer Leiter der Abfallwirtschaftlichen Einrichtungen, Victor Cismaru, Betreuer der Nassvergärungsanlage, Günther Steinmetz, Betreuer der Trockenvergärungsanlage, und Alexandru Cismaru, Betreuer der Nassvergärungsanlage.
Foto: Marius Flegler | Im Abfallwirtschaftszentrum Rothmühle in Bergrheinfeld wird Biomüll zu Strom gemacht. Von links: Heiko Glöckler, Technischer Leiter der Abfallwirtschaftlichen Einrichtungen, Victor Cismaru, Betreuer der ...
Marius Flegler
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:46 Uhr

Die erste Biomüll-Tonne stammt aus Würzburg. Im Rahmen eines Modell-Projektes zur Wiederverwertung von Bio-Abfällen wurde sie 1981 vom Verein der Organischen Müllabfuhr (OMA) im Stadtteil Zellerau aufgestellt. So sollte der Restmüll reduziert und das wertvolle organische Material kompostiert sowie wiederverwertet werden. Bis die Biotonne in Deutschland verpflichtend eingeführt wurde, dauerte es noch bis zum Jahr 2015. Moderne Müllverwertungsanlagen, wie etwa das Abfallwirtschaftszentrum (AWZ) Rothmühle in Bergrheinfeld, liefern heute sogar noch mehr wertvolle Produkte aus Biomüll.

Thomas Fackelmann, Leiter der Abfallwirtschaft des Landkreises Schweinfurt, erklärt, dass aus dem Biomüll neben hochwertigem Kompost auch Flüssiggärreste, Biogas, Strom und Wärme produziert werden. Kompost und Flüssiggärreste gehen in die regionale Landwirtschaft, wo sie als Dünger Verwendung finden: "Wenn man dieses Material einsetzt braucht man keinen Phosphat aus Marokko und auch keinen Stickstoff, der im wesentlichen mit Gas und damit sehr energieaufwändig gewonnen wird", sagt Fackelmann. Den Biomüll so zu verwerten, kommt also der Klimabilanz zu gute.

Nach seiner Anlieferung am AWZ wird der Biomüll gesiebt und aufbereitet. Alles was größer ist als 80 Millimeter, geht in die Trockenvergärungsanlage, erklärt Heiko Glöckler, Technischer Leiter des AWZ Rothmühle. Das feinere Material kommt in die Nassvergärung. Durch die Gärung wird dort Methangas gewonnen, das anschließend verstromt werden kann. Die Gärreste werden eingelagert. Bis der Biomüll nach seiner Anlieferung das AWZ in Form von Flüssiggärresten und Kompost wieder verlässt, vergehen etwa 150 Tage.

Der Fermenter mit Gasspeicher am Standort Bergrheinfeld hat einen Durchmesser von 32 Metern. 
Foto: Marius Flegler | Der Fermenter mit Gasspeicher am Standort Bergrheinfeld hat einen Durchmesser von 32 Metern. 

Jährlich werden rund 25.000 Tonnen Biomüll aus dem Landkreis Schweinfurt sowie Stadt und Landkreis Bad Kissingen und aus Kitzingen angeliefert. Je nach Beschaffenheit des Mülls schwankt der Gasertrag: "In der zweiten Januarwoche hat man einen tollen Gasertrag, weil da die Weihnachtsgans im Biomüll liegt", sagt Fackelmann schmunzelnd.

Abfallwirtschaftszentrum Rothmühle wirtschaftet autark

Das Biogas wird durch die Hilfe von Blockheizkraftwerken verstromt. Und auch die dabei entstehende Abwärme wird genutzt, um die Räumlichkeiten des Abfallwirtschaftszentrums zu beheizen, sowie für die Sickerwasserreinigungsanlage und die Biogasanlage selbst, die die Wärme zum "Hygienisieren" des Abfalls benötigt, erklärt Heiko Glöckler. Im Zusammenspiel mit einer 610 kWp Photovoltaik-Anlage versorgt sich der gesamte Standort in Bergrheinfeld auf diese Weise selbstständig mit Energie. 

"In der zweiten Januarwoche hat man einen tollen Gasertrag, weil da die Weihnachtsgans im Biomüll liegt."
Thomas Fackelmann, Leiter der Abfallwirtschaft des Landkreises Schweinfurt

Ein positiver Nebeneffekt des Abwärmesystems: Durch die Einsparmaßnahmen aufgrund der aktuell exorbitanten Gaspreise dürfen die Gebäude der öffentlichen Verwaltung nur noch auf 19 Grad beheizt werden. Da das Abfallwirtschaftszentrum dem Landratsamt zugeordnet ist, wäre es ebenfalls von dieser Maßnahme betroffen. Weil die Abwärme aber sogar überschüssig vorhanden ist, haben es die Beschäftigten in Bergrheinfeld auch im Winter kuschelig warm – zumindest in ihren Büro- und Aufenthaltsräumen. Aufgrund des Wärmeverlusts in etwaigen Fernwärmeleitungen lohne es sich bei der gegebenen Menge jedoch nicht, die Abwärme auch für Privathaushalte zur Verfügung zu stellen, sagt Glöckler. 

Damit der Biomüll Gas freigeben kann, wird er zuvor gesiebt und eingelagert. 
Foto: Marius Flegler | Damit der Biomüll Gas freigeben kann, wird er zuvor gesiebt und eingelagert. 

Der erzeugte Strom wird in ein betriebseigenes Mittelspannungsnetz mit 20 Kilovolt eingespeist. Acht Millionen Kilowatt Strom erzeugt der Standort insgesamt jährlich. Davon wird zunächst der Eigenbedarf des AWZ, etwa 1,5 Millionen Kilowatt, gedeckt. 6,5 Millionen Kilowatt werden netto in´s öffentliche Netz eingespeist. Der grüne Strom deckt also in etwa den Bedarf von 2000 Haushalten jährlich. 

Energiekrise treibt Ausbau von Biomüllvergärungsanlagen voran

Das AWZ selbst verbraucht an erster Stelle den Strom, der durch die PV-Anlage erzeugt wird, weil dieser in der Produktion am günstigsten ist. Danach geht es an den Strom aus Deponiegas, wovon es allerdings nicht viel gibt und erst als letztes wird der Strom aus Biogas verwendet, beziehungsweise in das öffentliche Netz eingespeist, führt Fackelmann aus. Weil das AWZ seine Anlagen, wie etwa Mobilbagger, auf Elektrotechnik umstellt, steigt der Eigenbedarf an Strom aktuell jährlich. Durch die Umstellung möchte man den Bedarf an fossilen Energieträgern reduzieren. Die Installation einer zweiten Photovoltaik-Anlage ist deshalb bereits in Planung. 

Die Trockenvergärungsanlage an der Rothmühle ist seit 2007, die Nassvergärungsanlage seit 2013 im Betrieb. Damit war die Rothmühle das erste Zentrum für Bioabfallvergärung in Unterfranken, sagt Glöckler, und sogar eines der ersten deutschlandweit. "Noch machen es zu wenige", fügt Fackelmann hinzu: "Der Gesetzgeber möchte eigentlich, dass dieses energetische Potenzial genutzt wird. Das Biogut fällt ja sowieso an." Sowohl aus ökologischer, als auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht sei die Verwertung also lohnenswert.

Der Betreuer der Nassvergärungsanlage, Günther Steinmetz, kippt den Biomüll in eine Siebanlage. 
Foto: Marius Flegler | Der Betreuer der Nassvergärungsanlage, Günther Steinmetz, kippt den Biomüll in eine Siebanlage. 

Erst jetzt, inmitten der Energiekrise, seien die Auftragsbücher der Anlagenbauer voll. Das Beitreiben eines solchen Energieproduktionssystems sei allerdings hochkomplex. Zum einen braucht es hohe Investitionen, zum anderen aber auch das nötige Know-How, betont Glöckler. Vergleichbare Anlagen gebe es deutschlandweit nur etwa 100 mal.

Landkreisbürger profitieren selbst von sauberer Mülltrennung

In Bergrheinfeld funktioniere das aufgrund der Erfahrung, die man inzwischen gesammelt hat: "Die Leute sind mitgewachsen." Zwar gibt es für die eigentliche Technik der Biogasverstromung Vorbilder: In der Landwirtschaft werden schon lange Biogas-Anlagen betrieben. "Hier wird aber ein konditionierter Stoff eingesetzt, zum Beispiel Mais." Das Problem beim Biomüll sind insbesondere die oftmals vorhandenen Störstoffe. Also Stoffe, die eigentlich gar nicht in die Biotonne gehören. Um diese zu vermeiden, komme man um Öffentlichkeitsarbeit nicht herum: "Es ist ein kontinuierlicher, zäher Verbesserungsprozess", sagt Fackelmann.  

Bei den meisten Störstoffen im Biomüll handelt es sich um Glas und Metall, sagt Glöckler. Problematisch seien aber auch Kunststoff und Sand, der oftmals in Form von Straßenkehricht in die Biotonne gelangt. Zwar könnte man meinen, dass dieser dort richtig untergebracht ist, aber, so Fackelmann: "Aus Sand kann man kein Biogas machen." Auch Zigarettenstummel und Reifenabrieb verunreinigen immer wieder die Biomasse. 

"Die Leute sind mitgewachsen."
Heiko Glöckler, Technischer Leiter des AWZ, über das Know-How an seinem Standort

Doch von "sortenreinem" Biomüll profitiert "der Landkreisbürger" direkt, erläutert Fackelmann. Zwar wird der durch Biogas produzierte Strom zu den gewöhnlichen Börsenpreisen verkauft und ist somit für die Verbraucher in und um Schweinfurt nicht günstiger. Allerdings hat der Erlös durch den  Strom eine direkte Auswirkung auf die Müllgebühr: Je mehr Biomüll angeliefert und verstromt wird, desto geringer fällt diese aus. 

 
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