
Das Thema Streaming der Stadtratssitzungen in Schweinfurt und das nachträgliche Abrufen der Sitzungen per Video entwickelt sich zu einer unendlichen Geschichte. Erneut wurde das Thema in der jüngsten Stadtratssitzung vertagt. Das Gremium ist in dieser Frage gespalten, und es gab gegenseitig deutliche Vorwürfe.
Worum geht es? In der konstituierenden Sitzung des Stadtrates nach der Kommunalwahl 2020 im Mai gelang der Opposition eine Überraschung: Man setzte ein Streaming von Stadtratssitzungen durch, obwohl vor allem die CSU als größte Fraktion und Oberbürgermeister Sebastian Remelé Bedenken hatten. Hauptgrund für die Befürworter: Transparenz für Außenstehende darüber, wie Entscheidungen im Stadtrat gefällt werden.
Allerdings reißen die Debatten über das Thema nicht ab. Denn man kann zwar seit einiger Zeit den Live-Stream einer Stadtratssitzung anschauen. Aber es gibt keine Aufzeichnung davon. Entweder haben Bürgerinnen und Bürger an jeden letzten Dienstag im Monat um 14.30 Uhr Zeit, in den Sitzungssaal im Rathaus zu kommen oder Zeit, sich zu Hause oder im Büro am Computer den YouTube-Stream anzuschauen. Abends nach der Sitzung geht das nicht, weil der Stream nicht aufgezeichnet wird.
Das Thema ist aber auch aus anderen Gründen verzwickt. Zum einen werden nur die Stadtratssitzungen gestreamt, nicht die Sitzungen von Bauausschuss oder Hauptausschuss, in denen ebenfalls intensiv über Sachthemen debattiert wird.
Verschiedene Amtsleiter lassen ihre Beiträge im Stream nicht erscheinen
Zum anderen sind die Persönlichkeitsrechte der Betreffenden zu beachten. Das heißt, dass von Seiten der Stadträtinnen und Stadträte sechs der 44 Gewählten einer Darstellung ihrer Wortmeldung im Stream widersprochen haben. Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) und die vier Referenten haben einer Übertragung zugestimmt.
Bei den Amtsleitern ist das nicht so, dort gibt es einige, die ihre Wortmeldungen nicht zeigen lassen. Dazu gehören die Personalamtsleiterin Sabine Schröder oder der Pressesprecher und Leiter des OB-Büros, Werner Duske. Deren Entscheidung ist grundsätzlich zu respektieren, zumal auch der OB immer wieder klarmachte, dass er dafür "vollstes Verständnis" habe.

Gleichwohl bedeutet es, dass ein Außenstehender, der nicht im Sitzungssaal ist, einer Diskussion zwischen Stadtrat und der Verwaltung nicht folgen kann, wenn Teile der Diskussionsteilnehmer eine Übertragung ins Internet ausschließen. Auf dem Bildschirm erscheint eine Meldung, dass der Beitrag aus rechtlichen Gründen nicht gezeigt werden darf.
Zwölf Stadtratsmitglieder wollen nicht, dass ihre Beiträge im Video aufgezeichnet werden
In der jüngsten Sitzung des Stadtrates wurde es dann noch komplizierter. Mehrere Gruppen und Fraktionen hatten den Antrag gestellt, die Sitzungen nicht nur als Livestream zu zeigen, sondern auch eine länger abrufbare Aufzeichnung zur Verfügung zu stellen. Aus Sicht der Verwaltung war für diese Aufzeichnung die erneute Einwilligung der Mitglieder des Stadtrates einzuholen.
Und siehe da: Es sind jetzt nicht mehr nur sechs Personen, die sich nicht im Stream zeigen lassen wollen. Insgesamt zwölf Personen gaben an, dass sie gegen eine Darstellung ihrer Wortbeiträge in einer Videoaufzeichnung sind. An der Umfrage teilgenommen hatte darüber hinaus nicht mal der ganze Stadtrat, sondern nur 38 der 44 Mitglieder.
Diese Rückmeldungen wiederum veranlassten die Verwaltung, das Thema Video-Aufzeichnung am liebsten ad acta zu legen. Denn es würde bedeuten, dass der Dienstleister die Videoaufzeichnung bearbeiten müsste, um die entsprechenden Wortbeiträge unkenntlich zu machen. Geschätzte Kosten: 800 bis 1000 Euro pro Stadtratssitzung. "Aus unserer Sicht ergibt es keinen Sinn, weil man der Sitzung dann gar nicht mehr folgen kann", so Pressesprecher Duske. Da die Haushaltslage der Stadt derzeit kritisch ist, schlug Duske auch vor, die Planung für eine große Lösung mit neuer Technik und Umbau der Mikrofonanlage des Sitzungssaales auf spätere Jahre zu verschieben.
Kritik am Pressesprecher bringt Holger Laschka einen Rüffel des OBs ein
Der Vorschlag sorgte für eine längere Debatte, gespickt mit gegenseitigen Vorwürfen. Grünen-Fraktionssprecher Holger Laschka sieht es als "Fehler, sich der Möglichkeit moderner Kommunikation zu berauben". Videos von den Sitzungen würden helfen, "der Legendenbildung und Gerüchten vorzubeugen und sind wichtig für die Transparenz", so Laschka.
Einen Rüffel des OBs handelte sich Laschka für seine Bemerkung an Pressesprecher Duske gerichtet ein, den er aufforderte, seine Haltung zum Thema Übertragung zu überdenken: "Einen Heimlich-Pressesprecher gibt es in Deutschland nicht und wir sollten ihn uns auch nicht leisten."
Ralf Hofmann (SPD) war ernüchtert ob der neuen Entwicklung. "Wir werden als Gremium den Anforderungen der Zeit nicht gerecht", betonte er. Man habe "nichts zu verbergen", warb er dafür, die Debatten auch im öffentlichen Raum zu führen. Auch Ulrike Schneider (Zukunft./ödp) warb dafür, vor allem aus Gründen der Transparenz.
OB Remelé wie CSU-Fraktionschef Stefan Funk erklärten, es gebe für beide Seiten gute Argumente. Doch der Stadtrat ist aus Sicht des OBs kein klassisches Parlament, sondern Teil der Verwaltung und darüber hinaus mit Ehrenamtlern bestückt. "Ich habe viel Verständnis, dass man sich da nicht digital sehen will", so der OB. Er wünsche sich, das Thema "mit weniger Pathos zu diskutieren. Machen Sie es einen Gang kleiner und überhöhen sie dieses Gremium nicht."
Nach mehr als einer Stunde Debatte stellte sich heraus, dass noch weitere Fragen zu klären sind, insbesondere die Gemeindeordnung betreffend. Deshalb wurde die Sitzung vertagt, Ende April steht das Thema dann zum dritten Mal in Folge auf der Agenda des Stadtrates.
https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayGO-30