Schweinfurts Stadtrat und Stadtverwaltung gehen ganz neue Wege: Nachdem kürzlich so genannte Hybrid-Sitzungen beschlossen wurden, also solche, in denen ein Teil der Räte im Sitzungssaal ist und der andere die Sitzung zu Hause vor dem Computerbildschirm verfolgt, soll nun auch die gesamte Debatte per Live-Stream ins Internet übertragen werden.
Das ist das Ergebnis einer längeren Diskussion über die neue Geschäftsordnung, die sich der Stadtrat gibt und in der die Zuständigkeiten von OB und Stadtrat detailliert geregelt werden. Die Linken hatten in einem umfangreichen Änderungsantrag zur Geschäftsordnung unter anderem beantragt, dass Stadtratssitzungen per Live-Stream übertragen werden sollten. Ein wenig überraschend ging dieser Antrag mit 22:21 Stimmen auch durch.
Finanzreferentin Anna Barbara Keck erklärte, die Verwaltung prüfe nun, wie schnell man zum einen das Thema Hybridsitzung, zum anderen die Übertragung per Live-Stream umsetzen könne. Die Hybridsitzungen wird es frühestens im Juni geben können. In der Sitzung am 18. Mai kommt der Stadtrat mit allen 44 Mitgliedern noch einmal im Konferenzzentrum auf der Maininsel zusammen. Dann muss auch der noch ausstehende Beschluss gefasst werden, wie sich der Ferienausschuss, der bei Inzidenzen über 100 eigentlich tagen soll, personell genau zusammen setzt.
Das Thema Live-Stream ist deswegen überraschend, weil sich der Stadtrat ursprünglich ablehnend dazu positioniert hatte. Einige andere Kommunen haben sich dazu entschieden, Sitzungen ihres Stadtrats im Internet in Echtzeit zu übertragen. Die Stadt München bietet diese Möglichkeit an, zudem können Bürger auch in einer Art Mediathek Sitzungen nachschauen. Auch in Bayreuth werden Live-Sendungen der Sitzungen seit September 2017 angeboten. Das Angebot war dort zunächst auf einen 18-monatigen Probebetrieb beschränkt.
Bei der Übertragung von Sitzungen ins Internet sind vor allem Datenschutz-Themen zu lösen, betonte Finanzreferentin Anna Barbara Keck. Das Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiter der Verwaltung sei zu beachten wie das der Stadträte, vor allem, da zu befürchten sei, dass einzelne Details von Redebeiträgen aus dem Kontext gerissen womöglich in Sozialen Medien auftauchten. Laut Keck habe auch der bayerische Landesdatenschutzbeauftragte in seinem Bericht 2019 Bedenken gehabt.
Auf den Hinweis von Sinan Öztürk (Linke), der Landesdatenschutzbeauftragte habe sich seiner Kenntnis nach erst kürzlich anders zum Thema positioniert, erklärte Keck, aus ihrer Sicht sei es nach wie vor nicht zu 100 Prozent rechtssicher. "Die Verwaltung bemüht sich aber um eine Lösung."
Warum Bürgerversammlungen nicht live übertragen werden sollen
Bürgerversammlungen live ins Internet zu übertragen sieht Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) kritisch, da er befürchtet, dass sich die Atmosphäre einer solchen Veranstaltung ändern könnte. Die Stadt nutzt die Bürgerversammlungen meist, um über einen Themenkomplex ausführlich zu informieren, zuletzt zum Beispiel die Pläne zur Landesgartenschau. Eine Politisierung solcher Veranstaltungen, befeuert durch eine öffentliche Übertragung, hält Remelé für keinen guten Weg. Dieser Meinung schlossen sich die Räte an, bei der Übertragung der eigenen Sitzungen aber gab es dann ein anderes Meinungsbild.
"Wollen wir, dass sich die Menschen wieder mehr für die Kommunalpolitik interessieren oder nicht?", fragte Peter Hofmann (SPD). Ein Live-Stream sei ein guter Weg für mehr Transparenz zu sorgen, was auch Georg Wiederer (FDP) unterstützte und schließlich eine knappe Mehrheit im Rat fand.
Die Politik koppelt sich doch immer mehr vom Bürger ab! Das gilt auch für die Kommunalpolitik. Die Politikverdrossenheit steigt. Mit einem Livestream kann man dem entgegenwirken - nicht jeder kann die Sitzungen besuchen oder hat Hemmungen.
Es ist gut wenn Debatten verfolgt werden können bzw. wie man zur Entscheidungsfindung kommt - das kann ein Zeitungsbericht in der Form kaum beschreiben. Außerdem bringt es die gewählten Kommunalpolitiker dem Volk nahe. Ich denke es braucht auch niemand Angst zu haben, selbst dann nicht wenn er nicht der größte Rhetoriker ist; letztlich geht es um die Sache.
wenn man sich informiert wird man merken, dass das Thema schon in zahlreichen bayerischen Kommunen auf der Tagesordnung stand und steht. Da scheint es ein buntes Sammelsurium zu geben. Da haben schon viele Parteien die genau dies beantragt haben anderenorts dagegengestimmt und umgekehrt. Da gibt es CSU geführte Kommunen die einen Livestream initiiert haben und anderswo waren CSU-Kommunalpolitiker eher auf der Gegenseite. So geht es allen Parteien.