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Schweinfurt
Wenn der Bildschirm schwarz bleibt: Warum die Schweinfurter Stadtratssitzung nicht mehr im Livestream übertragen wird
Gut eineinhalb Jahre lang konnte man die Stadtratssitzung live per Stream im Internet sehen. Jetzt hat die Regierung von Unterfranken interveniert.
Einen Livestream (Symbolbild) der Schweinfurter Stadtratssitzungen gibt es ab sofort nicht mehr. Grund ist eine Änderung der Gemeindeordnung, es braucht eine Zwei-Drittel-Mehrheit pro Streaming im Gremium. Im März soll der entsprechende Beschluss nachgeholt werden.
Foto: Stefan Pfister/Getty | Einen Livestream (Symbolbild) der Schweinfurter Stadtratssitzungen gibt es ab sofort nicht mehr. Grund ist eine Änderung der Gemeindeordnung, es braucht eine Zwei-Drittel-Mehrheit pro Streaming im Gremium.
Oliver Schikora
 |  aktualisiert: 02.03.2024 02:46 Uhr

Als der neu gewählte Stadtrat in Schweinfurt im Mai 2020 zu seiner ersten Sitzung zusammen kam, diskutierte er vor allem die Geschäftsordnung. Und produzierte eine Überraschung: Mit einer Stimme Mehrheit ging ein Antrag durch, die Sitzungen des Stadtrats per Livestream ins Internet zu übertragen. Seit gut eineinhalb Jahren wird das nun auch gemacht. Doch damit ist ab sofort bis auf Weiteres Schluss.

In einer Pressemitteilung der Stadtverwaltung erklärt Pressesprecher Werner Duske am Tag vor der Stadtratssitzung am 27. Februar ab 14.30 Uhr im großen Sitzungssaal im Rathaus, dass der Livestream abgeschaltet wird. Grund sei eine Änderung der Gemeindeordnung, wonach für den Beschluss, Sitzungen im Livestream zu übertragen, eine Mehrheit von zwei Dritteln im Gremium nötig ist.

Die Verwaltung, so Duske, sei davon ausgegangen, dass bestehende Beschlüsse weiter gelten würden. Man habe bei der Regierung aber nachgefragt, da der bestehende Beschluss des Stadtrates pro Streaming nicht mit Zwei-Drittel-Mehrheit gefasst wurde. Die Antwort, laut Verwaltung: Es braucht ab 1. Januar 2024 einen neuen Beschluss, der diese Vorgaben erfüllt. Da es den nicht gibt, folgt nun das vorläufige Ende der Übertragung. "Aufgrund der Regelungen für eine ordnungsgemäße Ladung" könne der nötige Beschluss nicht in der Februar-Sitzung gefasst werden, so Duske, kündigt aber an: "Wir werden einen entsprechenden Tagesordnungspunkt für die Märzsitzung vorsehen."

Oberbürgermeister Sebastian Remelé wollte das Streaming im Dezember beenden

Erst im Dezember 2023 bei der Jahresschlusssitzung scheiterte der Versuch von Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) und der Verwaltung, das Thema Streaming zu begraben. Sie hatten damals vorgeschlagen, nach einer Besprechung mit dem Ältestenrat des Stadtrates, das Streaming aufzugeben. Als Grund wurde das Missverhältnis zwischen den relativ hohen Kosten und der geringen Nutzung durch Bürgerinnen und Bürger genannt.

Doch der Stadtrat lehnte das Ansinnen des OBs damals mit klarer Mehrheit nach längerer, lebhafter Debatte ab: 28 von 43 Stadträtinnen und Stadträten wollten, dass auch in 2024 die Stadtratssitzungen live im Internet zu sehen sein sollen.

Ein Problem des Schweinfurter Livestreams ist es, dass sechs der 44 Stadträtinnen und Stadträte von ihrem Persönlichkeitsrecht Gebrauch machen und sich nicht live übertragen lassen. Auch ein Teil der Amtsleiterinnen und Amtsleiter handhabt das so. Wenn diese Personen zu Wort kommen, ist das zwar im Sitzungssaal erlebbar, im Internet aber erscheint ein Standbild, auf dem zu lesen ist, dass die Übertragung aus rechtlichen Gründen nicht stattfindet.

Screenshot eines Livestreams der Schweinfurter Stadtratssitzung auf der Internetseite der Stadt. Das Angebot ist vorläufig eingestellt.
Foto: Screenshot Schikora | Screenshot eines Livestreams der Schweinfurter Stadtratssitzung auf der Internetseite der Stadt. Das Angebot ist vorläufig eingestellt.

Um einer Debatte zu folgen und alle Argumente abzuwägen, ist das natürlich für den Konsumenten am Computer schwierig. Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) und alle seine vier Referenten lassen sich filmen, der OB hat aber auch Verständnis für die Personen, die das nicht wollen. Dabei handelt es sich um zwei AfD-Stadträte und vier von der CSU. "Es ist eine freie Entscheidung und der Schutz vor einer Öffentlichkeit, die es heute in sozialen Medien nicht immer gut mit einem meint", so der OB in der Sitzung im Dezember. Die Befürworter des Streamings sehen das anders, für sie steht die Transparenz im Vordergrund.

Ob es in der März-Sitzung des Stadtrates eine entsprechende Mehrheit gibt, ist derweil offen. Wenn alle 44 Mitglieder des Stadtrates anwesend sind, braucht es aufgrund der Stimme des Oberbürgermeisters 30 Stimmen für das Streaming, um die nötige Mehrheit zu haben. Wie sich die schwarz-grüne Koalition beim Thema verhält, ist offen.

Im Artikel 52 der bayerischen Gemeindeordnung ist in Absatz vier genau erläutert, unter welchen Voraussetzungen Sitzungen übertragen werden dürfen. Dabei ist nicht nur die Stimmenzahl festgelegt, auch das Recht auf Nicht-Übertragung ist festgehalten. Aber auch die Möglichkeit, eine Echtzeitübertragung mit Aufzeichnung zuzulassen, die sechs Wochen abrufbar ist. Die bisherige Version in Schweinfurt war ausschließlich live einsehbar.

 
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  • Anette Klotzek
    Ich bin absolut auf Ulrikes Seite. Der Stadtrat ist ein von den Bürgern und Bürgerinnen gewähltes Vertretungsorgan. Dementsprechend sollten wir doch auch die Möglichkeit haben die Sitzungen und damit auch die Beschlüsse, die dort getroffen werden, mitverfolgen zu können. Warum eine öffentlich tätige Vertretungsperson von dem Recht, nicht gefilmt und online gestellt zu werden, Gebrauch macht erschließt sich mir nicht. Das sind doch die gleichen Personen, die bei Wahlen auch den Bürger*innen vorgestellt werden oder in Zeitungsartikeln zitiert werden, usw. Und ehrlich gesagt wundert es mich nicht, dass es sich ausgerechnet um AFD- und CDU Politiker*innen handelt. Politik muss transparent sein, modern und vor allem nah an den Menschen, damit das Interesse nicht noch mehr schwindet, als es sowieso schon tut.
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  • Elke Wallmeier
    Toll. Statt die Probleme der heruntergekommenen Stadt Schweinfurt zu lösen, diskutiert endlos über Übertragung im Livestream. Wenn das die Stadtpolitik ist, dann gute Nacht.
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  • Axel Kröner
    Hoffentlich findet sich die notwendige Mehrheit für die Übertragung. Nicht zuletzt in der Pandemie haben wir gelernt, neue Partizipations- und Informationsformen zu nutzen. Es wäre ein bedauerlicher Rückschritt, sollte diese Informationsquelle zukünftig nicht mehr zur Verfügung stehen. Persönlich kann ich mir das kaum noch vorstellen.

    Ja, es wäre sicher hilfreich, wenn der Stream offensiver bekannt gemacht würde, leichter auf der städtischen Startseite www.schweinfurt.de zu finden und idealerweise auch noch später abrufbar wäre.

    Die Demokratie ist nicht zuletzt durch Falschinformationen immer stärker gefährdet. Konkret abrufbare Inhalte können ein Baustein sein, dem entgegenzuwirken.
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  • Werner Rau
    Was bringt denn die Regierung dazu hier die Hürde für eine politische Beteiligung einer breiteren Öffentlichkeit zu erhöhen? Öffentliche Sitzungen sollten hier immer gestreamt werden.
    Und CSU und AfD stechen heraus, wer hätte es gedacht…
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  • Ulrike Schneider
    Transparenz ist so wichtig! Und genau diese soll, ginge es nach dem OB und gewissen Stadträten, nun wieder abgeschafft werden. Als fadenscheiniger Grund wurde zunächst die geringe Zuschaltquote herangezogen, wobei diese bei interessanten Themen durchaus nach oben schnellte. Meinen Antrag, die Möglichkeit, die Stadtratssitzung live am PC zu Hause mit zu verfolgen, endlich mal publik zu machen und entsprechend zu bewerben, wurde abgelehnt. Man will keine Zuschauer, warum nur? Sollte nun angesichts der geänderten Gemeindeordnung ein 2/3 Beschluss nötig werden, können wir nur hoffen, dass er zustande kommt und dass dann endlich auch die Möglichkeit gegeben wird, die Sitzung in der Mediathek abzurufen. Wie soll sich ein Berufstätiger mitten am frühen Nachmittag zuschalten können? Was ich im Stadtrat sage, ist von A bis Z das, was ich denke, fühle und für richtig erachte. Das kann jeder Bürger und jede Bürgerin live hören bzw. sehen !
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  • Stefan Köhler
    Ich habe immer wieder mal reingeschaut. Es war oft interessant und ab und an langweilig.
    Das diese es diese Übertragung vorerst nicht mehr gibt zeigt mal wieder sehr gut wo ran es in Deutschland immer wieder scheitert.
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  • Dietmar Eberth
    Woran?
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  • Elke Wallmeier
    Und zwar woran?
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