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Grafenrheinfeld
Die Kühltürme am Atomkraftwerk Grafenrheinfeld sind weg: So lief die Sprengung
Am Freitag, 16. August, wurden die Kühltürme am stillgelegten Kernkraftwerk Grafenrheinfeld gesprengt. Mehrere tausend Menschen verfolgten das Ereignis vor Ort.
Gegen 20 Uhr am Freitagabend fielen die Kühltürme in sich zusammen. Die Sprengung war erfolgreich.
Foto: René Ruprecht | Gegen 20 Uhr am Freitagabend fielen die Kühltürme in sich zusammen. Die Sprengung war erfolgreich.
Andreas Kemper
,  Corinna Petzold
 und  Oliver Schikora
 |  aktualisiert: 21.08.2024 02:44 Uhr

Tausende Schaulustige wollten am Freitag um 18.30 Uhr die geplante Sprengung der beiden Kühltürme live verfolgen, doch ein Pro-Atomkraft-Aktivist hatte das Vorhaben zunächst verzögert. „Aktuell läuft ein Polizeieinsatz“, bestätigte Almut Zyweck, Pressesprecherin von Preussen Elektra, um 18.40 Uhr.

Wenig später wurde bekannt, dass ein Pro-Atomkraft-Aktivist auf einem abgeschalteten Strommast im Sperrbereich saß und ein Banner ausgerollt hatte. Feuerwehr und Polizei waren im Einsatz, auch das Höhenrettungsteam aus Nürnberg wurde angefordert. Gut eine Stunde später dann die Info: Der Aktivist ist runter vom Mast und in Gewahrsam genommen. Die Sprengung soll noch am Abend durchgeführt werden.

Pro-Atomkraft-Aktivist protestierte gegen die "sinnlose Zerstörung der Kraftwerke"

Landrat Florian Töpper betonte: „Da steckt kriminelle Energie dahinter.“ Er sei froh, dass der Aktivist keinen Erfolg hatte. Jeder dürfe seine Meinung natürlich kundtun, aber nicht in diesem Rahmen.

Fotoserie

Kurz nach Beginn der Protestaktion veröffentlichte die umstrittene Internet-Plattform Nius ein Foto, das angeblich den Aktivisten mit Helm und Klettergeschirr auf dem Mast in acht Meter Höhe zeigt. Die Echtheit des Fotos konnte am Abend nicht überprüft werden. Nius, die Plattform des Ex-Bild-Chefredakteurs Julian Reichelt, gab an, mit dem Mann gesprochen zu haben. Er wurde zitiert mit den Worten „Das ist ein Protest gegen den Atomausstieg und die sinnlose Zerstörung der Kraftwerke.“ Zwar sei das AKW schon weit zurückgebaut, aber seiner Meinung nach sei es günstiger, Grafenrheinfeld wieder ans Netz zu bringen, „als neue Kraftwerke zu bauen“.

Anzeige für den Anbieter YouTube über den Consent-Anbieter verweigert

Um 19.56 Uhr war es dann so weit, die Türme wurden gesprengt. Nachdem Sprengmeisterin Ulrike Matthes von der mit der Sprengung beauftragten Thüringer Sprenggesellschaft die Zündung der Sprengladungen eingeleitet hatte, dauerte es nicht einmal eine Minute, bis die beiden Türme in einer großen, weithin sichtbaren Staubwolke in sich zusammenfielen. Zuerst wurde der nördliche Turm gesprengt, 15 Sekunden später folgte der südliche.

Der europaweit wichtige Stromnetzknoten durfte nicht in Mitleidenschaft gezogen werden

Die Kühltürme waren zwar nicht das Herzstück des AKW, aber das sichtbarste Zeichen der Anlage. Daher hat ihre Zerlegung auch einen großen symbolischen Charakter und hat in der Bevölkerung gemischte Gefühle ausgelöst. Aus technischem Gesichtspunkt hätte man die Türme auch zu einem späteren Zeitpunkt einreißen können. Man habe aber ein Zeichen setzen wollen, um den Rückbau auch nach außen sichtbar zu machen, sagten Werksleiter Bernd Kaiser und Projektleiter Matthias Aron, der für Betreiber Preussen-Elektra die Sprengung koordinierte. „Das Thema Atomkraft bleibt dem Landkreis Schweinfurt erhalten, es ist die große ungelöste Frage des Endlagers“, betonte Landrat Florian Töpper.

Drei Jahre Vorlaufzeit waren vor der Sprengung nötig. Preussen-Elektra verweist in diesem Zusammenhang auf zahlreiche notwendige Gutachten und Genehmigungen. Denn durch das Ereignis durften der laufende Rückbau des Atommeilers sowie weiterbetriebene Anlagen wie der dortige, europaweit wichtige Stromnetzknoten und die beiden atomaren Zwischenlager nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Die beauftragte Spezialfirma hat Erfahrung mit der Sprengung solcher Kühltürme, unter anderem in Philippsburg im Frühsommer 2020.

Mehrere tausend Schaulustige wohnten der Sprengung der Kühltürme bei

Die Vorbereitungen für die Sprengung waren in den vergangenen Wochen auch von außerhalb des Areals zu beobachten. Turmmauern und Turmstützen wurden mit Löchern und exakt berechneten Schlitzen für die Sprengladungen versehen. Durch die Sprengung sorgte man dafür, dass die Türme instabil wurden und sich durch ihre einstürzenden Betonmassen selbst zerstörten. 

Begleitet wurde das Spektakel laut Denis Stegner, Sprecher des Polizeipräsidiums, von mehreren tausend Zuschauerinnen und Zuschauern. 200 Polizisten waren im Einsatz. Bereits in den Tagen vor der Sprengung kamen Hunderte Menschen noch einmal zum Kernkraftwerk, um letzte Bilder von den noch stehenden Kühltürmen zu machen. Seit 2018 wird das Kernkraftwerk bereits zurückgebaut, außerhalb des Geländes ist dies aber kaum zu bemerken.

Fotoserie

Stillgelegt wurde es bereits am 27. Juni 2015, was die Gegner der Atomkraft damals mit einem großen Fest feierten. Der Rückbau der Anlage soll bis zum Jahr 2035 beendet sein. Noch deutlich länger allerdings stehen die beiden Zwischenlager für Castor-Behälter mit hochradioaktivem Material auf dem Gelände, die Genehmigung ist bis mindestens 2046 erteilt. Das Atomkraftwerk Grafenrheinfeld wurde 1981 in Betrieb genommen und produzierte in 34 Jahren rund 333 Milliarden Kilowattstunden Strom.

 
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  • Klaus B. Fiederling
    ich denke, vernünftig wäre es gewesen, das KKW einfach in die Luft zu jagen, wenn gar niemand was ausgemacht hätte. Keinen Wirbel darum zu machen, dann gäbe es auch keine Aktivisten die das Vorhaben gestört hätten. Hätte, hätte, ... Fahrradkette
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  • Dietmar Eberth
    Nicht machbar. Polizeiabsperrungen notwendig. Landwirtschaft (Erntezeit) räumen. Flugverkehr informieren. Stromabschaltung. Uvm.
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  • Andreas Gerner
    Wie konnte der Aktivist um 18:30 im Sperrbereich auf dem Mast kommen ? Sollte da nicht Stunden zuvor abgeriegelt sein und die Polizei mit 200 Einsatzkräften nebst Drohnen und Helikopter mühelos hinbekommen, einen einzelnen, mit Kletterzeug und Banner beladenen Aktivisten von der Sperrzone fern zu halten ?
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  • Georg Wohlfart-Mitznegg
    Das war doch ein Pro-Kernkraft-Aktivist, also ganz im Sinne des Ministerpräsidenten.
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  • Andreas Gerner
    Möchten Sie etwa der Einsatzleitung unterstellen, absichtlich bzw. auf Befehl weggeschaut zu haben ?
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  • Wolfgang Wehner
    Den Aktivisten in Ketten legen und mit Schaufel, Pickel und Schubkarren versehen, damit dieser den Schuttberg abtragen kann. Ok, das ist zwar jetzt sehr saddistisch, aber bestimmt besser als jegliche Geldstrafe. Hat viele Zuschauer um die persönlichen Videos gebracht.

    Ein Wahrzeichen wird zukünftig fehlen. Aber gut, das ist eben der Zeitenwandel.

    Liebe Mainpost, bleibt bitte dran, mit welcher Strafe dieser Aktivist zu rechnen hat.
    Vielen Dank für euer Video und Bilder.
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  • Ulrike Schneider
    Panoramablick am Rand eines Maisfeldes vor Euerbach: links von den grauen Kühltürmen ein weißer Kirchturm, rechts von ihnen in der Ferne ein weißes Windrad neben dem anderen… und der Störfaktor AKW in wenigen Sekunden in eine riesige Staubwolke zerlegt und eliminiert… fast eine Idylle, wäre da nicht das Zwischenlager, das uns noch Jahrzehnte erhalten bleiben wird !
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  • Alfred Breunig
    Ich fordere die Main-Post dazu auf, zu verfolgen und darüber zu berichten, was mit dem Aktivisten juristisch geschehen wird. Er hat hunderten, wenn nicht tausenden Schaulustigen, die wegen der durch ihn ausgelösten Verzögerung den Schauplatz vor der Sprengung verlassen haben, die Möglichkeit genommen, die historische Aktion live zu verfolgen.
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  • Andreas Neinhardt
    Leider verstößt der Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
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  • Christine Gerhardt
    Ganz zu schweigen von den entstandenen Kosten die durch die "Rettung" durch Personal, Hubschrauber etc nötig waren sowie die zeitliche Ressourcen. Da sind so viele Menschen involviert, Absperrungen, Genehmigungen etc. Gerecht wäre es, er müsste alle entstandenen Zusatzkosten aus eigener Tasche tragen. Das erscheint mir alles viel zu leichtfertig von diesen "Aktivisten", offenbar sind die Konsequenzen nicht allzu besorgniserregend.
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  • Dietmar Eberth
    Geht's eine Nummer kleiner mit "fordern" und "Möglichkeit genommen, die historische Aktion live zu verfolgen"

    Es war einfach nur eine Sprengung
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  • Robert Hippeli
    Ob das Spektakel den Zuschauern versaut wurde, spielt, so hoffe ich doch, juristische eine untergeordnete Rolle.
    Die Mehrkosten für das Sprengteam und der Betriebs-und Sicherheitskräfte und dem widersetzen von Anordnungen sind da m. E. höher zu bewerten.

    Ich würde mir da ehr wünschen, man könnte dem Aktivisten und seinen Nachkommen so ein kleines Kastörchen die nächsten hundert Jahre zur Aufbewahrung mit nach Hause geben :-)
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  • Jürgen Huller
    Vielleicht haben wir dafür einen anderen "historischen" Moment erlebt:

    Tataaaaaa: die Geburtsstunde der"Atomkleber"!
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  • Andreas Neinhardt
    Wo war bitte die so genannte Vergrämungssprengung und die Sprengsignale.Ich habe nix von dem gehört.(Wie viele andere auch)
    Und diese Meinung teilen auch andere auf Instagram.
    Man hat es viel zu spät erst mitbekommen und da war der erste Turm schon fast weg.
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  • Josef Full
    Ich hab es nicht gesehen, konnte nicht so lange stehen, nur im Ort Grafenrheinfeld gehört und es hat 3 mal geknallt. Der erste war vom Klang anders als die anderen beiden.
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  • Gerhard Müller
    Ein großer Tag - Wind und Sonne gehört die Zukunft!
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  • Manfred Englert
    Sie können jubeln, fragt sich nur, wie lange noch?
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  • Dietmar Eberth
    Weltweit schon fast 30% EE. Das ist fast doppelt soviel wie Kernkraft zu seinen "besten" Zeiten je erreicht hat.
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  • Dominik Temming
    Mit dieser Meinung gehören sie der Minderheit an. Aber heutzutage gehört das wohl zum guten Ton, auf die kleinste Gruppe, die am lautesten schreit, zu hören.

    https://www.zeit.de/wirtschaft/2023-04/mehrheit-deutschland-gegen-abschaltung-kernkraftwerk-atomkraft
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  • Georg Wohlfart-Mitznegg
    Die kleinste Gruppe, die am Lautesten schreit...

    Die Befürworter*innen erneuerbarer Energien werden Sie damit ja kaum gemeint haben .
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