
Martin Günzel ist sauer, richtig sauer. Eigentlich ärgert er sich gerade über die Technik im Homeoffice, die seit mehreren Stunden nicht funktioniert. Aber wenn er's genau nimmt, ärgert er sich über viel mehr. "Es zählt nur noch der Mammon, nur noch Geld. Werte zählen gar nichts mehr", schimpft er. Er schaut auf sein Handy, immer noch keine Verbindung. "Ich gehe lieber in die Schöpfung", sagt er und sein Blick schweift aus dem Fenster.
Spricht Günzel von der Natur, von der Umwelt, greift er gerne zum Wort Schöpfung. Bewusst, denn er ist überzeugter Christ, engagiert sich im Ausschuss "Bewahrung der Schöpfung" der katholischen Kirchengemeinde in Kitzingen. Deswegen ist er auch seit elf Jahren Mitglied bei der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) und nicht bei den Grünen: "Da fehlt mir der christliche Bezug."
Für die ÖDP tritt er bei der Bundestagswahl am 23. Februar im Wahlkreis Schweinfurt als Direktkandidat an. Schon bei der Landtagswahl 2023 war er der ÖDP-Direktkandidat – ohne den Hauch einer Chance. Warum macht er es wieder? Er zuckt mit den Schultern. "Wie's halt so is'", sagt der 60-Jährige und ergänzt: "Jammern hilft ja nichts. Man muss nach Lösungen suchen."
ÖDP-Kandidat Günzel will die private Krankenversicherung abschaffen
Zum Beispiel für die Wirtschaft. Sein Ideal: Wirtschaften im Einklang mit der Natur. Für ihn ein Dorn im Auge: die vielen Logistikzentren in der Region, die "hier immer noch hingeklatscht werden". "Das darf nicht mehr sein", schimpft er. "Das sollte alles unter die Erde." Dass das nicht realistisch ist, ist Günzel schon klar. Aber es geht ihm darum, das Problem zu erkennen und eine Lösung zu finden.
"Warum zum Beispiel sind Zisternen, Photovoltaik und Begrünung nicht für alle Neubauten verpflichtend?", fragt er. Da ginge noch mehr, deutlich mehr als zum Beispiel beim Geiselwinder Puma-Logistiklager, das sich Nachhaltigkeit auf die Fahnen schreibt. Der neue Solarpark sei doch nur Marketing. "Das ist eine Frechheit", urteilt Günzel.
Auch bei der Krankenhausreform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach ist seiner Meinung nach mehr drin: Sie sei ein "Reförmchen statt eine Reform". Günzel befürchtet, dass die Kliniken auf dem Land, und damit auch die Patientinnen und Patienten in Kitzingen, das Nachsehen haben. Überhaupt, das Gesundheitssystem in Deutschland: "Die Zweiklassengesellschaft bei den Krankenkassen würde ich sofort abstellen", sagt er. "Das ist so traurig." Gleiche Behandlung für alle – das ist sein Wunsch.
Günzel: Voraussetzung für ein Studium soll eine Ausbildung werden
Könnte er sich etwas in der Bildungspolitik wünschen, wäre es das praktische Fach Alltagskompetenz. Die Kinder seien so unselbstständig. Es werde ihnen zu viel abgenommen. "Gift des Wohlstands", sagt Günzel dazu. Als Kind hatte er wie jeder seiner vier Brüder eine feste Aufgabe, die er erledigen musste.
Das fehle heute – ebenso wie der Blick für die Gesellschaft. Deswegen spricht er sich für ein verpflichtendes Jahr aus, in dem sich Jungen und Mädchen für die Gesellschaft einsetzen. "Das kann die Bundeswehr sein, ein Jahr im Altenheim, im Museum ...", erklärt Günzel.
Ein weiterer Günzel-Vorschlag: "Jeder, der studiert, sollte vorher eine Ausbildung machen. Und zwar auch angehende Ärzte und Juristen." Denn erstens werde so vielleicht dem Fachkräftemangel begegnet und zweitens fürchtet Günzel um das duale Ausbildungssystem in Deutschland. Hätte er nochmal die Wahl, würde er eine Ausbildung zum Schreiner machen.
ÖDP präsentiert sich als politische Alternative
Apropos Wahl: Wie rechnet er sich seine Chance bei den Wahlen im Februar aus? "Vielleicht ist es utopisch, aber man muss die Latte höher legen", sagt Günzel kämpferisch. Nicht alle, die Protest wählen, müssen laut Günzel für die AfD oder das BSW stimmen. "Klar sind wir eine Alternative", erklärt er und weist darauf hin, dass jede Stimme zählt. Günzel: "Eine Stimme für eine kleine Partei, ist keine verlorene Stimme."