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Gerolzhofen
Bürgerversammlung in Gerolzhofen dreht sich um Schulbauten, Schwerlastverkehr und weitere kontroverse Themen
Das Interesse an der Veranstaltung war schon größer und die Debatten waren bisweilen heftiger. Dennoch legten Bürger Finger in einige wunde Stellen der Stadtpolitik.
Das im Mai 2023 eröffnete Norma-Logistikzentrum brachte nicht nur Arbeitsplätze und die Hoffnung auf steigende Steuereinnahmen nach Gerolzhofen. Seit Inbetriebnahme wuchs auch der Schwerlastverkehr.
Foto: Anand Anders (Archivfoto) | Das im Mai 2023 eröffnete Norma-Logistikzentrum brachte nicht nur Arbeitsplätze und die Hoffnung auf steigende Steuereinnahmen nach Gerolzhofen. Seit Inbetriebnahme wuchs auch der Schwerlastverkehr.
Michael Mößlein
 |  aktualisiert: 07.03.2024 02:54 Uhr

Näher als in einer Bürgerversammlung rückt Lokalpolitik selten an die Menschen heran. Der Bürgermeister präsentierte auf fast 70 Folien das, was sich im vergangenen Jahr in der Stadt getan hat. Dann kamen am Donnerstagabend im Pfarrer-Hersam-Haus die rund 80 Anwesenden zu Wort. Junge Gesichter waren kaum darunter.

Die Einwohnerzahl der Stadt hat sich vergangenes Jahr erhöht, von 6883 im Jahr 2022 auf 6997, berichtete Bürgermeister Thorsten Wozniak. Rechnet man die Nebenwohnsitze hinzu, summiert sich die Einwohnerzahl auf 7321 (Jahr 2022: 7213). Von diesen hatten 778 (707) einen ausländischen Pass.

Die Geburtenzahl lag in den Jahren 2022 und 2023 mit je 64 gleichauf. Dagegen starben im Vorjahr mit 110 Menschen deutlich weniger Menschen als 2022, als es 148 Todesfälle gab. Den 562 Zuzügen in die Stadt standen 2023 – wie in den Jahren davor – deutlich weniger Wegzüge, nämlich 394, gegenüber. Auch die Einwohnerzahl der Verwaltungsgemeinschaft (VG) wuchs, im Jahr 2023 auf 16.943 (16.860) – ein Aufwärtstrend, der seit 2018 anhält.

Schulden gehen deutlich zurück

Erfreuliches verkündete Wozniak zur Schuldenentwicklung der Stadt, die Ende 2023 bei 6,1 Millionen Euro lag und bis heute um eine weitere Million Euro gesunken sei. Dies lag auch an Steuereinnahmen, die laut Bürgermeister im Vorjahr ein Rekordniveau erreichten. Die Einnahmen aus Gewerbesteuern betrugen 4,25 Millionen Euro, die aus Einkommenssteuern 4,1 Millionen Euro.

Einen Aufwärtstrend verzeichnet die Stadt auch bei der Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze: Die Zahl der Beschäftigten betrug im vergangenen Jahr 3531 (3487). Zum Vergleich: Im Jahr 2013 waren es 3081 Arbeitsplätze. Fast unverändert blieb im Vorjahresvergleich die Zahl der Arbeiternehmer, die in die Stadt pendelten, es waren 3001 (3000). Denen stehen 2379 (2313) Auspendler gegenüber.

Die Diskussionsrunde verlief weitestgehend so fair, wie der Bürgermeister es sich gewünscht hatte. Was nicht heißt, dass es keine Kontroversen gab. Peter Dreßel schlug vor, Planstellen in der Stadtverwaltung zu schaffen, um den Rückstand beim Bau von Grund- und Mittelschule aufzuholen, zumal die dafür kalkulierten Kosten zwischenzeitlich bei über 60 Millionen Euro lägen. Wozniak stellte zur Kostenschätzung nochmals richtig: Korrekt sei, dass man von 43 Millionen Euro brutto ausgehe, die Zahlen jedoch stark differierten. Allein beim Zuschuss sei eine Spanne von 20 bis 80 Prozent denkbar.

Schattenseiten der Bürokratie

Die Dauer des Vorhabens begründete Wozniak damit, dass öffentliche Bauvorhaben sich wegen geltender Verfahrensvorschriften deutlich stärker in die Länge ziehen würden als private Projekte. "Bürokratie ist ein fantastisches System", sagte Wozniak, "nur nicht immer, und nicht schnell."

Im Zuge der Bauarbeiten für den geplanten Hotelbau 'Wilder Mann' wurde unter anderem ein öffentlicher Gehweg (links im Bild) zerstört. Darüber streiten die Bauherrin und die Stadt Gerolzhofen vor Gericht.
Foto: Michael Mößlein | Im Zuge der Bauarbeiten für den geplanten Hotelbau "Wilder Mann" wurde unter anderem ein öffentlicher Gehweg (links im Bild) zerstört. Darüber streiten die Bauherrin und die Stadt Gerolzhofen vor Gericht.

Weiter sprach Dreßel den stillstehenden Hotelbau "Wilder Mann" an. Dort habe es die Stadt versäumt, sich von der Bauherrin eine Bankbürgschaft für die Zerstörung öffentlicher Flächen geben zu lassen. Der Stadt drohe ein Schaden von 275.000 Euro. Wozniak antwortete, dass er sich zu Vertragsdetails erst äußern werde, wenn diese rechtlich geklärt seien; die Stadt befinde sich im gerichtlichen Streit mit der Bauherrin. Er hielt aber fest: "Wir werden unter Umständen auch auf Kosten sitzen bleiben."

Kritik an Kosten für Kläranlage

Eine weitere Kritik brachte Dreßel vor: die in nächster Zeit fällig werdenden Kostenbeiträge zum Ausbau der Kläranlage. Ihm zufolge fielen die Kosten höher aus als angekündigt. Zudem wollte er wissen, weshalb die Bescheide die Geschoss- und nicht die Wohnflächen berücksichtigten. Ferner interessierte ihn, welchen Bedeutung am Kläranlagenausbau Unternehmen wie Kanal Türpe haben.

Unterstützt von Johannes Lang, dem geschäftsführenden Beamten der VG, erklärte Wozniak: Die Berechnung nach Geschossflächen sei rechtlich vorgesehen. Für Grundstücke außerhalb eines Bebauungsplans würden üblicherweise maximal 2000 Quadratmeter herangezogen. Die durchschnittliche Höhe der Kostenbeiträge belaufe sich im dreistelligen Bereich, zahlbar in drei Jahresraten, widersprach Wozniak einer Kostenerhöhung. Und Klärgut, das Firmen anliefern, werde separat berechnet.

Siegfried Bäuerlein wollte wissen, weshalb laut Aussage des Bürgermeisters Gewerbesteuern, die das im Vorjahr eröffnete Norma-Logistik zahlt, erst im Jahr 2026 der Stadt zufließen. Zudem beklagte er den seit Eröffnung des Logistikzentrums stark gestiegenen Lastwagenverkehr Richtung Stadt. Der Bürgermeister erläuterte, dass das Unternehmen seit seiner Ansiedlung Gewerbesteuern zahlen müsse, diese jedoch der Stadt erst in zwei Jahren rückwirkend zugutekämen. Er rechne damit, dass sich die Gewerbesteuereinnahmen der Stadt allein durch Norma um einen zweistelligen Prozentsatz erhöhen werden.

Zum Verkehr meinte er, dass es mit dem Staatlichen Bauamt geklärt sei, dass die Verkehrssituation zwischen der Alitzheimer Straße und der Kreuzung zur Nördlichen Allee untersucht wird. Erst dann ließe sich feststellen, ob etwa eine Ampel oder andere Maßnahmen für Fußgänger und Anwohner umsetzbar seien.

Brenzlige Situationen an der Ausfahrt

Auch Christoph Böhm kritisierte einen vor allem ab 22 Uhr immensen Schwerlastverkehr im Bereich des Logistikzentrums. Dies führe an der Ausfahrt zur Staatsstraße immer wieder zu gefährlichen Situationen. Er forderte, das Gerolzhöfer Ortsschild bis dorthin zu versetzen, damit dort maximal Tempo 50 gefahren werden darf. Wozniak versprach, dies prüfen zu lassen, verwies aber darauf, dass ein Ortsschild nicht zwingend am Beginn der Ortsbebauung stehen müssen.

Beate Kraft störte sich am Anblick des Logistik-Baus der Firma Schäflein, der an der Mönchstockheimer Straße entsteht und den Blick auf die Stadtsilhouette zerstört habe. Zudem bezweifelte sie, dass dort, wie vom Unternehmen versprochen, neben Lagerflächen für Waren tatsächlich ein Innovationszentrum entsteht. Wozniak entgegnete, dass das dortige Industriegebiet per Bebauungsplan bereits im Jahr 2005 beschlossen wurde. Seitdem seien solche Bauten dort zulässig. Er sehe keinen Anlass, Ankündigungen des Unternehmens nicht zu trauen, noch bevor der Betrieb überhaupt angelaufen ist.

Die im Industriegebiet 'An der Mönchstockheimer Straße' entstehende Logistikhalle der Firma Schäflein verändert den Anblick auf die Stadt, was nicht allen gefällt.
Foto: Josef Lamber | Die im Industriegebiet "An der Mönchstockheimer Straße" entstehende Logistikhalle der Firma Schäflein verändert den Anblick auf die Stadt, was nicht allen gefällt.

Auf einen Einwand von Gerhard Schild versprach der Bürgermeister die Frage, nach welchen Kriterien die Stadt Anwohnerparkausweise für die Altstadt ausstellt und womöglich Anwohner-Parkzonen einrichten könnte, im Stadtrat diskutieren zu lassen. Er stellte er jedoch vorab fest, dass es dort grundsätzlich zu wenig Parkplätze gebe, um alle berechtigten Interessen zufriedenzustellen.

 
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