Es war zugig und kühl im Stall der Weidegemeinschaft Rhönschaf in Ginolfs. Trotzdem herrschte dort eine durchaus harmonische, wenn auch nicht sorgenfreie Stimmung. Rhöner Schäfer und Weidetierhalter trafen sich dort mit der Bundestagsabgeordneten Anja Weisgerber, Landrat Thomas Habermann und dem CSU-Kreisvorsitzenden Christof Herbert, um zu Beginn der Weidesaison über das heftig diskutierte Thema Wolf zu sprechen.
Heiße Diskussionen gab es nicht. Stattdessen rege Gespräche. Dabei brachten die Schäfer ihre großen Sorgen zum Ausdruck. Sie erwarten, dass die Zahl der Wölfe in der Rhön in nächster Zeit weiter zunimmt und ihre Probleme noch größer werden. Damit stießen sie bei den Politikern auf offene Ohren.
So war man sich weitgehend einig: Der Wolf solle nicht ausgerottet werden, aber die bisherige Politik der Bundesregierung müsse sich grundlegend ändern. Diese habe in eine Situation geführt, in der inzwischen nicht mehr der Wolf vom Aussterben bedroht ist, sehr wohl aber die Weidewirtschaft, wie gleich mehrfach festgestellt wurde.
Neuregelung zur vereinfachten Entnahme der Wölfe funktioniert nicht
Die Wolfspopulation wachse stetig und ungebremst und verdopple sich etwa alle drei Jahre, betonte auch Weisgerber, die über aktuelle politische Entwicklungen beim Thema Wolf und ihre Einschätzungen und Vorstellungen dazu informierte.
Wie die Schweinfurter CSU-Abgeordnete und umweltpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag weiter ausführte, hätten Wölfe im vergangenen Jahr knapp 4400 Weidetiere getötet und gerade auch in der Rhön zunehmend Probleme verursacht. Ziel müsse es sein, eine Balance zwischen Weidetierhaltung und Schutz des Wolfes zu erreichen. Die sei aber nicht mehr gegeben, betonte Weisgerber.
Zwar sei im vergangenen Dezember vom Umweltministerium eine Regelung beschlossen worden, wonach Problemwölfe, die bereits Tiere gerissen haben, einfacher getötet werden können. Auf ihre Anfrage habe das Ministerium jedoch zugeben müssen, dass auf Basis dieser Regelung noch kein einziger Wolf geschossen worden sei. Dies belege, dass die Vorgehensweise nicht weiterhelfe.
Statt einer nur reaktiven, also auf einzelne Anlässe wie Risse von Nutztieren bezogene Regelung zur Entnahme von Wölfen, forderte Weisgerber ein Bestandsmanagement nach schwedischem Vorbild. Dort werde regelmäßig eine Maximalzahl von Wölfen festgelegt und der Bestand entsprechend reguliert.
Landrat Habermann für anlasslose Bestandsregulierung
Die CSU-Politikerin forderte, dass der Schutzstatus des Wolfes auf EU-Ebene abgesenkt werden muss und zeigte sich verärgert, dass aktuell ein Vorschlag der EU-Kommission für ein Bestandsmanagement des Wolfs in der EU-Umweltministerkonferenz von Deutschland "torpediert" worden sei: "Die Tierhalter im ländlichen Raum werden im Stich gelassen." Man habe die Umweltministerin aufgefordert, zu diesem Vorgehen Stellung zu nehmen, kündigte Weisgerber für die nächste Sitzungswoche des Bundestags Anfang Juni eine harte Debatte an.
Auch für Landrat Thomas Habermann ist die aktuelle Situation, in der kleine Verbände Abschussgenehmigung über Gerichte aushebeln könnten, unbefriedigend. Er forderte klare gesetzliche Regelungen zur anlasslosen Bestandsregulierung.
Die Tierhalter forderte er auf, Wolfsrisse den Behörden zu melden und nicht weiter öffentlich zu machen, damit mögliche Entnahmebescheide auch umgesetzt werden könnten. Wie Habermann sah auch Christof Herbert die Weidetierhaltung in der Rhön in Gefahr. Ändere sich die Politik nicht, werde vieles, was in den vergangenen Jahrzehnten an Weidewirtschaft im Biosphärenreservat mit großem Aufwand erfolgreich aufgebaut wurde, zunichtegemacht, warnte er.
Befürchtungen vor einer Explosion der Problematik
Dem wollten die Weidetierhalter nicht widersprechen. Julian Schulz aus Ginolfs oder Daniel Geiling aus Zeilitzheim berichteten über die Folgen von Wolfsangriffen, über verstörte Tiere und wesentliche geringere Zahlen von neugeborenen Lämmern - abgesehen vom Befinden der Schäfer.
Einen Weidezaun aufzustellen, höre sich sehr einfach an. In der Praxis sei das aber enorm aufwändig, hieß es weiter. Verena Heidenreich vom Mellerschter Schafhof stieß mit ihrer Forderung nach verbindlichen Rissprotokollen und B-Proben beim Landrat auf offene Ohren.
Letztlich, das war gleich mehrfach zu hören, dächten so manche Halter - vor allem von kleineren Herden - daran, aufzugeben. "Nach dem ersten Riss höre ich auf", habe schon manche Herdenbesitzer angekündigt.
Harald Müller und Julian Schulz berichteten von Anzeichen, dass sich die Situation in der Rhön weiter verschärfen könnte. Derzeit sei es relativ ruhig. Das deute darauf hin, dass die Problemwölfin in ihrer Wurfhöhle mit der Aufzucht von Nachwuchs beschäftigt sei. Wenn das zutreffe, stehe man vor "einer Explosion" bei der Wolfsproblematik.