
In ihrer Klasse ist sie mit Abstand die Älteste und aus Sicht ihrer Schutzbefohlenen sehr jung. Mit fast 50 Jahren wagte Tanja Büchs-Radina den beruflichen Neuanfang. Die gelernte Zahnarzthelferin startete im vergangenen Jahr eine Ausbildung zur Pflegefachkraft. "Ich hatte schon immer ein Helfersyndrom. Außerdem brauche ich soziale Kontakte", erklärt die Frau aus Rödelmaier. "Und nicht zuletzt brauchen pflegebedürftige Menschen jemanden, der sich um sie kümmert. Schließlich möchten wir auch, dass sich einmal jemand um uns kümmert."
Viele hätten von der Pflege ein falsches Bild. "Pflege macht Spaß", betont Büchs-Radina. Sie hat ihren Traumberuf gefunden und ist sich sicher, mit der jetzigen Ausbildung den richtigen Schritt getan zu haben. "Ich bereue es nicht und würde es wieder so machen." Das Tolle an ihrem Beruf sei die Erfahrung, anderen Menschen helfen zu können. "Das ist mega."
In ihrem ersten Beruf fand Tanja Büchs-Radina nicht die Erfüllung
Tanja Büchs-Radina wuchs in Heustreu auf. Nach der Schulzeit arbeitete sie zunächst als Zahnarzthelferin. Doch darin hat sie nicht die gesuchte Erfüllung gefunden. Als sie ihre Kinder bekam – drei Söhne, die heute 19, 25 und 30 Jahre alt sind – übte sie danach mehrere Nebenjobs aus. Unter anderem in der Fahrdienstplanung beim BRK, wo sie einen Einblick in den sozialen Bereich erhielt.
Die Initialzündung für den Pflegeberuf kam, als sie am Rhön-Klinikum Campus in Bad Neustadt für den Patiententransport im Haus arbeitete. Sie sah zwar auch den Stress, unter dem die Pflegerinnen und Pfleger oft standen, aber gleichfalls die Freude, die der Beruf bereitet.
Sie entschied sich, zunächst eine einjährige Ausbildung zur Krankenpflegehelferin zu absolvieren. "Weil ich nicht wusste, ob mein Kopf das noch mitmacht. Ich habe es mir nicht so ganz zugetraut", meint die 49-Jährige. Bereits nach kurzer Zeit habe sie jedoch gewusst, dass die Richtung stimmt. Somit schloss sie die dreijährige Ausbildung zur Pflegefachkraft gleich an. Mittlerweile befindet sie sich im zweiten Ausbildungsjahr. Ihre Familie stehe voll hinter ihrem Vorhaben und unterstütze sie dabei. "Sie fragen mich sogar ab."
Seit 2020 gibt es die sogenannte generalistische Pflegeausbildung
Die seit 2020 bestehende sogenannte generalistische Pflegeausbildung beinhaltet neben dem Blockunterricht in Theorie die praktische Arbeit in einem Krankenhaus, Pflegeheim, in der Kinderkrankenpflege, bei einem ambulanten Pflegedienst oder auch in der Psychiatrie. Tanja Büchs-Radina sammelte bereits Erfahrungen am Rhön-Klinikum Campus in Bad Neustadt, im Pflegeheim Juliusspital in Bad Königshofen und beim Pflegedienst Regenbogen, ebenfalls in Bad Königshofen. Dieser betreut unter anderem eine Intensivpflege-WG in Eichenhausen und auch Wachkoma-Patienten. "Die Intensivpflege ist ein sehr interessanter Bereich. Hier sieht man, was alles möglich ist, um es den Patienten leichter zu machen."
Dass die angehende Pflegefachfrau vor Herausforderungen nicht zurückschreckt, zeigt sich auch daran, dass auf ihrer Wunschliste für einen Einsatz die Palliativstation steht. "Ich bin in einem Alter, in dem man mit dem Tod realitätsnäher umgeht", sagt sie. "Ich habe bereits erlebt, dass Angehörige sterben und kann mich in eine solche Situation hineinversetzen."
Das Alter bringt auch Vorteile in dem neuen Beruf mit sich
Von daher betrachtet die 49-Jährige ihr Alter als einen Vorteil in ihrem Beruf. Außerdem: "Man wird anders behandelt und ernster genommen. Mir wird mehr zugetraut", meint sie. Die Lebenserfahrung zahle sich im Umgang mit den Patientinnen und Patienten aus. "Immerhin führe ich einen eigenen Haushalt, habe drei Kinder großgezogen und sie, wenn sie krank waren, gesund gepflegt." Nicht selten komme es vor, dass sich Patienten oder Angehörige bei Fragen an sie wenden und nicht an ihre jüngere Ausbilderin. "Ich bin der Azubi. Das ist ihre Ansprechpartnerin", sage sie dann.
Tanja Büchs-Radina kommt noch in den Genuss eines weiteren Nutzens. Über die Agentur für Arbeit erhält sie eine finanzielle Förderung, die während der Ausbildung das sonst übliche Ausbildungsgehalt deutlich aufstockt. Mit Maßnahmen wie dieser sollen Beschäftigte für die Pflege gewonnen werden. Unter anderem eben auch ältere Personen, die an einer Umschulung interessiert sind, bereits mitten im Leben stehen, eventuell Kinder haben und bei denen ein Ausbildungsgehalt nicht ausreichen würde.
Eine E-Mail an den damaligen bayerischen Gesundheitsminister Klaus Holetschek
Die Rödelmairerin sieht aber auch Anlass zur Kritik an der Politik. In einem besonderen Fall wandte sie sich vor etwa eineinhalb Jahren sogar an den damaligen bayerischen Gesundheitsminister Klaus Holetschek. In einer E-Mail an ihn kritisierte sie, dass manche – kürzeren – Ausbildungen in der Pflege nicht mehr anerkannt werden. "Die Betroffenen gelten nicht als Fachkräfte", erläutert sie. Aufgaben, die diese teilweise jahrelang durchführten, dürften sie nun nicht mehr ausüben. "Wir haben Fachkräftemangel in der Pflege, und das sind alles sehr wertvolle Menschen. Das kann ich nicht nachvollziehen."
Nichtsdestotrotz: "Insgesamt ist die Pflege ein wahnsinnig schöner Job, der sehr viel Spaß macht", so Büchs-Radina. Besonders aufbauend sei die Dankbarkeit, die einem von den Pflegebedürftigen und Angehörigen entgegenkommt. "Das vermittelt das Gefühl, dass man seine Arbeit gut macht." Die Menschen seien froh, dass sie jemanden um sich haben. Nicht selten würden sich zu Pflegende entschuldigen. "Es tut mir leid, dass Sie das für mich machen müssen", seien häufig Sätze, die sie zu hören bekäme. "Dafür sind wir da", antworte sie darauf.
Tolle Augenblicke seien ebenfalls, wenn bettlägerige oder auch demente Patienten merken, dass man sich um sie kümmert, einen anlächeln oder gar die Wange streicheln. Es seien vor allem die kleinen Gesten, die einen freuen. Zu erfahren, dass man auch in schweren Situationen noch den Menschen helfen kann, sei etwas Besonderes. "Die Pflege ist ein Beruf, der einen ausfüllt."