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Würzburg
"Die Pflege ist viel besser als ihr Ruf!" 3 Pflegekräfte aus Unterfranken sagen, warum sie ihre Jobs lieben
Zwei Frauen und ein Mann aus Unterfranken ärgert die oft undifferenzierte Darstellung ihres Berufs. Sie erleben ihn als sinnstiftend, erfüllend und anspruchsvoll.
Drei Pflegekräfte, die der Überzeugung sind, dass die Pflege viel besser ist als ihr Ruf: (von links) Anna Kosel, Anja Steinrücken-Bayer und Sebastian Drescher auf der Terrasse des ZOM an der Uniklinik Würzburg. 
Foto: Patty Varasano | Drei Pflegekräfte, die der Überzeugung sind, dass die Pflege viel besser ist als ihr Ruf: (von links) Anna Kosel, Anja Steinrücken-Bayer und Sebastian Drescher auf der Terrasse des ZOM an der Uniklinik Würzburg. 
Natalie Greß
 |  aktualisiert: 20.07.2024 02:39 Uhr

Dauergestresst. Überlastet. Schlecht bezahlt. Stereotype über Pflegekräfte gibt es viele. Drei von ihnen aus Unterfranken sagen: "Die Pflege ist viel besser als ihr Ruf!" Anna Kosel, Anja Steinrücken-Bayer und Sebastian Drescher behaupten nicht, dass ihre Jobs nie anstrengend und ihre Gehälter nicht ausbaufähig wären. Aber die überwiegend negative öffentliche Wahrnehmung ihres Berufs ärgert sie.

Für sie ist die Pflege vor allem das:  "Sinnstiftend. Erfüllend. Spannend. Abwechslungsreich. Anspruchs- und verantwortungsvoll. Manchmal sogar lustig." Warum sie ihre Jobs lieben, beschreiben sie hier.

1. Anna Kosel (23), Kinderintensivstationen am Universitätsklinikum Würzburg: "Dadurch, dass wir die Eltern einbinden, kommt das Soziale nicht zu kurz"

Anna Kosel  aus Würzburg arbeitet als Pflegefachfrau (Vertiefung Pädiatrie) auf den Kinderintensivstationen Perinatalzentrum und Raumstation am Universitätsklinikum Würzburg.
Foto: Patty Varasano | Anna Kosel  aus Würzburg arbeitet als Pflegefachfrau (Vertiefung Pädiatrie) auf den Kinderintensivstationen Perinatalzentrum und Raumstation am Universitätsklinikum Würzburg.

Ein kleiner Elefant schaut von einer Tasche am Oberteil ihrer Dienstkleidung. An seinem Rüssel baumelt eine Taschenuhr. "Da wir in unseren Schichten keine Armbanduhren tragen dürfen, kann ich zwischendurch einen Blick draufwerfen", sagt Anna Kosel. Zeitdruck? "Welcher Job ist nicht zwischendurch stressig?", fragt die Pflegefachfrau und lächelt. "Tage, nach denen ich mental oder körperlich müde bin, halten sich die Waage mit Tagen, an denen ich gut gelaunt nach Hause gehe, weil ich meinen Job als erfüllend empfinde. Das gibt mir dann Energie."

"Tage, nach denen ich mental oder körperlich müde bin, halten sich die Waage mit Tagen, an denen ich gut gelaunt nach Hause gehe."
Anna Kosel, Pflegefachfrau an der Uniklinik Würzburg

Anna Kosel arbeitet an der Uniklinik Würzburg mit Frühgeborenen und schwerkranken Kindern bis 18 Jahren. "Intensivstationen haben den Ruf, vor allem Gerätemedizin zu sein", sagt die Würzburgerin. "Aber dadurch, dass wir die Eltern einbinden, kommt das Soziale nicht zu kurz." Berührendes sowieso nicht. "Wenn zum Beispiel ein Kind, das nicht selbstständig atmen konnte und auf Geräte angewiesen war, nach ein paar Tagen in seinem Bettchen sitzt und wieder lacht, dann ist das bewegend."

Die 23-Jährige hat nach dem Abitur vor einem Jahr ihre Ausbildung am UKW abgeschlossen. Mit ihrer Frische und Herzlichkeit wäre sie das perfekte Werbegesicht einer Kampagne für Pflegeberufe. "Wenn ich anderen erzähle, dass ich in der Pflege arbeite, werde ich oft angeschaut, als wäre das nichts. Kein richtiger Beruf, nur ein Sprungbrett", berichtet sie. "Dabei müssen wir so viel wissen. Gerade auf meinen Stationen lerne ich auch viel Medizinisches. Das finde ich richtig cool!"

Hoffnung macht Anna Kosel, dass "immer mehr Menschen auch in den sozialen Medien zeigen wollen, dass die Pflege eine Profession ist, die wissenschaftlich und evidenzbasiert ist. Und sie ist so vielfältig, dass jeder seine Nische finden kann." Der kleine Elefant nickt durch ihre Gesten, als würde er begeistert zustimmen.    

2. Anja Steinrücken-Bayer (58), Palliativstation am Universitätsklinikum Würzburg: "Dass wir offen über den Tod sprechen, tut mir gut"

Anja Steinrücken-Bayer aus Schweinfurt arbeitet als Krankenschwester auf der Palliativstation am Universitätsklinikum Würzburg.
Foto: Patty Varasano | Anja Steinrücken-Bayer aus Schweinfurt arbeitet als Krankenschwester auf der Palliativstation am Universitätsklinikum Würzburg.

Ursprünglich wollte sie nach dem Abitur Hebamme werden. Helfen, Kinder auf die Welt zu bringen. Heute kümmert sich Anja Steinrücken-Bayer um Menschen, deren Leben auf dieser Welt zu Ende geht: Die 58-Jährige, die seit 36 Jahren am UKW arbeitet und in Schweinfurt lebt, ist auf der Palliativstation an der Uniklinik Würzburg tätig. Als Krankenschwester, wie es früher hieß. Auf der "Palli" komme sie Patientinnen und Patienten näher als auf vorherigen anderen Stationen. "Bei uns sind Menschen, die wissen, dass sie bald sterben werden. Da geht es ums Existenzielle und um Sinnfragen."

"Es benötigt Empathie, Patientinnen und Patienten durch beschämende Momente und Ausnahmesituationen zu führen."
Anja Steinrücken-Bayer, Krankenschwester an der Uniklinik Würzburg

Anja Steinrücken-Bayer sagt: "Ich nehme aus meiner Arbeit viel für mich privat mit. Dass wir dort offen über den Tod sprechen, tut mir gut. Die Klarheit und Souveränität, mit dem ihm Strebende begegnen, beeindruckt mich. Viele finden zu einer Haltung, dass es gut ist, wie es ist. Zu innerem Frieden. Sie verlieren Angst."

Als "anspruchs- und verantwortungsvoll" beschreibt Anja Steinrücken-Bayer ihren Job. Das Vorurteil, Pflegekräfte wischten kranken und alten Menschen nur die Hintern ab, belächelt sie. "Aber selbst diese Aufgabe ist nicht nur eine mechanische. Es benötigt Empathie, Patientinnen und Patienten durch beschämende Momente und Ausnahmesituationen zu führen. Sie dabei zu unterstützen, empfinde ich als sinnhaft."

Die Wertschätzung, die sie dafür bekomme, und die Erfahrung eigener Wirksamkeit mache einen Teil "nicht optimaler Umstände" wie den Personalnotstand wett. "Durch sie ist unser Beruf in Wellen anstrengender, als er an sich ist."

Dennoch würde Anja Steinrücken-Bayer die Pflege "jungen Leuten, mit Interesse am Menschen und Sozialen" empfehlen. "Einfach mal ein Praktikum machen", rät sie. Vielleicht leiste es ja eine Art Geburtshilfe für einen bereichernden Beruf.

3. Sebastian Drescher (25), Zeitarbeitsfirma: "Meinen Beruf mit Reisen verbinden zu können und Erfahrungen in verschiedenen Häusern zu sammeln, fand ich einen guten Deal"

Sebastian Drescher aus Giebelstadt (Landkreis Würzburg) arbeitet als Pflegefachmann (Vertiefung Erwachsenenpflege) im Auftrag einer Zeitarbeitsfirma.
Foto: Patty Varasano | Sebastian Drescher aus Giebelstadt (Landkreis Würzburg) arbeitet als Pflegefachmann (Vertiefung Erwachsenenpflege) im Auftrag einer Zeitarbeitsfirma.

"Serotonin macht glücklicher als Geld!" Findet ein 25-Jähriger, der zu einer Gruppe gehört, die mit knapp 20 Prozent der Pflegekräfte in der Minderheit ist: Männer. "Meine Wahrnehmung ist, dass teils noch ein großes Unverständnis herrscht, einen Mann in einem gesellschaftlich gesehenen Frauenberuf zu finden", sagt Sebastian Drescher.    

Der Giebelstädter ist nach Fachabi und Ausbildung an der Uniklinik Würzburg seit Februar bei einer Zeitarbeitsfirma angestellt, die ihn bundesweit an Krankenhäuser verleiht. "Ich bin außer durch den Fußball so gut wie nie aus Unterfranken rausgekommen", sagt Sebastian Drescher, bis zur U19 bei den Würzburger Kickers aktiv. "Meinen Beruf mit Reisen verbinden zu können und Erfahrungen in verschiedenen Häusern zu sammeln, fand ich einen guten Deal, solange ich noch keine Familie habe."  

"Der Pflegeberuf schult die sozialen Fähigkeiten, die persönliche Stressbewältigung und den Charakter."
Sebastian Drescher, Pflegefachmann in einer Zeitarbeitsfirma

Die Belastung durch kurze Einsätze an wechselnden Orten und die Reisebereitschaft spiegeln sich im Gehalt wider, was für Sebastian Drescher "ein zusätzlicher Anreiz" war. Bei seinem ersten Einsatz in Fürstenfeldbruck verdiente er inklusive aller Zuschläge monatlich knapp 4000 Euro netto – und damit gut 1000 Euro mehr als Kollegin Anna Kosel.

Trotzdem steht für den Pflegefachmann der Spaß an seiner Arbeit im Vordergrund: "Der sorgt für Glücksgefühle, selbst an turbulenten Tagen." Spaß, das bedeutet für den früheren Sportler vor allem: "mich selbst zu fordern". Körperlich, mental, psychisch. "Durch die täglich wechselnden Anforderungen kann ich mich als Persönlichkeit weiterentwickeln. Der Pflegeberuf schult die sozialen Fähigkeiten, die Stressbewältigung und den Charakter." Der Pflege täten mehr junge Männer wie Sebastian Drescher mutmaßlich gut.

 
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Kommentare
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  • Barbara Fersch
    wem schadet ein soziales Pflichtjahr ???
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  • Dietmar Eberth
    Was haben Arbeitgeber von einem Arbeitnehmer für einen Hungerlohn, der zur Arbeit gezwungen wird? Einen "Aufpasser" der hinten dran steht, kann sich nur der öffentliche Dienst leisten.
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  • Dietmar Eberth
    Nächstes Jahr soziale Pflichtjahr - billige Arbeitskräfte die alles machen - durch die Union löst dann den Fachkräftemangel?
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