
Wie gibt man einem Pflegebedürftigen etwas zu Essen? Wie hilft man ihm, ohne großen Kraftaufwand aufzustehen? Oder auch, wie gestaltet man den Alltag in Pflegeeinrichtungen abwechslungsreicher? Auf all diese Fragen erhielten die Schülerinnen und Schüler der Mittelschule Bad Königshofen eine fachkundige Antwort.
Seit Anfang des Jahres verfolgt der Landkreis Rhön-Grabfeld mit dem Projekt "ready4care?!" – Bereit für die Pflege?! – das Ziel, den Pflegeberuf bei Schülerinnen und Schülern in ein positives Licht zu heben. Das Projekt ist angelehnt an die Imagekampagne "Pflege on Tour", die seit einigen Jahren im Landkreis Haßberge durchgeführt wird.
Mit dem demografischen Wandel wächst der Bedarf an Pflegepersonal
Der demografische Wandel schreitet immer weiter voran. Mit ihm wächst die ältere Generation in Deutschland und somit auch der Bedarf an Pflegepersonal. Etliche junge Menschen hätten negative Vorstellungen von dem Berufsfeld, sagen Selina Pfülb und Eva Holzhausen vom Amt für Senioren und Menschen mit Behinderung im Landratsamt Rhön-Grabfeld, die das Projekt koordinieren. "Ready4care?!" soll ihnen Vorurteile nehmen und die positiven Seiten des Pflegeberufs aufzeigen. Es soll über das Berufsbild informieren und die Ausbildungsmöglichkeiten vorstellen.

Dabei kommt die Praxis nicht zu kurz. So gingen in Bad Königshofen nach einem Theorieteil in der Mittelschule die Schülerinnen und Schüler in zwei Pflegeeinrichtungen, in die Juliusspitalstiftung und in das "franken care".
Wie derzeit in vielen anderen Einrichtungen, so können auch im Juliusspital momentan aus personellen Gründen nicht alle Betten belegt werden. Zur Verfügung stehen 67 Betten, davon sind 59 belegt. "Der personelle Engpass hat sich nicht entspannt", erläuterte Anneliese Jahrsdörfer, gerontopsychiatrische Fachkraft, gegenüber dieser Redaktion. Nicht nur Fachkräfte – von der Raumpflege bis zu Küchenmitarbeitern würde Personal händeringend gebraucht werden. "Es wäre schön, wenn mit diesem Projekt etwas bei uns hängen bleiben würde und wir den ein oder anderen für die Pflege begeistern können", sagte sie im Vorfeld.
Anneliese Jahrsdörfer: "Die Arbeit in der Pflege ist nichts Trauriges"
Sie selbst ist von ihrem Beruf begeistert. Am schönsten sei der Kontakt mit den Menschen. "Die Arbeit in der Pflege ist nichts Trauriges. Wir lachen hier sehr viel", betonte Jahrsdörfer.

Sie und ihre Kolleginnen Lisa Dömling, stellvertretende Pflegedienstleiterin, Krankenschwester Bianca Keß, Auszubildende Tanja Büchs-Radina sowie die Betreuungskraft Annegret Hübner erklärten den Schülerinnen und Schülern in der Juliusspitalstiftung Wissenswertes rund um die Pflege.
Die jungen Leute konnten dabei auch vieles selbst ausprobieren. Zum Beispiel, wie man Mahlzeiten gibt, Schutzkleidung anlegt oder jemanden im Bett bewegt. Anhand eines "Lifters", einer elektrischen Hebevorrichtung für Patientinnen und Patienten, erlebten sie, wie man kraftsparend Personen umsetzen kann. Im "Maxi Chair" erfuhren sie hautnah, dass ein Rollstuhl die Bequemlichkeit eines Sessels haben kann. Und mit einer Aufstehhilfe wurden sie wie von Zauberhand zum Stehen gebracht.
"Wow", entfuhr es dem 14-jährigen Marlon, der eben noch auf einem Stuhl saß und kurz darauf auf den eigenen Beinen stand. Auch der gleichaltrigen Sophia gefiel es, mit dem Lifter empor gehoben zu werden.
Scheu vor bestimmten pflegerischen Tätigkeiten bei den jungen Leuten
Weckten all die Informationen bei den Schülerinnen und Schülern Interesse für den Pflegeberuf? "Die Menschen tun mir so leid. Ich könnte nicht zusehen, wie jemand stirbt", meinte dazu die 15-jährige Maxima. Sie scheue sich doch etwas vor bestimmten pflegerischen Tätigkeiten, äußerte Sophia Bedenken. Auch Marlon befürchtet, dass der Beruf ihm nicht so liegen würde.

"Es wird nach außen vermittelt, dass Pflege ausschließlich Waschen und zur Toilette gehen ist. So ist es nicht", entgegnete darauf die Auszubildende Tanja Büchs-Radina. Sie ist mit 49 Jahren eine Späteinsteigerin in den Pflegeberuf. In ihrem ersten Beruf als Zahnarzthelferin habe sie sich nie richtig wohlgefühlt. Nachdem ihre drei Kinder groß waren, sagte sie sich: "Jetzt mache ich etwas, das mir Spaß macht." Und begann eine Ausbildung zur Pflegefachfrau. Aktuell befindet sie sich im ersten Ausbildungsjahr. Bereut hat sie ihren Schritt in keinster Weise.
Büchs-Radina schilderte die Pflege-Ausbildung, die viele Möglichkeiten beinhalte – von der Altenpflege, der Arbeit in einem Krankenhaus oder bei einem ambulanten Pflegedienst bis zur Tätigkeit auf einer Kinderstation oder in der psychiatrischen Pflege.
Wie hoch ist das Einstiegsgehalt nach dem Ausbildungsabschluss?
"Die Bewohner brauchen viel Ansprache", fuhr sie fort. Am Vortag sei sie mit einem Mann, der nicht "so gut drauf gewesen" sei, zum Eisessen gegangen. Man löse mit den Bewohnerinnen und Bewohnern Kreuzworträtsel oder versuche auf andere Art und Weise, Wärme in ihren Alltag zu bringen. "Pflege ist viel, viel mehr als nur die pflegerischen Tätigkeiten." Kürzlich habe eine Frau sie mit den Worten begrüßt: "Ich habe Dich vermisst, mein Schatz." Das sei "wahnsinnig schön" gewesen.

Erstaunen rief die 49-Jährige bei den Schülerinnen und Schüler hervor, als sie das Gehalt einer Pflegefachkraft bezifferte. Nach dem Ausbildungsabschluss liegt das Einstiegsgehalt bei ungefähr 3500 Euro im Monat. "In der Pflege wird gut bezahlt", so Tanja Büchs-Radina. Darüber hinaus sei ein Job in der Pflege krisensicher.
"Pflege ist nicht so schlimm, wie sie oft dargestellt wird. Es ist ein Beruf, der Spaß macht und ein Beruf, der geschätzt wird", machte sie deutlich. Vielleicht haben ihre eindringlichen Worte bei dem ein oder anderen jungen Menschen Sympathie für den Pflegeberuf geweckt.