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Bad Neustadt
Mit Bildern eines Zerfalls: Wie viel jüdische Geschichte steckt im "Schmitts Mary Haus" und in Bad Neuhaus?
Das lange denkmalgeschützte "Schmitts Mary Haus" in Bad Neuhaus wurde abgerissen und damit verschwand auch ein Stück Geschichte. Ein Blick zurück.
Unser historisches Foto aus Bad Neuhaus mit dem 'Schmitts Mary Haus' stammt aus den 1970er Jahren. Hinweis: Trotz sorgfältiger Recherche konnte der Rechteinhaber nicht ermittelt werden. Rechteinhaber werden gebeten, sich bei der Redaktion zu melden.
Foto: Stadtarchiv Bad Neustadt | Unser historisches Foto aus Bad Neuhaus mit dem "Schmitts Mary Haus" stammt aus den 1970er Jahren. Hinweis: Trotz sorgfältiger Recherche konnte der Rechteinhaber nicht ermittelt werden.
Christian Hüther
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:52 Uhr

Über wohl kaum ein Haus wurde in den vergangenen Wochen mehr gesprochen, als über das denkmalgeschützte "Schmitts Mary Haus" in Bad Neuhaus. Benannt nach der früheren Bewohnerin Maria Schmitt, die hier noch in den 1960er Jahren bis zu ihrem Tode lebte und lange Jahre Privatsekretärin der Familie von und zu Guttenberg auf der Salzburg war. Jahr für Jahr war das immer weiter zerfallende Haus Thema auf den Bürgerversammlungen von Bad Neustadt.

Der Stadt Bad Neustadt waren jedoch die Hände gebunden. Das Rhön-Klinikum als Eigentümer stellte Abrissanträge, die von der Denkmalbehörde abgelehnt wurden. Trotz der Notsicherungsmaßnahmen setzte sich der natürliche Verfall fort, am 1. Februar begann schließlich der Abriss des Gebäudes.

Die Geschichte hinter dem "Schmitts Mary Haus" in Bad Neustadt

Dass in dem Haus und darüber hinaus in Bad Neuhaus viel jüdische Geschichte steckt, zeigt sich nicht nur an der Tatsache, dass das Haus bis zuletzt unter Denkmalschutz stand. Denkmalschutzwürdig war es vor allem wegen der alten Jahreszahl über der Türe und der historischen Innenausstattung.

Fotoserie

Ganz intensiv mit der Historie befasst sich Elisabeth Böhrer aus Sondheim/Rhön. 2019 erhielt sie den Obermayer German Jewish History Award, weil sie dazu beiträgt, die Geschichte der Landjuden in Unterfranken zu bewahren.

Elisabeth Böhrer (Mitte) am Denkmal für die deportierten Juden in Bad Neustadt. Unser Archivfoto stammt aus dem Mai 2022. Links Künstlerin Eva Warmuth und dritter Bürgermeister Karl Breitenbücher.
Foto: Regina Vossenkaul | Elisabeth Böhrer (Mitte) am Denkmal für die deportierten Juden in Bad Neustadt. Unser Archivfoto stammt aus dem Mai 2022. Links Künstlerin Eva Warmuth und dritter Bürgermeister Karl Breitenbücher.

Für das Heimatjahrbuch des Landkreises Rhön-Grabfeld schrieb sie zudem einen längeren Artikel mit dem Titel: "Die Israelitische Kultusgemeinde Bad Neuhaus". Darin kommt auch das "Schmitts Mary Haus" vor. 

Sichtbarstes Zeichen der Geschichte ist die historische Jahreszahl

Wie Böhrer schreibt, wurde sie im Jahr 2010 auf das Anwesen "An der Wandelhalle 2" aufmerksam. Das sichtbarste Zeichen der langen Geschichte des Hauses zeigt sich an der angebrachten Jahreszahl 1794. Der erste Hinweis darauf, dass hier einmal Bewohner jüdischen Glaubens lebten, waren Spuren von Mesusot, dem Türpfostensymbol.

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Wie Böhrers Recherchen im Staatsarchiv Würzburg mit dem Nachweis August 1822 ergaben, lebte Händler Jakob Ebert hier mit seiner Familie im Haus seines Schwiegervaters Isaac Kohn Saalmann. In Neuhaus führte er Trauungen durch. 1834 wurde er als "Judenlehrer" bezeichnet, auch die anderen in Neuhaus geborenen Geschwister waren jüdische Lehrer. 

Die Verbindung vom "Schmitts Mary Haus" zur heutigen "Rhön Perle"

Das "Schmitts Mary Haus", gemeint ist das bekannte, sogenannte "Vordergebäude", hatte zur damaligen Zeit noch die Hausnummern 62 a und b. Wolf Seifensieder erwarb das Anwesen durch Heirat, seine Frau Mathilde war eine geborene Ebert. Bis 1883 war es im Besitz der erwähnten Familie, später erfolgte der Verkauf an den Freiherrn von Brenken. Im oberen Stock des Hauses befand sich eine Laubhütte.

Fotoserie

Jener Seifensieder kaufte auch das Anwesen Spörleinstraße 18 in der Innenstadt von Bad Neustadt, die heutige "Rhön Perle". Das Anwesen wurde damals unter anderem mit den Attributen "Viehstall", "Gemüsegärtchen im Hof" und "Scheuer an der Judengasse" beschrieben.  

Die Spitznamen der Häuser in Bad Neuhaus

Zum gesamten Anwesen "Schmitts Mary Haus" gehört auch das höhere "Rückgebäude" (früher Hausnummer 61, zeitweise "Herschfelder Str. 1" und heute "An der Wandelhalle 2a"), was nun ebenfalls dem Abriss geweiht ist. Hier wohnten, so Böhrer, seit nachweislich mindestens 1861 die Vorfahren der Familie Hecht.

1867 wurde das alte Wohnhaus abgebrochen und durch ein neues ersetzt. Die Nachkommen verkauften den Besitz im Jahr 1900 an Michael August Wehner. Die Einwohner von Bad Neuhaus bezeichnen dieses Gebäude deshalb heute noch als "Wehner Haus".

Auch in anderen Fällen gaben die früheren Bewohner den Häusern ihren heutigen Spitznamen. Links neben dem "Schmitts Mary Haus" steht das kleine "Gessner Haus" und weiter daneben das "Seufert Haus", die zunächst nicht von einem Abriss bedroht sind. 

Zurück zur Historie des "Schmitts Mary Haus". Das Vordergebäude mit der schmiedeeisernen Datierung 1794 ergänzt sich mit Schloss Neuhaus und der katholischen Schlosskapelle.

Wie zeigt sich die historische Ausstattung im "Schmitts Mary Haus"? 

Die historische Ausstattung des späten 18. Jahrhunderts wurde daher unter Denkmalschutz gestellt. Hierzu zählen unter anderem die barocken Türstöcke mit Rahmenfüllungstüren, die vollständige Vertäfelung der Innenwände in der Stube des Erdgeschosses mit kleinteiligen Rahmenfüllungselementen einschließlich der Fensternischen und Stichbögen. Auch die im rückwärtigen Raum eingefasste Öffnung eines Alkovens (Schlafnische) zählt dazu. Die Ausstattung orientiert sich an zeitgenössischen Bauten des Großbürgertums und des Adels.

Dieses historisches Foto aus Bad Neuhaus stammt aus dem Jahr 1906. Hinweis: Trotz sorgfältiger Recherche konnte der Rechteinhaber nicht ermittelt werden. Rechteinhaber werden gebeten, sich bei der Redaktion zu melden.
Foto: Stadtarchiv Bad Neustadt | Dieses historisches Foto aus Bad Neuhaus stammt aus dem Jahr 1906. Hinweis: Trotz sorgfältiger Recherche konnte der Rechteinhaber nicht ermittelt werden. Rechteinhaber werden gebeten, sich bei der Redaktion zu melden.

Genaue Nachweise über die ersten Schutzjuden in Neuhaus gebe es nicht, so Böhrer. Die Stadtchronik von Bad Neustadt berichtete, dass es im Jahr 1735 eine jüdische Schule dort gab, seit 1851 eine Synagoge. Es gelte jedoch als wahrscheinlich, dass bei einer so großen Gemeinde schon früher als 1851 eine Synagoge beziehungsweise ein Betsaal bestanden habe. 

Ein hoher Anteil an jüdischen Bewohnern in Bad Neuhaus

Beim Kauf von Neuhaus im Jahr 1753 wurden acht Judenhäuser im Kaufvertrag erwähnt. Einer Volkszählungsliste von 1813 zufolge hatte Neuhaus mit 41,6 Prozent (195 Katholiken, 139 Personen jüdischen Glaubens) den zweithöchsten Anteil aller 146 Orte mit Juden in Unterfranken.

Diese betrieben viele Läden in Bad Neuhaus. Laut Aufzeichnungen aus dem Jahr 1851 gab es Nachweise, dass auch im "Schmitts Mary Haus" jüdische Gewerbetreibende beziehungsweise Handwerker nachweisbar sind.

Nach dem Wegfall des Matrikelparagraphen 1861 konnte die jüdische Gemeinde vom "Land" in die "Stadt" ziehen. So verringerte sich die Anzahl der jüdischen Einwohner im Jahr 1870 auf 83. Im Jahr 1893 erfolgte schließlich die Zusammenlegung der israelitischen Kultusgemeinde mit der Kultusgemeinschaft Bad Neustadt.

 
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  • G. Z.
    schön und sinnvoll wäre gewesen, wenn die MAIN-Post JEDE Woche darüber berichtet hätte, dass sich da von Seiten des Eigentümers immer noch nichts tut...und zwar jede Woche....so auch beim Rest-Nachbarhaus...jede Woche! Damits auch weh tut, damit der Eigentümer an den Denkmalschutz erinnert wird.....Das Problem kann er ja mit einem Verkauf an die Stadt sofort beenden....Also bitte nicht wieder 5 Jahre Pause und dann wenn das nächste Grundstücke "versehentlich" eingefallen ist, darüber berichten. Auch mal berichten, ob das Dach noch dicht ist, die Plane noch hält, ob da wirklich was geschützt wird....
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  • B. H.
    Wird jetzt jede Woche darüber berichtet?
    Dann kann ich den Lokalteil getrost übergehen.
    Es sollte nach vorne geschaut werden, statt ständig der Vergangenheit nachzutrauern....
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  • C. H.
    @rhönfuchs
    Danke für die Anmerkung. Dieser Artikel hat bewusst zum Abschluss des Abrissprozesses die in meinen Augen nicht uninteressante Historie der Umgebung beleuchtet. Ich habe jedoch schon in der jüngeren Vergangenheit auch die Frage nach der Zukunft gestellt. Erst in der vergangenen Woche ist hierzu ein Artikel erschienen, den Sie vielleicht nicht gesehen haben (https://www.mainpost.de/regional/rhoengrabfeld/nach-dem-abriss-vom-schmitts-mary-haus-zukunft-der-nachbargebaeude-in-bad-neustadt-ist-noch-unklar-art-11048623)
    Ich kann Ihnen versichern, dass wir weiter darüber berichten werden, wie es in diesem Umfeld zukünftig weitergeht.
    Viele Grüße,
    Christian Hüther
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  • E. B.
    An Bürgerlehrling: Im Artikel steht, dass ein Beitrag darüber im Heimatjahrbuch des Landkreises Rhön-Grabfeld geschrieben wurde. Zumindest die Kreisräte hätten das wissen müssen, denn angeblich erhalten sie jedes Jahr ein Exemplar dieser Publikation.

    Und es gab etliche Leserbriefe zu diesem Thema und auch einen engagierter Artikel eines Main-Post Redakteurs erst im September letzten Jahres.

    Der Inhalt war bekannt.
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  • G. G.
    Diesem Artikeln nach war die Juden in diesem Teil der Stadt sehr bedeutend, was vermutlich nicht all zu viele Menschen gewusst haben. Wäre der Inhalt dieses Artikels früher bekannt gewesen, wäre womöglich der öffentliche Druck auf das Rhönklinikum größer gewesen, dieses Haus nicht zerfallen zu lassen bzw. in historisch verantwortungsvollere Hände zu geben und zu verkaufen.
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