Die Apothekengasse in der Altstadt trägt ihren Namen, weil dort die Stadtapotheke ihren Platz hat. Das klingt einleuchtend. Diese ist schließlich seit Jahrhunderten an der Ecke zum Marktplatz am Eingang der Gasse zu finden. Doch die Apothekengasse hieß nicht immer so: Bis 1936 war es die Judengasse. Die nationalsozialistische Regierung bestand aber seinerzeit auf der Namensänderung. Jetzt hat Kulturreferentin Anne Zeisner in der Stadtratssitzung den Antrag gestellt, eine Erinnerung an die einstige Bezeichnung der Gasse in Form eines neuen Straßenschildes oder eines Zusatzschildes zu schaffen. Der Stadtrat nahm den Antrag wohlwollend auf.
Dass die Apothekengasse bis 1936 Judengasse hieß, dürfte wohl nur den wenigsten Bürgern der Stadt noch bekannt sein. Der frühere Dekan der Evangelischen Kirche in Bad Neustadt, Gerald Hausmann, hat in einem Beitrag für das Heimatjahrbuch 2020 des Landkreises Rhön-Grabfeld einen Beitrag über die Judengasse geschrieben und deren Geschichte aufgearbeitet.
In der Judengasse lebten bis in die 1930er Jahre zahlreiche jüdische Familien
Vor allem die, vom Marktplatz aus gesehen, linken Häuser in der Apothekengasse sind jüdischen Ursprungs. Seit 1336 sind sogenannte Schutzjuden in Neustadt an der Saale nachgewiesen. In der Judengasse wie auch in der Storchengasse lebten bis in die 1930er Jahre zahlreiche jüdische Familien.
Die Umbenennung der Judengasse in Apothekengasse wurde in der Stadtratssitzung vom 29. Januar 1936 vorgenommen. Da der Stadtrat zu dieser Zeit ausschließlich aus NSDAP-Mitgliedern bestand, gab es keine Diskussion, wie Hausmann in seinem Beitrag bemerkt. Nach Ende des 2. Weltkrieges wurden von der amerikanischen Besatzungsmacht unverzüglich Straßennamen wie Adolf Hitler-Straße (heute Goethestraße) oder Hermann Göring-Straße (heute Martin Luther-Straße) ausgetauscht. Einzig die Apothekengasse behielt ihren Namen und wurde nicht wieder in Judengasse umbenannt.
Ein Hinweisschild wäre ein dritter jüdischer Erinnerungsort
Zeisner wird sich im Stadtrat dafür einsetzen, dass die Geschichte der einstigen Judengasse nicht in Vergessenheit gerät. Ein Hinweisschild in der Apothekengasse hält auch Hausmann für angebracht. In seinem Beitrag im Heimatjahrbuch schreibt der ehemalige Dekan: "Damit entstünde neben der von Wilhelm Uhlig geschaffenen Gedenkplatte am Gerberspfad und dem von Eva Maria Warmuth gestalteten Mahnmal in der Bauerngasse ein Erinnerungsort, der die über 600-jährige jüdische Existenz in Bad Neustadt bis zum Abtransport der Gruppe von Jüdinnen und Juden …. im Jahre 1942 ins Gedächtnis ruft."
Und zudem: Was ist "zahlreich"?