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Marktheidenfeld
Stadt greift in die Spardose: Sind die fetten Jahre für Marktheidenfeld vorbei, Frau Herrmann?
In den letzten Jahren hat die Stadt Steuereinnahmen auf Rekordniveau gehabt. So kann es nicht weitergehen, prophezeit die Stadtkämmerin. Im Interview erklärt sie, warum das so ist.
Marktheidenfelds Stadtkämmerin Christina Herrmann ist in der Regel von September bis Dezember damit beschäftigt, den Haushalt für das kommende Jahr aufzustellen. Heuer haben sich die Beratungen in den März und April verschoben.
Foto: Dorothea Fischer | Marktheidenfelds Stadtkämmerin Christina Herrmann ist in der Regel von September bis Dezember damit beschäftigt, den Haushalt für das kommende Jahr aufzustellen.
Carolin Schulte
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:23 Uhr

Marktheidenfeld musste sich um Geld lange keine Gedanken machen, die Gewerbesteuereinnahmen sprudelten. Daran hat auch die Pandemie nichts geändert – für die Stadt hat Corona sogar höhere Einnahmen gebracht. Damit könnte jetzt aber Schluss sein. Auf Marktheidenfeld kommen hohe Investitionen zu und über allem hängt der Schatten des Wonnemars. Kämmerin Christina Herrmann erklärt, worauf sich die Marktheidenfelder in den kommenden Jahren einstellen müssen – welche Leistungen und welchen Luxus kann man noch von der Stadt erwarten?

Frage: Frau Herrmann, Kämmerin in einer Stadt wie Marktheidenfeld zu sein, war bisher ein Traumjob, oder? Geld war ja immer da.

Christina Herrmann: Es gab auch schon andere Zeiten, da ging es Marktheidenfeld gar nicht gut, aber das ist lange her. Als Kämmerin ist es auch manchmal schwierig, wenn man zu viel Geld hat. Eine hohe Rücklage bedeutet, dass es auch viele Begehrlichkeiten gibt. Wenn wir am Jahresanfang 47 Millionen Euro Rücklage habe, dann ist es schwierig zu erklären, warum ich jetzt gerne ein bisschen auf die Bremse treten möchte. Eine Rücklage kann auch ganz schnell weg sein, weil eine Gewerbesteuerrückzahlung kommt oder ein Fall wie das Wonnemar.

"Ich rechne viel mit Zahlen, die ich im Privatleben nicht nutzen würde."
Kämmerin Christina Herrmann
Das heißt, Sie sind von Berufs wegen Pessimistin?

Herrmann: Nein. Aber ich plane die Zahlen gerne vorsichtig.

Ihr Job ist einer mit sehr viel Verantwortung. Sie machen einen Tipp-Fehler – und die Kita kann nicht gebaut werden. Muss man das ausblenden, damit man seinen Job machen kann?

Herrmann: Ich rechne schon viel mit Zahlen, die ich im Privatleben nicht nutzen würde. Wenn ich eine Null zu viel oder zu wenig rechne, hat das riesige Auswirkungen. Aber das ist eben mein Job. Man muss konsequent und konzentriert arbeiten, damit keine Fehler passieren.

Die Gewerbesteuer ist der größte Einnahmeposten für die Stadt. Für die kommenden Jahre rechnen Sie mit sinkenden Einnahmen: 2023 erwarten Sie 14 Millionen Euro, 2025 nur noch 10 Millionen – warum?

Herrmann: Es wurde prophezeit, dass während der Pandemie die Gewerbesteuereinnahmen sinken würden. Das war in Marktheidenfeld nicht der Fall – wir haben ja nochmal richtig hohe Einnahmen gehabt, mit einer Nachzahlung von 33 Millionen Euro 2020. Aber auf dem Hoch kann es eigentlich nicht weiter gehen.

Warum hat Marktheidenfeld in der Corona-Zeit mehr Geld eingenommen?

Herrmann: Naja. Wir haben hier einige große Firmen, die haben in den Corona-Jahren gute Umsätze gemacht, weil viele Menschen nicht in den Urlaub gefahren sind und dafür an ihrem Haus etwas gemacht haben.

Da ist die Stadt schon sehr abhängig von Großunternehmen. Gibt es eine Möglichkeit, sich als Stadt breiter aufzustellen?

Herrmann: Das stimmt, es müssen nur ein oder zwei große Unternehmen Teilbereiche auslagern oder Gewinne umverteilen. Dann muss die Stadt Gewerbesteuer zurückzahlen, das fällt dann ziemlich ins Gewicht. Wir brauchen eine solide Basis an Betrieben, damit wir einen Grundstock an Gewerbesteuer haben. Diese Betriebe müssen nicht extrem groß sein. Deswegen sind Gewerbegebiete wie die Söllershöhe in Altfeld wichtig.

Gewerbegebiete wie die Söllershöhe in Altfeld tragen dazu bei, dass die Stadt einen festen Grundstock an Gewerbesteuereinnahmen hat, sagt Kämmerin Christina Herrmann. Unser Archivbild zeigt den Spatenstich im Jahr 2019.
Foto: Joachim Spies | Gewerbegebiete wie die Söllershöhe in Altfeld tragen dazu bei, dass die Stadt einen festen Grundstock an Gewerbesteuereinnahmen hat, sagt Kämmerin Christina Herrmann. Unser Archivbild zeigt den Spatenstich im Jahr 2019.
Als Gradmesser für die Finanzkraft einer Stadt gilt die freie Finanzspanne, wenn also aus dem Verwaltungshaushalt mehr Geld übrig bleibt, als für die Tilgung der Kredite gebraucht wird. Hat die Stadt aktuell eine freie Finanzspanne?

Herrmann: Wir schaffen es im Moment nicht, aus dieser sogenannten Zuführung unsere Kredite zu tilgen. Das gibt mir noch kein schlechtes Gefühl. Es ist ein Plus da – wir hatten auch schon Jahre, in denen wir keins erwirtschaften konnten.  

Wenn der Haushalt final steht und am Ende bleibt dieses Plus, diese Zuführung: Ist das der Moment, in dem Sie einmal laut "Juhu" rufen?

Herrmann: So ungefähr. Das ist das Ziel. Ich versuche, die Rücklage so lange wie möglich zu erhalten. Dieses Jahr brauche ich – Stand jetzt – 17 Millionen Euro. Wir haben eigentlich recht vorsichtig geplant, das könnte funktionieren.

Marktheidenfeld hatte bisher viel Geld im Sparschwein, in den nächsten Jahren wird daraus aber wohl viel entnommen. Macht Ihnen das Bauchschmerzen?

Herrmann: Im Vergleich zu anderen Städten in unserer Größe haben wir schon eine hohe Rücklage gehabt, da hat uns jeder beneidet. Aber die Investitionen müssen finanziert werden. Positiv ist: Wir brauchen dafür keine Kredite. Die Zinsen steigen wieder, deswegen bin ich froh über unsere Rücklage.

Wenn Sie den Haushalt aufstellen, kommen die Fraktionen, der Bürgermeister und die Verwaltung mit langen Wunschlisten zu Ihnen, oder?

Herrmann: Genau. Jede Stelle muss mir bis etwa September mitteilen, was sie für das nächste Jahr plant und welche Wünsche sie hat. Ich muss dann bewerten, ob wir das umsetzen können, oder ob ich an einer anderen Position etwas einsparen kann. Ich kann nicht jedes Jahr das Budget für jeden Posten erhöhen, irgendwann ist ein Limit erreicht. Dann muss ich diskutieren und sagen: Tut mir leid, dieses Jahr geht es nicht.

Mussten Sie 2023 mehr Wünsche als sonst ablehnen?

Herrmann: Die meisten Wünsche konnten wir dieses Jahr erfüllen. Die Kollegen verstehen auch, dass ich etwas jonglieren muss. Ich stelle einen ersten Entwurf auf und gehe dann mit dem Bürgermeister alles durch, bevor wir den Entwurf dem Stadtrat vorstellen.

Der Stadtrat trifft im Laufe des Jahres viele Entscheidungen, die ins Geld gehen – zum Beispiel, ob die Kita-Gebühren erhöht werden sollen. Denken Sie manchmal, um Gottes Willen, wo soll ich das Geld herholen?

Herrmann: Ich bin in den Sitzungen oft dabei und habe manchmal eine ganz andere Meinung als unser Stadtrat, muss den Beschluss aber umsetzen. Marktheidenfeld macht schon viel für seine Bürger. Auch nach der Erhöhung sind die Kita-Gebühren immer noch sehr günstig.

Müssen sich die Bürgerinnen und Bürger daran gewöhnen, dass die Stadt nicht mehr so viel für sie leisten wird, wie in den vergangenen Jahren? 

Herrmann: Das ist eine politische Entscheidung. Ich weiß nicht, was unser Stadtrat tun wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Angebot reduziert wird – außer wir haben wirklich finanzielle Einbrüche. Dann muss auch unser Stadtrat sagen: Es geht nicht mehr.

"Alles, was ich für das Wonnemar im Haushalt einplanen würde, wäre falsch."
Kämmerin Christina Herrmann
Sie müssen für den Haushalt viele Faktoren im Blick haben, und haben auf keinen selber Einfluss. Das heißt, Sie sind nach dem Bürgermeister wahrscheinlich die am besten informierte Person im Rathaus? 

Herrmann: Der geschäftsleitende Beamte ist wohl die Nummer zwei, aber dann komme wahrscheinlich ich. Ich muss einen guten Überblick über die komplette Stadt haben und wissen, was wo läuft, damit ich reagieren kann.

Viel ausgeben muss die Stadt in diesem Jahr für Straßenbau und die Erweiterung der Kitas. Warum haben sich so viele Investitionen angestaut?

Herrmann: Wir haben in den letzten zehn Jahren viel in die Höhe gebaut, zum Beispiel das Rathaus, die Feuerwache oder die neuen Bürgerhäuser. Das muss erstmal geleistet werden, auch personell im Bauamt. Da muss man sagen, dass der Straßenbau ein bisschen auf der Strecke geblieben ist.

Das Wonnemar schwebt wie ein Damokles-Schwert über dem Haushalt...

Herrmann: Das kann man so sagen, denn ich weiß nicht, was kommt. Es laufen im Moment viele Verfahren zeitgleich. Alles, was ich im Haushalt planen würde, wäre vermutlich falsch. Deswegen habe ich es quasi nicht berücksichtigt. Im Haushalt 2021 haben wir eine Rücklage von 500.000 Euro gebildet, die ist noch da. Sollten wir das Wonnemar jetzt zurückbekommen, dann müssten Gutachter das ganze Bad genau anschauen. Und sollte jetzt zeitnah irgendwas passieren – dann muss ich sowieso einen Nachtragshaushalt machen. Ich hoffe, dass wir zu den Haushaltsberatungen für 2024 mehr wissen.  

Alles in allem: Muss man sagen, die fetten Jahre für Marktheidenfeld sind vorbei? Oder geht das zu weit?

Herrmann: Das würde ich so nicht sagen, insgesamt ist die Haushaltslage gut. Aber klar ist: Unsere Einnahmesituation sollte der Stadtrat langsam überdenken und sich fragen, ob wir nicht an manchen Stellen Gebühren erhöhen müssen, wie eben bei den Kitas. Wir haben so eine tolle Stadtbibliothek, die Bürger jahrelang kostenlos nutzen konnten. Jetzt gibt es einen kleinen Jahresbeitrag, und das finde ich in Ordnung. Oder der Wohnmobilstellplatz: Der ist im Sommer brechend voll und kostet jetzt zehn Euro am Tag. Das sind nur kleine Einnahmen, aber man merkt das in der Gesamtheit. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass wir nochmal Jahre haben wie 2020 mit 33 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen.

Zur Person

Christina Herrmann (36) ist seit 2018 Kämmerin der Stadt. 2005 hat sie ihre Ausbildung in der Stadtverwaltung begonnen und sich anschließend zur Betriebswirtin und Bilanzbuchhalterin weitergebildet. 2011 übernahm sie die Leitung der Stadtkasse. Mit Vorbereitungen für den Haushalt fängt sie im Juli an. Zwischen September und Dezember kümmert sie sich in normalen Jahren beinahe ausschließlich um die Haushaltsvorbereitungen.
Quelle: ins
 
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