Einst galt die Stadt Lohr als Krösus im Landkreis. Doch seit Jahren kann man von Lohr aus nur neidvoll mainabwärts blicken. Während in Marktheidenfeld die Gewerbesteuer recht kräftig sprudelt, musste Lohr jüngst gar 5,8 Millionen Euro zurückzahlen. Schwierige Bedingungen also für die aktuellen Haushaltsberatungen. Ein Gespräch mit Bürgermeister Mario Paul über Ernüchterung und Optimismus.
Mario Paul: Spontan würde ich sagen: fünf. Nicht, weil ich mich nicht festlegen will, sondern weil wir es trotz der wirklich sehr schwierigen Lage immer wieder schaffen, auch zu investieren, beispielsweise in das neue Baugebiet in Sendelbach. Unser Haushalt hat immer noch ein Volumen von weit über 40 Millionen. Wir sind handlungsfähig.
Paul: Sicher, wir müssen jeden Euro mehrfach umdrehen und uns fragen, wofür wir ihn ausgeben. Aber wir haben in den vergangenen Jahren viel unternommen, um unseren in Schieflage geratenen Haushalt strukturell zu verbessern, um Ausgaben zu senken und Einnahmen zu steigern. Das ist uns gelungen. Wir haben für 2023 voraussichtlich rund eine Million Euro, die wir investieren können. Das ist nicht viel, aber doch etwas. Dennoch: Wir werden so manches Projekt aus finanziellen Gründen teilweise um Jahre verschieben müssen, etwa die Feuerwache. Allerdings können wir mit der aktuellen Wache auch noch mehrere Jahre leben. Beim Kindergarten Seeweg wollen und müssen wir allerdings in diesem Jahr in die Erweiterung einsteigen, weil die Betriebserlaubnis davon abhängt.
Paul: Womöglich über eine projektbezogene Kreditaufnahme.
Paul: Ich denke, dass man unseren harten Sparkurs der vergangenen Jahre im Landratsamt wahrgenommen hat und ihn zu würdigen weiß. Außerdem wird man auch im Landratsamt wissen, dass die freiwillige Unterstützung der Stadt beispielsweise von Vereinen im Sinne des Gemeinwesens ist.
Paul: Nein, das ist im Haushaltsentwurf nicht vorgesehen. Die Entscheidung trifft aber der Stadtrat.
Paul: Ich sehe da im Moment und für die kommenden Jahre keine Möglichkeiten mehr für merkliche Erhöhungen.
Paul: Auch da sehe ich keinen Spielraum. Wir liegen hier weit unter dem Durchschnitt. Außerdem gehört zu einer leistungsfähigen Verwaltung ein Grundstock an Personalausstattung. Da gab es im Rathaus in der Vergangenheit manchen Engpass. Deswegen sieht der vom Stadtrat mit deutlicher Mehrheit beschlossene neue Stellenplan vor, dass wir uns nach vielen Jahren der Einsparungen zukunftsfähig aufstellen. Wir reden bei insgesamt mehr als 300 Arbeitsplätzen in allen städtischen Einrichtungen über einen Anstieg von etwas mehr als drei Stellen.
Paul: Die schwierige Finanzlage begleitet mich schon seit meinem Amtsantritt 2014. Die Vorzeichen waren aber schon vorher zu erkennen. Doch damals hat man ein schwieriges Jahr dank der üppigen Rücklagen halt eher verkraften können. Die Jahre bis 2017 waren dann noch geprägt von früheren Investitionsentscheidungen, beispielsweise der Grundschule Wombach, dem Kindergarten Sendelbach, der Alten Turnhalle und vor allem natürlich der Stadthalle. Parallel zu diesen großen Ausgaben sind die Einnahmen der Stadt deutlich gesunken, vor allem bei der Gewerbesteuer. Spätestens 2017 war dann klar, dass die Stadt bei ihren Finanzen ein grundlegendes Problem hat.
Paul: Der Bau der Stadthalle war eine Entscheidung, die man nachvollziehen kann und über die man sich ganz oft freut, wenn tolle Veranstaltungen dort stattfinden. Aber Fakt ist natürlich, dass man die Hälfte der einst 40 Millionen Euro an städtischen Rücklagen in ein Projekt investiert hat, das uns nun jährlich weiter viel Geld kostet. Natürlich wäre mir eine Stadthalle lieber, die bei den Betriebskosten deutlich schlanker ist. Aber die Halle ist nun so, wie sie ist, und wir stellen uns der Herausforderung ohne Wenn und Aber. Wir müssen alles tun, um den Betrieb der Stadthalle aus Kostensicht weiter zu optimieren. Doch es zeigt sich, dass das nicht so einfach ist. Wir werden daher vermutlich mit einem Defizit von einer guten halben Millionen pro Jahr dauerhaft leben müssen.
Paul: Wir müssen tatsächlich davon ausgehen, dass das Niveau vergangener Jahre nicht mehr erreicht werden wird. Die Gewerbesteuer hat sich zwischen fünf und sieben Millionen eingependelt. Wir können uns keine großen Hoffnungen machen, dass sie durch die Ansiedlung neuer Betriebe üppig steigt. Dazu fehlt es uns in Lohr an freien Gewerbeflächen. Wir wollen mit den bestehenden Unternehmen wachsen. Daneben, so denke ich, wird sich früher oder später das auszahlen, was wir mit dem Digitalen Gründerzentrum auf dem Feld der Digitalisierung angestoßen haben.
Paul: Das ist schwer zu sagen. Wir haben jetzt schon junge Gründer, deren Unternehmen wachsen und die Personal einstellen. Die Effekte finanziell zu beziffern, ist schwierig. Ich freue mich aber auf den Moment, in dem wir die ersten Steuereinnahmen von einem aus dem Gründerzentrum entstandenen Unternehmen erwarten können.
Paul: Da ist der Gesetzgeber in Land und Bund in der Tat gefordert. Allerdings gab es dabei zuletzt mehrfach Enttäuschungen. Man denke nur an den Wegfall der Straßenausbaubeiträge. Oder auch daran, dass man es in Bayern verpasst hat, den Kommunen die Grundsteuer C an die Hand zu geben. Mit ihr hätte man baureife Grundstücke stärker besteuern können, um brachliegendes Bauland zu aktivieren. Das wäre eine verlässliche Steuereinnahme gewesen. Tatsächlich haben die meisten Kommunen immer größere Schwierigkeiten, ihre Aufgaben noch erfüllen zu können. Ich hoffe, diese Botschaft ist in der Politik angekommen, bin mir aber nicht sicher. Denn leider sind Kommunen keine Wähler.
Paul: Dann müssen wir Leistungen reduzieren. Dann reden wir über Freibäder, Bibliotheken, Stadthallen, Sing- und Musikschulen und etliche andere freiwillige Leistungen, die zur Lebensqualität der Menschen beitragen.
Paul: Die Steuerrückforderung in Millionenhöhe war wirklich ein Schlag in die Magengrube. Die Stimmung im Rat war daher zuletzt natürlich nicht von Aufbruch geprägt. Aber es hilft nicht, den Kopf in den Sand zu stecken. Wir müssen jetzt alle an einem Strang ziehen. Dann schaffen wir das.
Paul: Die Stadt Lohr ist viele Hundert Jahre alt und es gab schon immer gute und schlechte Zeiten. Im Moment sind die Zeiten besonders herausfordernd. Aber ich bin überzeugt, dass die Stadt Lohr und ihre Menschen stark genug sind, um diese Herausforderung zu meistern. Und natürlich darf man nicht vergessen: Es werden in Lohr in den kommenden Jahren viele, viele Millionen investiert, denken Sie nur an das Zentralklinikum und etliche Wohnbauprojekte. Auch das gibt Optimismus. Ich bin jedenfalls felsenfest überzeugt, dass wir in Lohr auch wieder andere Zeiten erleben werden.