Eigentlich hatte man im Lohrer Rathaus nach finanziell extrem knappen Jahren zuletzt wieder etwas optimistischer in die Zukunft geblickt. Doch nun wird eine Hiobsbotschaft publik, die statt eines zarten Silberstreifs dunkle Wolken am Lohrer Finanzhorizont aufziehen lässt: Die Stadt muss über fünf Millionen Euro Gewerbesteuer zurückzahlen, die sie in den vergangenen Jahren kassiert hat.
Entsprechende Informationen der Redaktion bestätigte das Rathaus am Mittwoch auf Nachfrage. Bekannt ist die Steuerrückforderung im Rathaus bereits seit Anfang November. Die Lohrer Öffentlichkeit wurde bislang nicht informiert. Unterdessen ist der Betrag mitsamt Zinsen bereits an die betreffenden Steuerzahler zurückerstattet.
Nachtragshaushalt nötig
Das Zustandekommen der Rückzahlung lässt sich dadurch erklären, dass es sich bei der Gewerbesteuer teilweise um Vorauszahlungen handelt, deren Höhe sich an Schätzungen orientiert. Laufen die Geschäfte der Unternehmen schlechter als erwartet, ergeben sich später Rückforderungen. So sah sich die Stadt vor 25 Jahren schon einmal mit einer Rückzahlung in ähnlicher Höhe konfrontiert. Nun trifft sie das Rathaus in einer finanziell ohnehin angespannten Zeit. Durch die Rückzahlung wird ein Nachtragshaushalt fällig. Über ihn soll der Stadtrat in seiner Sitzung am 7. Dezember entscheiden.
Das unerwartet aufgerissene Loch in der Kasse ist für die Stadt umso problematischer, als sie etliche millionenschwere Projekte vor der Brust hat. Zu nennen sind der angestrebte Neubau einer auf einen zweistelligen Millionenbetrag taxierten Feuerwache oder die schon seit Jahren aufgeschobene und ebenfalls millionenschwere Generalsanierung der Sendelbacher Grundschule. Ganz zu schweigen vom Investitionsstau, den die finanziell klamme Stadt seit Jahren bei der Instandhaltung von Straßen sowie Kanal- und Leitungsnetz hat auflaufen lassen.
Kosten noch unklar
In der Sitzung des Stadtrats am Mittwochabend tat sich nun der nächste Millionenbedarf auf: Der Seeweg-Kindergarten, der größte unter den fünf städtischen Einrichtungen dieser Art, muss deutlich erweitert werden, um den Bedarf decken zu können. Dabei ist Eile geboten, wenn man die vorerst nur bis 2024 befristete Betriebserlaubnis für den derzeitigen Betrieb einer zusätzlichen, im Turnsaal einquartierten Notgruppe nicht aufs Spiel setzen will. Der genaue Raumbedarf und die Kosten müssen erst noch ermittelt werden, der Stadtrat geht von etlichen Millionen aus.
"Wirklich harte" Zeiten
"Wir sind unter Zugzwang", konstatierte Matthias Schneider (CSU), fügte jedoch hinzu: "Wir wissen nur nicht, wie wir es bezahlen sollen." Auf die Stadt kämen "wirklich harte" Zeiten zu. Der Stadtrat werde "den einen oder anderen enttäuschen müssen", deutete Schneider an. Man müsse klare Prioritäten für die Pflichtaufgaben definieren, so Schneider.
Michael Kleinfeller (CSU) prognostizierte gar, dass die Stadt und auch der zuletzt mit ähnlichen Hiobsbotschaften konfrontierte Landkreis "in den nächsten Jahren kein Land mehr sehen wird, was die Finanzen betrifft". Vieles von dem, was schön wäre, wenn man es hätte, werde nicht mehr zu finanzieren sein, sagte Kleinfeller.
Trotz all der finanziellen Bedenken beschloss das Gremium einstimmig, die Planung für die Erweiterung des Kindergartens Seeweg voranzutreiben. Die Umsetzung werde eine "enorme Herausforderung", sagte Bürgermeister Mario Paul. "Doch es hilft nichts, denn es ist eine Pflichtaufgabe der Stadt."