
Ob er sich nicht vorstellen könnte, bei der nächsten Stadtratswahl in Rieneck zu kandidieren? Diese Frage wurde Wolfgang Küber vor der Kommunalwahl 1984 gestellt. Er und auch andere junge Leute wie Thomas Müller, der viel später in Karlstadt Toms Eismanufaktur eröffnen sollte, gingen zu den Nominierungsversammlungen – und landeten dort auf hinteren Plätzen. Das sei nach dem "Hackordnungsprinzip" gelaufen, erzählt Küber. So wollten sie es auch nicht und ließen sich wieder von den Listen streichen. Stattdessen gründeten sie eine eigene Liste: Die Rienecker Junge Wähler Union.
Durch die Waldjugendgruppe und die Fasenacht hatten Küber und auch Müller kein Problem, 28 Leute für eine eigene Liste zusammenzubekommen. "Wir waren eine relativ agile Truppe", blickt Küber zurück. Sie bekamen auf Anhieb 22 bis 24 Prozent der Stimmen und damit drei Stadtratsmandate. So zog der heute 66-jährige Küber vor 40 Jahren zum ersten Mal in den Rienecker Stadtrat ein. Von 2006 bis 2020 war er Bürgermeister, und jetzt ist er wieder normales Stadtratsmitglied.
Was hat sich verändert? Was war sein Antrieb, so lange in der Kommunalpolitik zu bleiben? Und warum tut er es sich an, nach der verlorenen Bürgermeisterwahl 2020 immer noch im Stadtrat zu bleiben?
Früher saß man in der Wirtschaft zusammen
"Es hat sich viel verändert", sagt Küber. "Vor 40 Jahren, wenn eine Bürgerversammlung war, dann waren da auch Bürger da." Heute sehe man auch bei wichtigen Themen keine Besucher mehr in Stadtratssitzungen. Alles werde als selbstverständlich angesehen. Nachwuchs für den Stadtrat zu gewinnen, sei noch nie so schwierig gewesen. Aus Kübers Sicht hat die Solidarität abgenommen. Er glaubt, dass das Internet viel verändert hat: Man müsse heute nirgends mehr hin, um etwas zu bekommen, seien es Informationen oder Waren. "Die Zeiten, wo 15, 20 Mann in der Wirtschaft waren und man sich unterhalten hat, die sind vorbei."
Was sich hingegen nicht verändert habe: "Seit 40 Jahren heißt es: Da wird jetzt digitalisiert, dann brauchen wir weniger Leute und es geht schneller." Es dauere aber trotz Digitalisierung immer länger, und weniger Leute seien es auch nicht geworden.
Für politische und kommunalpolitische Belange hat sich Küber früh interessiert, für Natur und Umweltschutz etwa. So ist er Mitglied bei den Grünen und seit 40 Jahren auch im Bund Naturschutz. Er sei so lange in der Kommunalpolitik, "weil es mich interessiert und auch Spaß gemacht hat" und weil er mitgestalten möchte.
Küber: Kann es in der Lokalpolitik nicht allen recht machen
"Es ziehen viele Leute mit wehenden Fahnen in so ein Gremium ein und merken dann, mit welch banalen Dingen man sich befassen muss", sagt er. Es brauche Zeit, bis man verstanden hat, wie die Dinge laufen. Man mache sich in der Kommunalpolitik nicht nur Freunde, könne es nicht allen recht machen. Wolle man etwa auf dem Friedhof einen Schatten spendenden Baum aufstellen, beschwerten sich die Eigentümer der umliegenden Gräber garantiert über das Laub.
Man müsse auch mal den Kopf hinhalten und sich einbringen für die Demokratie, ist seine Meinung. Den Satz "Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf" könne er nur unterstreichen. "Das müssen die jungen Leute auch endlich begreifen." Sein Sohn Lukas sitzt jetzt mit dem Vater im Stadtrat, aber aus Kübers Sicht müssten sich mehr Leute zwischen 20 und 35 kommunalpolitisch engagieren.
Kübers beruflicher Weg war nicht geradlinig
Küber hat beruflich eine bewegte Zeit hinter sich. Er machte eine Ausbildung bei der Polizei, aber das Beamtentum habe seinem Naturell nicht entsprochen. Gegen eine Metzgerlehre habe seine Frau Einspruch eingelegt. Also lernte er bei seinen Schwiegereltern in der Bäckerei Köhler in Burgsinn Bäcker, war sogar Innungsbester. "Eine Mehlstauballergie hat mich sehr aus der Bahn geworfen." Danach machte er in Burgsinn eine Ausbildung zum Forstwirt.
Anschließend stand er jedoch ohne Arbeit da, machte sich selbstständig und rückte Holz. Nach drei Jahren heuerte er bei der Stadt Gemünden im Forst an und kümmerte sich auch um die ABMler, bevor er 1989 vom SOS-Dorf Hohenroth abgeworben wurde. Dort war er auch Betriebsratsvorsitzender im neu gegründeten Betriebsrat.
Gegner des Nationalparks, aber Befürworter einer Biosphärenregion Spessart
Küber war als zweiter Vorsitzender des Vereins "Wir im Spessart" Gegner eines Nationalparks Spessart. Zweiter Vorsitzender ist er zwar weiterhin, aber er vertritt anders als der Verein die Meinung, dass ein Biosphärenreservat Spessart ein Segen für die Region wäre. Da würde Geld über dem Spessart ausgeschüttet. Er sei 35 Jahre lange mit Behindertengruppen in die Rhön gefahren und kenne die Leute und die Entwicklung des Biosphärenreservats dort gut. Er könne nicht verstehen, wie jetzt "ohne Hand und Fuß" Stimmung gegen die Biosphärenregion Spessart gemacht werde.

Angeblich würde die Region dann fremdbestimmt und es sei keine Jagd mehr möglich. Alles Unsinn, sagt Küber. Und bei den Holzrechten werde auch immer Prügelholz mit Los- und Polterholz, das auch er für seine Holzheizung in großen Mengen macht, verwechselt. Wer gehe denn heute noch in den Wald und sammele "Prügelich"? Ein Nationalpark wäre eine ganz andere Hausnummer gewesen, der hätte aus seiner Sicht den Eichen geschadet. Aber drei Prozent der Flächen für ein Biosphärenreservat müssten eigentlich locker möglich sein, und auf den restlichen 97 Prozent habe man alle Möglichkeiten. "Aber dazu gehört auch eine positive Grundeinstellung."
Im Mai 2020 war er nicht mehr beruflich tätig und kein Bürgermeister mehr
Im Mai 2020 verlor er seinen Bürgermeisterposten und ging beruflich in Altersteilzeit. Ein paar Wochen habe es sich wie Urlaub angefühlt, sagt seine Frau Renate. Aber alle drei Söhne bauten damals um, und die eine Tochter in München hat inzwischen drei Enkel, die andere auch umgebaut. Außerdem ist Küber in der Forstbetriebsgemeinschaft aktiv und weiterhin Kreisrat. Dass Küber 2006 ehrenamtlicher Bürgermeister wurde, sei auch nur gegangen, weil die fünf Kinder schon größer waren. "Mit kleinen Kindern hätte ich das nicht gewollt", sagt seine Frau.
Warum er nach der Abwahl weitermacht? "Ich bin in den Stadtrat gewählt worden, also nehme ich das auch wahr." Seine Frau habe die Idee weiterzumachen anfangs doof gefunden, aber inzwischen findet sie es ein Zeichen von Charakter, dass er weitermacht. Er brauche auch kein Lob für sein Engagement, was seine Frau bestätigt. "Ich räume daheim auch die Spülmaschine aus und werde nicht gelobt", sagt er. Das passiere aber nicht so oft, meint seine Frau.
Sofern es ihm gesundheitlich gut geht und wenn 2026 nicht drei, vier junge Leute da sind, die sich engagieren, sodass er in die zweite Reihe zurücktreten könne, will er bei der nächsten Kommunalwahl wieder antreten.