Im Spessart unterwegs war der stellvertretende bayerische Ministerpräsident Hubert Aiwanger am Samstag. Nicht zur Erholung, sondern um mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Themen waren der Wald und die Jagd. Am Vormittag besuchte der 53-Jährige die Fürstlich-Löwenstein'schen Wälder sowie den Staatsforstbetrieb Rothenbuch, am Nachmittag den unterfränkischen Bezirksjägertag in Esselbach und am Abend eine Veranstaltung des Vereins "Wir im Spessart" in Rechtenbach.
Mit Blick auf größere Schälschäden durch Rotwild im Forstbetrieb Rothenbuch sagte Aiwanger, er glaube nicht, dass noch mehr Jagd und Jagddruck Verbesserungen brächten. Vielmehr müssten wieder Wildwiesen als Äsungsflächen im Wald angelegt werden, dann werde auch der Verbiss im Wald zurückgehen.
Aiwanger: Wolf könnte wieder bejagt werden
Was die Bejagung von Raubwild wie Fuchs, Marderhund, Dachs Waschbär und Fischotter betrifft, plädierte Aiwanger für die Zulassung von Nachtsichtgeräten. Sollte künftig noch der Wolf hinzukommen, müsse man jagdpolitisch flexibel reagieren. Er halte es für realistisch, dass der Wolf ins Jagdrecht übernommen wird, sprich: in bestimmten Fällen bejagt werden darf. Wolfsdichte Zäune zum Schutz von Weidetieren sah Aiwanger kritisch, weil die eingezäunten Flächen dann als Äsungsgebiete für Rotwild entfielen.
Die geplanten Verschärfungen im Bundeswaldgesetz lehne er "ganz klar ab", sagte Aiwanger. Seine Begründung: Naturnutzer seien die besten Naturschützer – "der Feind sitzt in der grünen Stube".
Mit Blick auf den Kahlschlagvorwurf in einem Vogelschutzgebiet im Hafenlohrtal, den der Bund Naturschutz vor einem halben Jahr gegenüber der Fürstlich-Löwenstein'schen Forstverwaltung erhoben hat, sagte Aiwanger, da könne er nur den Kopf schütteln, das sei ein Übergriff aufs Eigentum, der abzulehnen sei.
Windkraft-Gegner demonstrierten in Rechtenbach
In Rechtenbach trafen mit den "Wir im Spessart"-Leuten, die ein Biosphärenreservat in ihrem Lebensbereich ablehnen, und Hubert Aiwanger Seelenverwandte aufeinander. Mehr als 100 Männer und Frauen erwarteten dort den stellvertretenden Ministerpräsidenten vor der Turnhalle. "Nein zur Biosphäre", "Naturpark ja, Biosphäre nein" und "Holz für die Bürger, nicht für die Würmer" war auf mitgebrachten Plakaten zu lesen.
Auch auf der gegenüberliegenden Straßenseite stand eine Gruppe mit rund 15 Leuten. Deren Anliegen war es, den Spessart frei von Windrädern zu halten. Als Aiwanger ankam, ging er zunächst zu ihnen, hörte sie an, machte aber keine Versprechen.
Aiwanger räumt Problem in deutschen Wäldern ein
Glasklar hingegen waren Aiwangers Aussagen in der "Wir im Spessart"-Veranstaltung in der Turnhalle. Das Biosphärenreservat Spessart "ist eine Schnapsidee, die wir beerdigen müssen", sagte er unter lautstarkem Applaus des Publikums.
Aiwanger räumte ein, dass es in Deutschlands Wäldern viele Probleme gebe durch sich ausbreitende Schädlinge. Ein Biosphärenreservat mit aus der Nutzung genommenen Kernzonen sei aber nicht die Lösung, denn die Wälder seien dort am vitalsten und ökologischsten, "wo wir sie bewirtschaften". In Wirtschaftswäldern könne man kranke Bäume entfernen, Schädlinge bekämpfen und den Wald nach heutigen Erfordernissen umbauen. Aiwanger machte deutlich – und damit steht er nicht alleine – dass die Eiche ohne menschliche Eingriffe im Spessart keine Chance hätte.
Die Eiche benötige Licht, andernfalls werde sie von der Buche überwachsen. Dass heute Eichen im Spessart stehen, ist laut Aiwanger "das Erbe der Generationen vor uns". Das dürfe man nicht leichtfertig an die Wand fahren. "Wer großflächig Eichenwälder stilllegt, wird zum Mörder dieser Wälder", formulierte er markig. Und wieder erhielt er Applaus.
Dem Fürstlich-Löwenstein'schen Forstbetrieb wollen laut Aiwanger "Naturschutzideologen" das Fällen von Buchen verbieten, die mehr als 40 Zentimeter Durchmesser in Brusthöhe haben. "Es ist unglaublich, dass es Zeitgenossen gibt, die glauben, im Eigentum anderer ihre Ideologie durchsetzen zu können." Wer so ticke, untergrabe die Fundamente unseres Staates - "das dürfen wir nicht zulassen".
In diesem Zusammenhang und auch mit Blick auf stillgelegte Flächen im Staatsforstbetrieb Rothenbuch, wo der Eichenprachtkäfer nur mit Einschränkungen bekämpft werden dürfe, sagte Aiwanger: "Ja, wie dumm kann man denn sein, sich selber rauszunehmen und zu hoffen, dass der Zufall ein besseres Ergebnis bringt."
Aiwanger will keinen weiteren Staatswald für ein Biosphärenreservat stellen
Vor dem Hintergrund, dass für das geplante Biosphärenreservat Spessart gut 5000 Hektar Wald als Kernzone stillgelegt werden müssten, fragte sich der stellvertretende Ministerpräsident, wo diese Flächen denn herkommen sollen. Vom Staatswald kämen sie jedenfalls nicht. Die bayerischen Staatsforsten hätten 2000 Hektar in den Topf geworfen, von denen allerdings nur rund 1000 geeignet seien. "Diese Flächenkulisse ist angeboten – und kein Quadratmeter mehr", betonte Aiwanger.
Auch viele Kommunen machten deutlich, dass sie keine Waldflächen für die Kernzone anbieten könnten oder wollten. Bei dieser Faktenlage müssten laut Aiwanger auch die Befürworter eines Biosphärenreservats im Spessart "einsehen, dass sie ein totes Pferd nicht länger reiten sollten". Womit er nicht sagen wolle, dass ein Biosphärenreservat überall falsch sei – die Rhöner seien damit glücklich.
Im Übrigen sei es "unverantwortlich, alle paar Jahre eine neue Sau durchs Land zu treiben", sagte Aiwanger mit Blick auf die dem Biosphärenreservat vorausgegangene Nationalparkdiskussion im Spessart. Seiner Meinung nach sollte man in Bayern über die beschlossene Stilllegung von zehn Prozent der Wälder nicht hinausgehen.
Zum Thema Windkraft im Spessart sagte Aiwanger, er werde sich ernsthaft mit den Argumenten der Gegner auseinandersetzen. Dort, wo sie hinpassten, müsse man Windkraftprojekte gezielt voranbringen, man wolle dabei aber niemanden vor Ort über den Tisch ziehen.
Peter Winter, Vorsitzender von "Wir im Spessart", dankte Aiwanger für dessen "klare Aussagen". Er habe fast den Eindruck, meinte er scherzhaft, dass Aiwanger Vorfahren im Spessart habe.
Die Forderung nach einem Biosphärenreservat ist keine Initiative der Bewohner, sondern ein, von Grünen und Naturschutzorganisationen initiierter, grober Eingriff in die Lebenswelt dieser Menschen.
Dieses arrogante Vorgehen wird als ideologische Fremdbestimmung und Störung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Selbstbestimmung wahrgenommen. Die regionale Identität und das Heimatgefühl werden verletzt. Die Folge ist, wie im Artikel beschrieben, mangelnde Akzeptanz und aktive Ablehnung.
Aiwanger hat diese Befindlichkeit erkannt!
Das ist schon fast Paranoia
Das Biosphärenreservat Spessart ist ein Projekt der Landkreise Aschaffenburg, Main-Spessart und Miltenberg sowie der Stadt Aschaffenburg. Es fußt auf einer Idee des örtlichen Landesbunds für Vogelschutz (LBV). Die Lokalpolitiker sind ganz begeistert davon. "Das Biosphärenreservat ist eine große Chance für uns", sagt die Landrätin von Main-Spessart, Sabine Sitter (CSU). "Damit können wir Modellregion der nachhaltigen Entwicklung werden." Sitters Parteifreund, der Aschaffenburger Landrat Alexander Legler (CSU), spricht von einem "echten Gewinn und Mehrwert für die Menschen, unsere Region und die Natur und damit in Summe die Lebensqualität vor Ort".
https://www.sueddeutsche.de/bayern/bayern-naturschutz-biosphaerenreservat-spessart-nationalpark-soeder-streit-1.5649692
Ehre, wem Ehre gebührt
Früher als bei der CSU Frauen noch eine eigene Meinung haben durften, bis der Wald zur Chefsache wurde. Musste deshalb Michaela Kaniber Jagd und Wald an Aiwanger abgeben?
„Ein Biosphärenreservat Spessart sei durchaus möglich“, meinte Ministerin Michaela Kaniber bei ihrem Wahlkampfauftritt in Esselbach und hält bei einem weiteren Besuch in Weibersbrunn ein Biosphärenreservat für eine »wunderbare Komponente für den Spessart«.
https://www.freunde-des-spessarts.de/news/leserbrief-von-sebastian-schoenauer-fds-beiratsmitglied-zum-main-echo-bericht-vom-9-10-september-2023-wuerde-biosphaerenreservat-absolut-befuerworten/
Aber auch er wird irgendwann einmal einsehen müssen, dass die Holzrechtler nur eine winzige Minderheit, wenn auch eine sehr aggressive, unter den Bewohnern des Spessartes darstellen.
Alle, denen wirklich der Spessart mit seinen Naturwäldern am Herzen liegt, können nicht gleichzeitig für Aiwanger sein.
Und dem schaufeln Sie mit ihrem Holzfabrik-Fundamentalismus das Grab.
Aus einem bequemen Arbeitssessel heraus lassen sich leicht solche Vorschläge machen.
Der Vorschlag mit der Touristik ist ein Verlegenheitsargument und wiederholt sich immer wieder.
Beispiel Steigerwald: Der Steigerwald, dem man einen Nationalpark überstülpen wollte, hat gegenüber dem Nationalpark Bayer. Wald die höheren Arbeitseinkünfte, die höhere Steuerkraft, die niederigere Winterarbeitslosigkeit (Touristik!) und die niedrigere kommunale Verschuldung.
Während die Steigerwälder Steuern bezahlten, hat der Nationalpark seit Gründung enorme Subventionen verbraucht. Im Spessart besser Pflegekräfte finanzieren!