Das Eislabor, der Raum zur Eisherstellung, ist nicht, wie man erwarten würde, kühl. Im Gegenteil, es ist es sehr warm, weil die dort stehende Kühlzelle Wärme abgibt. Er könnte für die „Sauna“ Eintritt verlangen, scherzt Thomas Müller, Inhaber von Toms Eismanufaktur in Karlstadt. Er finde einfach keinen Handwerker, der ihm eine Klimaanlage einbaut.
Ein Foto soll vom Eislabor bitte nicht gemacht werden, weil ihm am Tag zuvor schon wieder das Schokoladeneis übergekocht ist. Auf 92 Grad muss die Eismasse erhitzt werden, damit sich die Geschmacksstoffe aus dem Kakao lösen. Dummerweise heizt die Maschine aber nach – und so kann es, wenn Müller nicht aufpasst, zu einem kleinen Unglück im Eislabor kommen.
Mit Eismachen hatte der 59-Jährige, der aus Rieneck stammt, in seinem Leben lange nichts am Hut. Als junger Mann gründete er mit dem jetzigen Rienecker Bürgermeister Wolfgang Küber die Rienecker Junge Wähler Union und kandidierte 1984 als Bürgermeister. Völlig unerwartet kam er auf 47 Prozent der Stimmen. „Ich war leichenblass“, erzählt er. Er war anschließend drei Perioden lang im Rienecker Stadtrat sowie Zweiter und Dritter Bürgermeister.
Vor inzwischen 19 Jahren zog der gelernte Kaufmann von Rieneck nach Urspringen. Weil er aber als Generaldirektor für mehrere Werke des Autozulieferers Magna in ganz Deutschland tätig war, war er fast nur am Wochenende zu Hause, erzählt er. Seinen Zweitwohnsitz hatte er mal bei Berlin, mal in Düsseldorf und Saarbrücken und zuletzt in Karlsruhe. „Irgendwann war's genug“, sagte er sich nach 35 Jahren Automobilindustrie. Er war auch für Preisverhandlungen zuständig. „Es wurde so lange verhandelt, bis Blut fließt, zum Teil völlig sinnfreie Dinge“, erzählt er. „Irgendwann nervt's.“
Schon vor 20 Jahren habe er mit seiner Frau die fixe Idee gehabt, auf den Kanaren eine Eisdiele aufzumachen. Damals hat er ab und zu daheim Eis zubereitet. Weil dann aber ihre Tochter auf die Welt kam, blieben sie in Deutschland. Als sie vergangenes Jahr Abitur machte, erzählte er ihr die Geschichte. Ihre Reaktion: „Mach's doch, du ärgerst dich sonst, wenn du es nicht machst.“ Das gab für Thomas Müller den Anstoß, seine auf Eis gelegten Pläne, doch wieder hervorzukramen.
Ein Jahr nach Standort gesucht
Bei Magna schmiss er hin und suchte ein Jahr lang nach einem Standort für seine Eisdiele, aber diesmal in Deutschland – und zwar in ganz Deutschland. Zunächst hatte er eine Eisdiele in Kleve ins Auge gefasst, aber da habe der Vorbesitzer, ein Italiener, ihm seine alten Maschinen andrehen wollen. Als Nächstes kam eine Eisdiele in Wittenberg in Frage; der Vorbesitzer hatte gekündigt, weil ihm die Miete zu hoch war. Als Müller den Vermieter heruntergehandelt hatte, bekam der Vormieter dies mit und blieb zu den neuen Konditionen einfach selbst. Am Tag der Absage sah Müller eine Anzeige des Karlstadter Eiscafés San Marco.
Und dort macht und verkauft er jetzt seit April Eis. Allerdings wollte er einen neuen Namen, schon alleine, um zu signalisieren, dass die Eisdiele einen neuen Pächter hat. Also wurde das San Marco zu Toms Eismanufaktur. Der Name „Manufaktur“ soll verdeutlichen, dass Müller das Eis tatsächlich selbst macht und nicht nur Tüten aufreißt und Pulver anrührt, wie er sagt. 83 Prozent aller Eisdielen kauften ihr Eis zu oder verwendeten Pulver bei der Herstellung. Er selbst verwende noch nicht einmal natürliche Aromen, sagt er. So schaue sein Erdbeereis je nach Farbe der Beeren immer etwas anders aus. „Schlumpfeis wird es bei mir nie geben“, sagt er, da er keine Lebensmittelfarbe einsetzen wolle.
Biereis hat vor allem Frauen angezogen
Das Eismachen hat Müller mithilfe von Büchern, Internet und zwei einwöchigen Kursen gelernt. Jetzt überlegt er sich laufend neue Sorten. Zum Karlstadter Bierfest hatte er ein Biereis aus Schwarzbier. Das hätten überraschenderweise vor allem Frauen gekauft. „Die wollten wahrscheinlich mal wissen, wie Bier schmeckt“, scherzt der 59-Jährige. Im Angebot hat er auch die Eissorte „Tonkabohne“, die undefinierbar milchig-vanillig schmeckt. Als Nächstes will er schwarzes Eis aus schwarzem Sesam machen.
Wenn er sich eine neue Eissorte ausgedacht hat, probiert Müller heute aber nicht mehr herum, sondern berechnet mit einem Computerprogramm, wie die Zusammensetzung aussehen müsste. Wichtig sei vor allem der Zuckergehalt, und auch ein bisschen Luft müsse rein, damit das Eis nicht zu hart ist. Allerdings lässt sich so nur die Konsistenz berechnen. Ob es auch tatsächlich schmeckt, weiß er erst beim Probieren.
Eis macht er vor allem nachts
Am häufigsten verkauft er die Geschmacksrichtungen Vanille, Stracciatella und Schokolade. Insgesamt hat Müller 50 Sorten, mit denen er immer abwechselt, weil in der Theke nur Platz für 19 ist. Maximal eine Woche lagere sein Eis. Weil es im Eislabor so warm ist, macht er Eis oft nachts, wenn es zumindest etwas abkühlt. 100 Liter schafft die italienische Eismaschine in der Stunde. Die hat er gemeinsam mit einem Schockfroster, der Kühlzelle und einem Pasteurisator für Milcheis neu gekauft. Bei Nusseis wird es kompliziert, weil Müller hinterher die gesamte Eismaschine penibel sauber machen muss, damit Allergiker keine Probleme bekommen.
Auf jeden Fall fünf Jahre wolle er die Eisdiele führen, „dann schaue ich, ob es mir noch Spaß macht“, sagt Müller. Momentan jedenfalls ist das der Fall. „Ideen habe ich so viel, da weiß ich gar nicht, ob ich die alle umsetzen kann.“ So will er sich demnächst noch an Eis aus Balsamicoessig und aus Gurken versuchen.