Eine Podiumsdiskussion und Besuche im Wasserkraftwerk oder auf dem Biohof: Grünen-Direktkandidatin Anja Baier ist bei ihrem Wahlkampf umtriebig. Seit Monaten tourt die 53-Jährige, die sich im Herbst auf Rang fünf der grünen Unterfranken-Liste um ein Mandat im Landtag bewirbt, durch den Landkreis Main-Spessart. In ihrer Heimatstadt Karlstadt sieht man sie oft auf ihrem – Achtung, Klischee – grünen Lastenrad. Das wurde für Wahlkampfzwecke umfunktioniert, auf der Transportbox prangt Baiers Konterfei.
Die Karlstadter Stadträtin blickt auf eine noch relativ kurze politische Karriere zurück. Ausschlaggebend sei für sie die Bürgerinitiative zum Erhalt der drei Krankenhäuser in Main-Spessart Anfang der 2010er-Jahre gewesen. Baier hat damals selbst in der Karlstadter Klinik gearbeitet und das Team und "die Verknüpfung von ambulant und stationär" geschätzt. "Das Haus hat dadurch eigentlich geringe Kosten verursacht."
Letztlich fiel die Entscheidung für ein Zentralklinikum in Lohr. Für Anja Baier war jedoch klar: "Ich muss mich engagieren, sonst hat man gar keinen Einfluss auf Entscheidungen wie diese."
Die große Politik und ihre Familie waren für Baier lange nicht zu vereinbaren
Jetzt soll der Schritt in die Landespolitik folgen. "Bei der letzten Landtagswahl habe ich bereits auf der Liste kandidiert, um meinen Kollegen Gregor Münch zu unterstützen." Da sei es allerdings noch "völlig undenkbar" für sie gewesen, nach München zu gehen. Die beiden Töchter waren da noch zu jung. Die große Politik und Familie? "Schwer vereinbar."
Aufgewachsen ist Baier auf einem Bauernhof im 200-Seelen-Dorf Zeitlofs-Roßbach (Lkr. Bad Kissingen) im Sinngrund. Als ihre Mutter erfahren habe, dass sie für den Stadtrat kandidiert, sei ihr erster Kommentar gewesen: "Aber nicht für die Grünen!", erinnert sich die Tochter. "Für Landwirte ist die Partei oft nicht die erste Wahl." So müsse sich Tierwohl und Mehraufwand bei der Bewirtschaftung auch finanziell lohnen und Bürokratie abgebaut werden.
Der ländliche Raum braucht auch kleine Krankenhäuser
Das naheliegende Hauptthema der Intensivkrankenschwester ist die Gesundheits- und Daseinsvorsorge. Ihr fehle in den politischen Gremien oft der Blick aus der Praxis. Gerade auf dem Land sei es für viele Menschen in abgelegeneren Gegenden schwierig, zu einem Facharzt zu kommen oder die Rettungswege seien sehr lang. Auch der ÖPNV müsse dafür deutlich verbessert werden.
"Das sind Probleme, die jemand im Blick haben muss, der nicht in der Großstadt aufgewachsen ist." Mit Trams und Taxis sage es sich leicht, dass es keine kleinen Krankenhäuser brauche und eine kleine Ambulanz oder der Hausarzt ausreiche. "Wenn man im hinteren Sinngrund sitzt, ist die Lage eine andere."
Anja Baier: "Wir müssen die kleinen Kliniken besser fördern"
Thema Krankenhausreform: "In dieser Kommission sitzen lauter Professoren aus Universitätskliniken. Dass die sagen: 'Die kleinen Krankenhäuser brauchen wir nicht', ist nachvollziehbar. Ich sage: Wir brauchen sie doch", so Baier. Auch wenn viele aktuell massive Finanzierungsprobleme hätten. "Da müssten wir mehr fördern." So seien beim geplanten Klinikneubau in Lohr die Küchen und Dienstwohnungen nicht förderfähig. Auf die Investitionen hätten jedoch die Länder einen Einfluss.
Viel Geld einsparen könnten die Kliniken aus Baiers Sicht bei der Leiharbeit. Diese müsse begrenzt werden. "Der Leiharbeitermarkt in den Kliniken ist nicht reguliert." Jeder könne ein entsprechendes Unternehmen gründen und so viel verlangen, wie er wolle. Das Problem: Ohne diese Kräfte könnten viele Einrichtungen ihre Betten nicht füllen.
Baier: Diskussion um Heizungsgesetz wird Einfluss auf bayerische Wahl haben
Stichwort "Heizungsgesetz": Was sagt Anja Baier zur massiven Kritik an den Bundesgrünen und explizit Wirtschaftsminister Robert Habeck? "Ich denke, die Kommunikation war unglücklich." Sie finde es schade, dass sich die anderen Parteien so auf die Grünen "eingeschossen haben". Das scheine aber ein Zeichen dafür zu sein, dass die Themen richtig seien.
Die Diskussion werde, fürchtet Baier, einen Einfluss auf die bayerische Wahl haben. Auch sie werde immer wieder darauf angesprochen. "Das macht den Wahlkampf nicht leichter. Aber mit mir kann man sachlich diskutieren." Sie glaube nicht, "dass wir hinter das Wahlergebnis von 2018 fallen". Bei der vergangenen Landtagswahl erhielten die Grünen 17,6 Prozent der Stimmen.
Ihre Chancen schätzt Anja Baier allerdings als gering ein. "Als Direktkandidatin wird das für mich bei der Konkurrenz eine Herausforderung. Da bin ich realistisch. Alles andere hängt dann davon ab, wie gut die Grünen allgemein abschneiden."