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Karlstadt
Landtagswahl 2023: Anja Baier aus Karlstadt fordert höhere Förderung für kleine Kliniken und eine Abkehr von der Leiharbeit
Was die 53-jährige Krankenschwester und Grünen-Politikerin zur umstrittenen Krankenhausreform sagt – und welche Chancen sie sich als Direktkandidatin ausrechnet.
Anja Baier aus Karlstadt ist Direktkandidatin der Grünen für den Wahlkreis Main-Spessart bei den Landtagswahlen 2023.
Foto: Stefanie Koßner | Anja Baier aus Karlstadt ist Direktkandidatin der Grünen für den Wahlkreis Main-Spessart bei den Landtagswahlen 2023.
Stefanie Koßner
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:12 Uhr

Eine Podiumsdiskussion und Besuche im Wasserkraftwerk oder auf dem Biohof: Grünen-Direktkandidatin Anja Baier ist bei ihrem Wahlkampf umtriebig. Seit Monaten tourt die 53-Jährige, die sich im Herbst auf Rang fünf der grünen Unterfranken-Liste um ein Mandat im Landtag bewirbt, durch den Landkreis Main-Spessart. In ihrer Heimatstadt Karlstadt sieht man sie oft auf ihrem – Achtung, Klischee – grünen Lastenrad. Das wurde für Wahlkampfzwecke umfunktioniert, auf der Transportbox prangt Baiers Konterfei.

Die Karlstadter Stadträtin blickt auf eine noch relativ kurze politische Karriere zurück. Ausschlaggebend sei für sie die Bürgerinitiative zum Erhalt der drei Krankenhäuser in Main-Spessart Anfang der 2010er-Jahre gewesen. Baier hat damals selbst in der Karlstadter Klinik gearbeitet und das Team und "die Verknüpfung von ambulant und stationär" geschätzt. "Das Haus hat dadurch eigentlich geringe Kosten verursacht."

Letztlich fiel die Entscheidung für ein Zentralklinikum in Lohr. Für Anja Baier war jedoch klar: "Ich muss mich engagieren, sonst hat man gar keinen Einfluss auf Entscheidungen wie diese."

Die große Politik und ihre Familie waren für Baier lange nicht zu vereinbaren

Jetzt soll der Schritt in die Landespolitik folgen. "Bei der letzten Landtagswahl habe ich bereits auf der Liste kandidiert, um meinen Kollegen Gregor Münch zu unterstützen." Da sei es allerdings noch "völlig undenkbar" für sie gewesen, nach München zu gehen. Die beiden Töchter waren da noch zu jung. Die große Politik und Familie? "Schwer vereinbar."

Aufgewachsen ist Baier auf einem Bauernhof im 200-Seelen-Dorf Zeitlofs-Roßbach (Lkr. Bad Kissingen) im Sinngrund. Als ihre Mutter erfahren habe, dass sie für den Stadtrat kandidiert, sei ihr erster Kommentar gewesen: "Aber nicht für die Grünen!", erinnert sich die Tochter. "Für Landwirte ist die Partei oft nicht die erste Wahl." So müsse sich Tierwohl und Mehraufwand bei der Bewirtschaftung auch finanziell lohnen und Bürokratie abgebaut werden.

Der ländliche Raum braucht auch kleine Krankenhäuser

Das naheliegende Hauptthema der Intensivkrankenschwester ist die Gesundheits- und Daseinsvorsorge. Ihr fehle in den politischen Gremien oft der Blick aus der Praxis. Gerade auf dem Land sei es für viele Menschen in abgelegeneren Gegenden schwierig, zu einem Facharzt zu kommen oder die Rettungswege seien sehr lang. Auch der ÖPNV müsse dafür deutlich verbessert werden.

"Das sind Probleme, die jemand im Blick haben muss, der nicht in der Großstadt aufgewachsen ist." Mit Trams und Taxis sage es sich leicht, dass es keine kleinen Krankenhäuser brauche und eine kleine Ambulanz oder der Hausarzt ausreiche. "Wenn man im hinteren Sinngrund sitzt, ist die Lage eine andere."

Anja Baier: "Wir müssen die kleinen Kliniken besser fördern"

Thema Krankenhausreform: "In dieser Kommission sitzen lauter Professoren aus Universitätskliniken. Dass die sagen: 'Die kleinen Krankenhäuser brauchen wir nicht', ist nachvollziehbar. Ich sage: Wir brauchen sie doch", so Baier. Auch wenn viele aktuell massive Finanzierungsprobleme hätten. "Da müssten wir mehr fördern." So seien beim geplanten Klinikneubau in Lohr die Küchen und Dienstwohnungen nicht förderfähig. Auf die Investitionen hätten jedoch die Länder einen Einfluss.

Direktkandidatin Anja Baier beim Wahlkampftermin der Grünen Anfang Mai am Wasserkraftwerk in Rothenfels.
Foto: Carolin Schulte | Direktkandidatin Anja Baier beim Wahlkampftermin der Grünen Anfang Mai am Wasserkraftwerk in Rothenfels.

Viel Geld einsparen könnten die Kliniken aus Baiers Sicht bei der Leiharbeit. Diese müsse begrenzt werden. "Der Leiharbeitermarkt in den Kliniken ist nicht reguliert." Jeder könne ein entsprechendes Unternehmen gründen und so viel verlangen, wie er wolle. Das Problem: Ohne diese Kräfte könnten viele Einrichtungen ihre Betten nicht füllen.

Baier: Diskussion um Heizungsgesetz wird Einfluss auf bayerische Wahl haben

Stichwort "Heizungsgesetz": Was sagt Anja Baier zur massiven Kritik an den Bundesgrünen und explizit Wirtschaftsminister Robert Habeck? "Ich denke, die Kommunikation war unglücklich." Sie finde es schade, dass sich die anderen Parteien so auf die Grünen "eingeschossen haben". Das scheine aber ein Zeichen dafür zu sein, dass die Themen richtig seien.

Die Diskussion werde, fürchtet Baier, einen Einfluss auf die bayerische Wahl haben. Auch sie werde immer wieder darauf angesprochen. "Das macht den Wahlkampf nicht leichter. Aber mit mir kann man sachlich diskutieren." Sie glaube nicht, "dass wir hinter das Wahlergebnis von 2018 fallen". Bei der vergangenen Landtagswahl erhielten die Grünen 17,6 Prozent der Stimmen.

Ihre Chancen schätzt Anja Baier allerdings als gering ein. "Als Direktkandidatin wird das für mich bei der Konkurrenz eine Herausforderung. Da bin ich realistisch. Alles andere hängt dann davon ab, wie gut die Grünen allgemein abschneiden."

Steckbrief Anja  Baier

Wann und wo sind Sie geboren worden? 1. Januar 1970 in Bad Brückenau
Wie ist die familiäre Situation? Verheiratet, zwei Töchter
Welchen Beruf haben Sie? Fachkrankenschwester für Anästhesie und Intensivmedizin
Wie verlief Ihre "politische Karriere"? Seit 2013 Grünen-Mitglied, seit 2014 im Karlstadter Stadtrat und dritte Bürgermeisterin, seit 2020 Kreisrätin.
Was sind weitere Ehrenämter und Hobbys? U.a. Vorsitzende Steuerungsgruppe Fairtrade Town, Ehrensenatorin KaKaGe, Ukraine-Hilfe Karlstadt; Radfahren, Florale Gestaltung 
Was ist Ihr Lieblingsplatz im Stimmkreis? Die Karlsburg und der Edelweiß
Haben Sie ein politisches Vorbild? Mich beeinflusst immer die Persönlichkeit eines Menschen. Begeistert hat mich der ehemalige Landrat aus Bad Kissingen, Herbert Neder, mit seiner diplomatischen und freundlichen Art.
(std)
 
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