
Ein Dreivierteljahrhundert haben die Gemündener auf ihre Mainbrücke warten müssen. Vor 50 Jahren dann, im September 1974, wurde sie fertiggestellt. Ein Jahrhunderttraum ging in Erfüllung. Bis dahin war der Mainübergang in Gemünden und seinen heutigen Stadtteilen am Main nur mit Fähren möglich. Allerdings kam es beim Bau der Mainbrücke zu millionenschweren Baumängeln, es wurde etwa minderwertiger Beton verwendet. Die Gemündener waren aber offenbar so glücklich über ihre Brücke, dass sie es versäumten, Baumängel rechtzeitig zu rügen und etwa die Abnahme zu verweigern.
Das war ein Grund, warum es nach dem Bau Gezerre zwischen der Stadt und dem Landkreis gab, ob der Landkreis sie, wie schon vor der Fertigstellung vereinbart, übernehmen muss. Nach einem Verwaltungsgerichtsurteil im Sinne der Stadt und einer Einigung erklärte sich der Landkreis zur Übernahme bereit. Zuvor sollte sie allerdings saniert beziehungsweise ertüchtigt werden. Letztlich wurde die marode Brücke ab Februar 2017 bis auf die Pfeiler abgerissen und neu gebaut. Zwischen Hofstetten und Langenprozelten verkehrte als Ersatz bis zur Verkehrsfreigabe Ende Oktober 2018 wieder eine Fähre. Jetzt ist die Brücke neu, gehört aber einstweilen weiterhin der Stadt Gemünden.
Gemünden war spät dran mit seiner Mainbrücke

Ein Blick zurück in die Geschichtsbücher: Während Karlstadt, Marktheidenfeld und Lohr, ja sogar Lengfurt, Himmelstadt und Zellingen, schon längst eine Mainbrücke hatten, klappte es in Gemünden erst im dritten Anlauf. Schon 1899 waren einmal 230 000 Mark für einen dann nicht verwirklichten Bau veranschlagt. 1923 scheiterte ein zweiter Vorstoß daran, dass sich Bayern aus der Finanzierung zurückzog.
1964 unternahm der damalige Landkreis Gemünden einen dritten, letztlich erfolgreichen Versuch, wobei zehnmal umgeplant wurde und die Brücke nicht mehr, wie ursprünglich vorgesehen, zwischen Langenprozelten und Hofstetten, sondern in Gemünden errichtet wurde. Damit die Landkreis-Gebietsreform das Projekt nicht verzögert, vereinbarten Kreis und Stadt Gemünden sowie die Gemeinde Wernfeld vertraglich, dass die Stadt die Brücke fertig baut und der Kreis (oder der heutige Landkreis Main-Spessart als dessen Rechtsnachfolger) sie später übernimmt. Doch so einfach sollte es nicht werden.

Große Freude 1975 bei der offiziellen Eröffnung der Mainbrücke
Im September 1974 wurde sie für den Verkehr freigegeben, zeitgleich war in Gemünden die Saale- und Winterhaltbrücke zwischen Kleingemünden und dem Marktplatz gebaut worden. Zusammen kosteten die Bauwerke 15,4 Millionen D-Mark. Bei der offiziellen Eröffnung der Mainbrücke im Juni 1975 – ausgerechnet an einem Freitag, den 13. – herrschte große Freude bei den Prominenten und Verantwortlichen, darunter Ministerpräsident Alfons Goppel. Sie ahnten damals weder, dass der Landkreis Main-Spessart seine vertragliche Verpflichtung zur Übernahme der Brücke nicht erfüllen würde, noch dass die Stadt deswegen in den 1990er Jahren erfolgreich gegen den Landkreis klagen würde.
Die fertige Brücke hatte zusätzlich eine Rampe hinunter zur B 26 und zum Main-Spessart-Kaufhaus Michelbach. Ohne die Brücke wären die linksmainischen Gemeinden Harrbach, Kleinwernfeld, Massenbuch und Hofstetten vermutlich nicht Gemünden zugeteilt worden. Die Mainbrücke sollte interessanterweise auch die Möglichkeit zum Bau einer neuen Straßenverbindung über Massenbuch in den Raum Marktheidenfeld schaffen, woraus offensichtlich nie etwas wurde.
1983 stellte der damalige Bürgermeister Hans Michelbach erstmals den Antrag an den Landkreis, die Brücke zu übernehmen. Er wird jedoch zurückgezogen. Vier Jahre später beantragt die Stadt Gemünden erneut die Übernahme der Brücke durch den Kreis. Dieser lehnt ab. Schließlich erhebt die Stadt 1991 Klage gegen den Kreis. Mit Erfolg: Ein Urteil des Verwaltungsgerichts verpflichtet den Landkreis Main-Spessart 1993 zur Übernahme der Mainbrücke.
Der Landkreis Main-Spessart wollte Gemünden die Brücke nicht abnehmen
Allerdings geht der Landkreis in Berufung, verhandelt aber gleichzeitig mit der Stadt. Der Rechtsstreit ruht. In den 90er Jahren wurde festgestellt, dass über Jahre hinweg der Bauunterhalt an der Brücke vernachlässigt wurde, was offenbar zu weiteren Schäden führte. 2001 versucht die Stadt, sich mit dem Landkreis auf die Übernahme der Brücke zu einigen. Ein marodes Bauwerk wollte der Kreis aber nicht übernehmen. Statt der zur Bedingung gemachten vorherigen Sanierung der Brücke, kommt damals eine Ertüchtigung für 4,7 Millionen Euro ins Spiel, weil es dafür, etwa durch das Anhängen eines Radwegs, anders als bei der Sanierung, Zuschüsse gäbe. Der Kreistag stimmt 2002 der Übernahme der Gemündener Mainbrücke durch den Landkreis zu. Die nach den staatlichen Zuschüssen bleibenden Kosten für die Ertüchtigung wollen sich Kreis und Stadt im Verhältnis 80 zu 20 teilen.
Allerdings verkomplizierte und verzögerte sich die Umsetzung, da nun weitere schwere Baumängel offenbar wurden und 2008 Bayerns Innenminister Joachim Herrmann überraschend die lange gewünschte Ortsumgehung und die Verlegung der Bundesstraße 26 (Ortsdurchfahrt Gemündens) auf die linke Mainseite zusagte. Der Verkehr soll über die Mainbrücke auf die rechte Seite zurückgeführt werden. Dafür musste die Brücke auf Bundesstraßenniveau vergrößert und verstärkt werden. Ein 2012 beschlossener Ersatzneubau samt Abriss, bei dem nur die Pfeiler stehen bleiben, wurde unumgänglich.
Monatelange Vollsperrung der Mainbrücke löste Schock in Gemünden aus
Die daraus folgende Erkenntnis, dass eine nur halbseitige Sperrung der innen hohlen Spannbetonbrücke unmöglich war und Gemünden über ein Jahr keinen Mainübergang haben würde, schlug mit etwa einem Jahr Verspätung und großem Schock in der Stadt ein. Bürgerinnen und Bürger sammelten Unterschriften, um eine Bürgerversammlung zu erzwingen und riefen ihren ehemaligen Bürgermeister Michelbach um Hilfe an.

Der berief daraufhin im Dezember 2013 eine Brückenkonferenz im Gemündener Rathaus ein, bei der sich rund 50 Gemündener, vor allem aus Hofstetten und Massenbuch, mit allerlei Plakaten davor versammelten. Das Ergebnis der Konferenz mit Abgeordneten und dem damaligen Staatssekretär im Bayerischen Innenministerium und Chef der Obersten Bayerischen Baubehörde, Gerhard Eck: Der Freistaat übernimmt erstens im Gemündener Brückendilemma die Generalplanung und meldet zweitens die Ortsumgehung inklusive einer zweiten Mainbrücke noch in diesem Jahr für den Bundesverkehrswegeplan an. Die Variante, vor dem Abriss eine zweite Brücke in Wernfeld hinzustellen, wurde später verworfen. Eine Autofähre zwischen Langenprozelten und Hofstetten sollte helfen.
Neue Mainbrücke nach 21 Monaten Bauzeit fertig
Die neue Mainbrücke auf alten Pfeilern wurde nach 21 Monaten Bauzeit am 31. Oktober 2018 für den Verkehr freigegeben. Sie ist nur noch teilweise aus Spannbeton, der Teil über dem Fluss ist komplett aus Stahl. Am Freitag, 12. April, 2019 wurde die Brücke eingeweiht. Einschließlich Rampen ist sie 475 Meter lang und läuft geschwungen auf die B 26 zu. Zusammen mit den Arbeiten im Umfeld wurden rund 30 Millionen Euro verbaut. Die Mainbrücke ist eine der komplexesten, weil sie nicht nur den Main, sondern auch die Bahnstrecke und die Bundesstraße überspannt.
Die Brücke wurde auch in der Form gebaut, weil bei der geplanten Ortsumgehung die Bundesstraße über sie laufen soll. Allerdings hat man von der 4,5 Kilometer langen Umgehung mit einer zweiten Mainbrücke, die laut Bundesverkehrswegeplan bis 2030 realisiert sein soll, zuletzt nur gehört, dass sich gar nichts tue. Eigentlich sollte der Landkreis die Brücke von der Stadt übernehmen und sie dann mit Verwirklichung der Ortsumgehung an den Bund abtreten. Aber einstweilen gehört sie weiter der Stadt, solange die Gewährleistung der Baufirma noch nicht abgelaufen ist und die Rechnungsprüfung noch aussteht. Der Landkreis kommt aber schon für den Brückenunterhalt auf.