Mit dem am Mittwoch beginnenden Abriss und weitgehenden Neubau der Mainbrücke endet der Streit um Zuständigkeiten und Eigentum an der Brücke. Wie vom Kreistag beschlossen, wird der Landkreis Main-Spessart den Vertrag von 1971 endlich erfüllen und den Flussübergang bei Gemünden übernehmen. Lange wird der Kreis das Bauwerk nicht behalten müssen, sondern mit Verwirklichung der Ortsumgehung bis spätestens 2030 an den Bund abtreten können.
Von alledem hatten die Verantwortlichen bei der offiziellen Eröffnung der Mainbrücke am Freitag, 13. Juni 1975, keine Ahnung. Sie ahnten weder, dass der Landkreis Main-Spessart seine vertragliche Verpflichtung zur Übernahme der Brücke nicht erfüllen würde, noch dass die Stadt deswegen in den 1990er Jahren erfolgreich gegen den Landkreis klagen würde, noch dass beim Bau mit minderwertigem Beton gepfuscht worden war, noch dass das Bauwerk schon nach nur 42 Jahren in Teilen marode sein würde . . .
Ministerpräsident in Gemünden
Vielmehr beglückwünschten sich die Prominenten und Verantwortlichen an dem Freudentag gegenseitig. Als da waren: der damalige Bayerische Ministerpräsident Alfons Goppel, Landtagsvizepräsident Heinz Rosenbauer, Regierungspräsident Philipp Meyer, Main-Spessart-Landrat Erwin Ammann, der Initiator der Brücke und letzte Landrat des vormaligen Landkreises Gemünden, Karl Müller, und Bürgermeister Kurt Völker.
Der später für Lohr zuständige Main-Post-Redakteur Karl Anderlohr – heute im Rentenstand – berichtete seinerzeit über die große Eröffnungsfeier. Er schrieb am 14. Juni 1975 in der Main-Post unter der Überschrift „Ein Jahrhunderttraum für Gemünden ist erfüllt“:
„Alle Glocken läuteten . . .“
„Alle Glocken läuteten und eine unübersehbare Menschenmenge drängte sich am Ort des Geschehens, als Bürgermeister Kurt Völker am Freitag Ministerpräsident Alfons Goppel und zahlreiche Ehrengäste, darunter auch Regierungspräsident Philipp Meyer, zur Einweihung und Übergabe der neuen Main- und Saalebrücke willkommen hieß. Er nannte die Brücke ein Jahrhundertbauwerk, das den Raum Gemünden einen ,großen Schritt nach vorne‘ bringen werde.
Regierungsbaumeister Dipl.-Ing. Georg Maier übergab die Brücke nach vierjähriger unfallfreier Bauzeit an die Stadt. Ein idealer Standort sei nicht vorhanden gewesen, sagte er in einem kurzen Rückblick auf die Baugeschichte, und man sei sich der Problematik aus denkmalpflegerischen Gesichtspunkten durchaus bewusst gewesen. Der Stadt wünschte er, dass ihr die Brücke viel Nutzen bringen möge. Die Geistlichen beider Konfessionen, Pfarrer Kohl und Pfarrer Dietrich, erbaten Gottes Segen.
Dank an Bauarbeiter und Steuerzahler
Seine Glückwünsche an die Stadt verband Ministerpräsident Goppel mit dem Dank an die Bauleute, aber auch an die Steuerzahler, die die Finanzierung zu tragen hatten. Brücken zu bauen sei – im wörtlichen, wie im übertragenen Sinn – stets eine Aufgabe der Menschheit gewesen, sagte Goppel und verwies auch auf die Bedeutung eines solchen Projekts für die beteiligten Firmen. Unter Segenswünschen für das Bauwerk, für alle, die die neue Brücke passieren, und für die Wohlfahrt der Stadt und ihrer Bürger durchschnitt er die weiß-blaue Girlande, die symbolisch noch die Durchfahrt versperrte. (Die Verkehrsfreigabe war bereits im Jahr zuvor gewesen, d. Red.)
Zu den Klängen der Kapelle Schäfer, die den Übergabeakt musikalisch umrahmt hatte, ging es dann ins Festzelt. Bunte Akzente in dem Zug setzten dabei die Folkloregruppen aus ganz Europa, die zurzeit in Gemünden zu Gast sind und zur weiteren Ausgestaltung des Festabends beitrugen, mit ihren farbenfrohen Trachten.
Viel Applaus für Karl Müller
Langanhaltender Applaus empfing nach einer kurzen Begrüßung der zahlreichen Ehrengäste im Festzelt durch Bürgermeister Völker vor allem der Initiator des Brückenbaues, Landrat a. D. Karl Müller. Seinen Einsatz für das Werk, an dessen Zustandekommen lange Zweifel geherrscht hatten, unterstrichen alle Redner.
76 Jahre habe die Bevölkerung der Stadt und ihres Umlandes auf dieses Werk warten müssen, sagte Müller. Bei früheren Versuchen habe sich niemand gefunden, der die Bauträgerschaft und die Finanzierung habe übernehmen wollen. Eingehend berichtete er dann über Vorgeschichte und Geschichte des Baues, dessen überörtliche Bedeutung er hervorhob. Der Brückenbau sei ein großes Gemeinschaftswerk gewesen.
Main-Spessart und die linke Mainseite
Landrat Erwin Ammann nannte die Brücke eine Krönung kommunaler Selbstverwaltung. Der Landkreis werde sich jetzt Gedanken über die Verbesserung der Straßenverhältnisse auf der linken Mainseite machen.
Goppel ging vor allem auf die 750-Jahr-Feier der Stadt ein. Es gelte den Vorfahren Dank für das Hinterlassene zu zollen. Die letzten 25 Jahre seien mit die schwierigsten und die härtesten, aber auch die erfolgreichsten gewesen. Allen Beteiligten dankte er für die Leistung, die sie im Interesse der Bürger dieser Stadt erbrachten. Gemünden wünschte er Glück und Segen in Frieden und Freiheit. Als Andenken überreichte er Bürgermeister Völker eine alte Karte Bayerns. Die Kapelle Albin Schäfer ließ ihn nicht von der Bühne, bevor er nicht den Taktstock ergriffen und den Marsch ,Alte Kameraden‘ dirigiert hatte, eine Aufgabe, der sich Goppel mit sichtlichem Genuss entledigte.
„Gunst der Stunde genutzt“
Regierungsbaudirektor Contzen als Vertreter des Bundesverkehrsministeriums meinte, Landrat Müller und sein Kreistag hätten die Gunst der Stunde genutzt. Heute wäre eine ähnlich günstige Finanzierung wohl kaum zu erreichen. (...) Die zahlreichen Ehrengäste wurden im Festzelt mit Festbier und mit einem Eintopf aus der ,Gulaschkanone‘ der Feuerwehr bewirtet. Für das ,musikalische Tafelkonfekt‘ sorgten die Kapelle Schäfer und die Tamburizza-Gruppe aus dem Burgenland.“
Was die Mainbrücke kostete
Der Brückenschlag über den Main bei Gemünden gelang erst im dritten Anlauf: 1899 waren einmal 230 000 Mark für einen dann nicht verwirklichten Bau veranschlagt. 1923 scheiterte ein zweiter Vorstoß daran, dass sich Bayern aus der Finanzierung zurückzog.
1964 unternahm der Landkreis Gemünden einen dritten, letztlich erfolgreichen Versuch, wobei zehnmal umgeplant wurde und der Flussübergang nicht mehr, wie ursprünglich vorgesehen, zwischen Langenprozelten und Hofstetten, sondern in Gemünden errichtet wurde. Zugleich wurde die Saale- und Winterhaltbrücke zwischen Kleingemünden und Marktplatz gebaut.
Bei Baubeginn 1971 waren für alle Bauwerke zusammen 11,8 Millionen D-Mark angesetzt – 15,4 Millionen D-Mark waren es am Ende. Den Betrag teilten sich der Bund (6,84 Millionen), der Freistaat (5,2 Millionen), der Landkreis Main-Spessart (1,7 Millionen), die Stadt Gemünden (1,63 Millionen) und die Gemeinde Wernfeld (48 000).
Brückenfest und Spatenstich
Die Sperrung der Mainbrücke verlangt der Bevölkerung und den Verkehrsteilnehmern nach der Dauerbaustelle in der Gemündener Ortsdurchfahrt weitere Geduld ab. Bis die neue Brücke steht, sollen – beginnend mit der Vollsperrung am Mittwoch, 1. Februar, – 18 Monate vergehen.
Das Beste aus der misslichen, aber unumgänglichen Situation zu machen, haben sich der Verein „Stadtmarketing Gemünden aktiv“ und die Stadtverwaltung Gemünden vorgenommen. Immerhin könnte eine Freifahrt auf der ab 1. Februar zwischen Hofstetten und Langenprozelten verkehrenden Fähre eine Attraktion für Ausflügler und Touristen werden. Auch der Brückenbau selbst wird zeitweise spektakulär, sodass die Ingenieure sogar mit einem „Baustellentourismus“ rechnen.
Ein Brückenfest wird am Sonntag, 29. Januar, von 11 bis 16 Uhr am Huttenschloss und auf der Brücke gefeiert. Dort gibt es dann auch das erste „Gemünnemer BrückenBlättle“.

