
Es ist in Volkach das umstrittenste Thema der vergangenen Jahre: Ein Investor will im Industriegebiet "Im Seelein" ein Wohnheim für maximal 90 geflüchtete Menschen bauen. Über den Bauantrag entscheidet der Stadtrat in seiner Sitzung am Montagabend (19.20 Uhr) im Rathaus.
Nach der überraschenden Wende wegen des fehlenden Baurechts für eine auf zehn Jahre befristete Unterkunft im Industriegebiet scheint der Investor mit seinem Bauantrag auf verlorenem Posten zu stehen. Doch gibt es Stadtratsmitglieder, die sich trotzdem für eine Ausnahme zugunsten eines Wohnheims stark machen? Und wie groß ist der Druck seitens der Bevölkerung vor der Entscheidung? Fünf Stadträtinnen und Stadträte geben einen Einblick.
1. Barbara Nikola-Bier (SPD): "Jeder ist nur seinem Gewissen verpflichtet"

"Dass Menschen Bedenken gegen eine zentrale Unterbringung äußern, ist verständlich und nachvollziehbar. Aus den geführten Telefongesprächen und erhaltenen Mails kann ich entnehmen, dass die Meinungen geteilt sind. Drohungen haben die Nachrichten und Anrufe aber nicht enthalten. In den Gesprächen mit den Bürgern ging es anfangs in erster Linie um sachliche Informationen. Sicher hat auch die Bürgerinformation in der Mainschleifenhalle zu einem besseren Verständnis beigetragen. Wir diskutieren vor jeder Stadtratssitzung ausführlich über die vorliegende Tagesordnung. Dabei finden wir in der Regel eine tragfähige Entscheidung. Über den Bauantrag werden wir nach Recht und Gesetz entscheiden. In unserer SPD-Fraktion gibt es keinen Fraktionszwang, jeder ist nur seinem Gewissen verpflichtet."
2. Thomas Jäcklein (Bürgerliste): "Ich habe eine christliche Grunderziehung"

"Ich habe mit vielen Leuten über das Thema gesprochen, und da gibt es auf der einen Seite Ängste, und Ressentiments, die aber auch gestreut werden von bestimmten Parteien. Auf der anderen Seite sagten mir aber Bürger, dass sie bereits Flüchtlinge im Dorf haben und auskömmlich zusammenleben. Sorge macht mir schon, dass die Menschen aus einem anderen Kulturkreis kommen und ein anderes Frauenbild haben als das unsere. Da gibt es Probleme, aber Probleme kann man auch lösen. Man kann doch nicht immer alles negativ sehen! Ohne die veränderte Voraussetzung mit dem fehlenden Baurecht hatte ich noch überlegt, wie ich abstimme. Ich habe diese übertriebenen Ängste nicht – und eine christliche Grunderziehung."
3. Andrea Rauch (Grüne): "Wir hätten uns die Landrätin auf dem Podium gewünscht"

"Es gibt eine Gegenbewegung, die Druck ausüben möchte. Wir sind als Grünen-Fraktion standhaft, denn wir vertreten geschlossen den Teil der Bevölkerung, der vorsichtig optimistisch ist, sollte die GU kommen, oder der Integration sogar als Chance sieht. Es ist das Hauptthema auf der Straße, nichts erregt gerade mehr Aufmerksamkeit. Allerdings auch dahingehend, dass einige Bürger geschockt sind vom Hass einiger Einheimischer gegen Ausländer. Es darf jeder und jede seine/ihre Meinung äußern, aber wir legen Wert auf die Fakten. Daher haben wir schon vor der Stadtratssitzung auf frühe Veröffentlichung von Infos und Plänen gedrängt. Beim Infoabend war eine bunte Mischung an Meinungen zu hören. Wir hätten uns aber auch die Landrätin auf dem Podium gewünscht, die sicher das Argument der Solidarität gegenüber anderen Gemeinden angesprochen hätte. Eigentlich wollten wir geschlossen für die Ausnahmegenehmigung stimmen, doch nun werden wir das Wohnheim wegen des Baurechts wohl erstmal ablehnen müssen."
4. Simon Rinke (CSU): "Bei diesem Thema spielen Gerüchte und Ängste eine zu große Rolle"

"Als Stadträte haben wir bei jeder Entscheidung, die wir treffen, das Wohl unserer Bürger im Blick. Dabei wägen wir immer zwischen den verschiedenen Interessen ab. Das gilt auch für diesen Bauantrag, der sich für uns nur durch ein höheres öffentliches Interesse unterscheidet. Ich würde mich freuen, wenn die Bürger auch bei anderen Themen ins Rathaus kämen, um die Stadtratssitzungen zu verfolgen. Hier erfahren sie, wie Entscheidungen zustande kommen. Dass wir uns mit den Bürgern austauschen, ist für uns selbstverständlich, im aktuellen Fall gibt es allerdings auch Aussagen und vor allem anonyme Benachrichtigungen, die befremdlich sind. Der Infoabend war eine gelungene Veranstaltung, da so viele Bürger sich aus erster Hand informiert haben. Gerade bei diesem Thema spielen nämlich leider Gerüchte und Ängste eine zu große Rolle. Als CSU-Fraktion besprechen wir alles, respektieren aber die Entscheidung jedes einzelnen Fraktionsmitglieds, so abzustimmen, wie er/sie es für richtig hält."
5. Udo Gebert (Freie Wähler): "Kein einziger Bürger hat gesagt, wir sollen das zulassen"

"Bei dem Thema dachte ich anfangs noch, ich bin ein entscheidungsfreudiger Unternehmer; wenn das Wohnheim sein muss, dann ziehen wir es eben durch. Aber ich sitze seit 2008 im Stadtrat und wurde noch nie so oft auf ein Thema angesprochen: bei meiner Arbeit und am Wochenende. Zudem haben mich abends Leute angerufen. Es gab Bürger, die sagten, sie würden sich engagieren für die Flüchtlinge, sollten sie denn kommen. Aber kein einziger hat gesagt, wir sollten das Wohnheim zulassen. Die Leute haben sogar gesagt, man sollte lieber eine Zeit lang eine Turnhalle opfern. Daran hat auch der gute Infoabend nichts geändert. Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Ich habe entschieden, ich muss auf meine Wähler hören und kann dem Bauantrag nicht guten Gewissens zustimmen. Wobei das jetzt ohnehin obsolet ist, da das Wohnheim an dieser Stelle im Industriegebiet so wie beantragt nicht zulässig ist."
Artikel 1 unseres Grundgesetzes (GG) sagt "Die Würde des Menschen ist unantastbar". Merken Sie sich das bitte!
Oh, Sie armer Orban-Fan, haben Sie nicht mitbekommen, wie er an Rechtstaatlichkeit und Unabhrängigkeit der Medien rüttelt, am liebsten auch der Justiz?