Die Flüchtlingsunterkünfte im Landkreis sind fast vollständig belegt, die Profis von der Flüchtlings- und Integrationsberatung der Caritas haben alle Hände voll zu tun. Im Interview werfen Sophie Frieling und Marion Stöhr einen Blick auf ihre tägliche Arbeit und die veränderte Situation der Geflüchteten im Landkreis Kitzingen. Sie bedauern, dass Corona interkulturelle Begegnungen so erschwert hat, erteilen einer Vergrößerung der Unterkunft im Innopark eine klare Absage – und sprechen über den mutmaßlichen Mord eines Afghanen.
Marion Stöhr: Ja, das Interesse hat nachgelassen, aber das ist eigentlich schon seit Längerem der Fall. Wir haben auch weniger Ehrenamtliche, die uns unterstützen, als noch vor zwei, drei Jahren. Wobei die Pandemie die Situation nochmal verschlechtert hat: Interkulturelle Begegnungen und Aktionen sind schwierig geworden.
Sophie Frieling: Manche Ehrenamtliche haben auch während der Corona-Pause eine andere Aufgabe übernommen. Positiv ist aber, dass es mehr Landsleute von Asylbewerbern gibt, die uns und sich gegenseitig unterstützen. Sie dolmetschen und wollen etwas von der Hilfe zurückgeben, die sie hier bekommen haben.
Stöhr: Gerade hier der Innopark ist ziemlich voll. Eine hundertprozentige Belegung wird es nie geben und aktuell sind weniger als zehn Prozent der Plätze frei. Das hat zur Folge, dass anerkannte Flüchtlinge, sogenannte Fehlbeleger, aufgefordert werden, doch bitte umgehend auszuziehen und die Unterkunft zu verlassen. Vor kurzem hatte ich erstmals ein solches Schreiben des Landratsamtes in der Hand: Die Formulierungen darin fand ich heftig. Auch nachziehende Familienmitglieder dürfen grundsätzlich nicht in den staatlichen Unterkünften wohnen.
Stöhr: Nein! Zwar stimmt es natürlich, dass die Anerkannten kein Wohnrecht in der Unterkunft haben. Aber es ist sehr, sehr schwierig, in Kitzingen geeigneten Wohnraum zu finden. Und solange ihnen das nicht gelingt, dürfen die Menschen hier bleiben. Der Freistaat erlaubt das, sonst müsste die Kommune die obdachlosen Menschen unterbringen.
Frieling: Nein, das wird viel zu viel für Kitzingen. Auch wenn ich an die Schulen und Kindergärten denke, die diese Menschen mit ihren Problemen aufnehmen und integrieren müssen. Kitzingen würde überfordert, wenn es noch ein Gebäude mehr gäbe.
Stöhr: Die Kommunen müssen viel leisten. Da fühlen sich Landkreis und Stadt mit den Folgen oft alleingelassen.
Stöhr: Es kommt sicher auch auf die Unterkunft an. Im Corlette Circle ist es entspannter mit den kleineren Häuschen; hier im Innopark leben teilweise drei fremde Erwachsene in einem Zimmer. Das ist schwieriger als in den kleineren, dezentralen Unterkünften.
Frieling: Die Leute sind jetzt konzentriert in Kitzingen und kennen das Leben auf dem Dorf nicht mehr. Mit den dezentralen Unterkünften war der Kontakt näher, man hat sich gekannt und geholfen. Das ist weggefallen. Und es ist nicht einfach, in die deutsche Gesellschaft reinzukommen, auch nicht mit Kindern oder wenn Du arbeitest.
Stöhr: Einige wenige sind tatsächlich auch schon wieder zurückgegangen. Aber wenn ich an meine Klienten denke, möchte die Mehrheit hier eine Chance haben. Viele sind hierher gekommen, weil sie hier arbeiten und sich eine Existenz aufbauen möchten. Klar ist da das Asylrecht der falsche Weg, aber die wollen auch nicht vom Staat abhängig sein, sondern ihren Lebensunterhalt selbst gestalten können.
Stöhr: Ich hoffe, dass die neue Ampelkoalition den sogenannten Spurwechsel vom Asyl- zum Einwanderungsrecht voranbringt. Jemandem, der gut Deutsch kann, arbeitet, integriert und engagiert ist, sollte man die Chance auf eine Aufenthaltserlaubnis geben.
Stöhr: Unsere Klienten aus Afghanistan, so schrecklich die Situation im Land selbst ist, haben jetzt eine gute Bleibeperspektive. Und heute kam just ein Schreiben vom BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge), dass die Geflüchteten aus Afghanistan an Integrationskursen teilnehmen dürfen. Das ging vorher nur unter erschwerten Bedingungen. Jetzt sind sie den Menschen aus Somalia, Eritrea und Syrien gleichgestellt und haben es leichter.
Frieling: Die Geduldeten aus Afghanistan bekommen jetzt auch schneller eine Arbeitserlaubnis.
Frieling: Wir sind der erste Kontakt. Wenn jemand ein Problem hat, kommen die Leute in die Beratungsstelle und denken, die Caritas hilft. Egal ob es um einen Streit mit dem Ehemann geht, lebenspraktische Fragen wie günstige Brillen für Kinder oder die vielen Behördengänge.
Stöhr: Ein großes Thema sind immer wieder die Geldleistungen und Entscheidungen, die das Sozialamt trifft. Aber eigentlich können Sie schreiben: von der Wiege bis zur Bahre. Wir helfen, Neugeborene eintragen zu lassen und begleiten Sterbefälle.
Stöhr: Nein, wir bräuchten mehr Leute. Es wäre schön, wenn wir noch eine weitere Kollegin in Vollzeit beschäftigt hätten, aber dafür ist das Geld nicht vorhanden. Dann könnten wir uns um den Einzelnen mehr kümmern. Die Probleme, die die Menschen mitbringen, werden vielfältiger. Ich habe Klienten, die sitzen eine ganze Stunde hier, aber das ist eigentlich nicht drin.
Stöhr: Als ich es gehört habe, war ich natürlich schockiert, aber ich habe keine Angst zur Arbeit zu gehen. Und auch in der Beratung war es bei mir bislang kein großes Thema.
Frieling: Es sind Einzelne, die sich Sorgen machen und jetzt mehr Angst haben. Und auch ich ertappe mich manchmal am Morgen im Büro dabei, dass ich darüber nachdenke, was passieren könnte.
Stöhr: Ich wünsche mir noch mehr ehrenamtliche Unterstützer, die sich wirklich 1:1 um eine Flüchtlingsfamilie kümmern.
Frieling: Da schließe ich mich an; schon eine Stunde pro Woche würde helfen. Die Leute hier hätten wirklich gerne mehr Kontakt zu Deutschen und sind dankbar für Kleinigkeiten.