zurück
Kitzingen
Debatte um Tempo 30 in Innenstädten: Warum Kitzingens Polizei-Chef seine Behörde zu Unrecht am Pranger sieht
Nachwuchsgewinnung, Corona-Demos, das Raser-Problem, Rotlichtsünder: Es gibt einiges zu besprechen mit dem Leiter der Kitzinger Polizeiinspektion.
Jochen Dietrich leitet seit November 2021 die Polizeiinspektion Kitzingen.
Foto: Eike Lenz | Jochen Dietrich leitet seit November 2021 die Polizeiinspektion Kitzingen.
Eike Lenz
 und  Frank Weichhan
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:13 Uhr

Seit einem Jahr leitet Jochen Dietrich die Polizeiinspektion Kitzingen. Was denkt der 50-Jährige über Verkehrsberuhigung? Wie läuft sein Kampf gegen die Raser? Und was ist eigentlich aus den angekündigten Fahrrad-Streifen geworden? 

Frage: Wie lief die Nachtschicht? Und wie viele Beamte schieben nachts eigentlich Dienst auf der Inspektion in Kitzingen?

Jochen Dietrich: Es gibt in unserem Dienstbereich ausreichend Streifen. Zudem unterstützen die umliegenden Dienststellen sich gegenseitig. Wir haben generell gut zu tun. Fast immer sind Verkehrsunfälle und Diebstähle dabei. Außerdem kommen immer wieder Menschen auf die Dienststelle, um Anzeige zu erstatten. Im Moment geht es dabei häufig um Internet-Betrug. 

Die Pforte ist rund um die Uhr besetzt?

Dietrich: Ja, 24 Stunden an sieben Tagen. Es gibt bei uns vier Dienstgruppen, die sich das aufteilen.

Hat die Inspektion aktuell ihre Sollstärke?

Dietrich: Wir könnten die eine oder andere Verstärkung gebrauchen, sind aber jederzeit handlungsfähig. Damit wir auch künftig genügend Polizeikräfte haben, lassen Sie mich die Gelegenheit nutzen und hier für den Polizeiberuf werben. Wir bieten einen abwechslungsreichen und spannenden Beruf mit guten Karrierechancen. Wenn man gerne mit Menschen arbeitet und Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen will, ist das der richtige Job. Unter www.mit-sicherheit-anders.de können sich die jungen Menschen, aber auch ihre Eltern und Großeltern sehr gut informieren.

Werbeblock ist angekommen. Bis wann können die Kolleginnen und Kollegen denn mit dem Neubau der Polizeiinspektion in den Marshall Heights rechnen? Noch immer ist davon nichts zu sehen und zu hören.

Dietrich: Ich bin im Gespräch mit dem Staatlichen Bauamt. Die planen das für uns. Derzeit wird die Ausschreibung für einen externen Planer vorbereitet. 

Wann wird die Polizei umziehen?

Dietrich: In fünf bis sieben Jahren – nach meiner Schätzung. Die Gelder sind im Haushalt eingestellt. Vielleicht dauert es ein Jahr länger als zu Anfang gedacht.

Drei-Sterne-Polizist: Der Leiter der Polizeiinspektion Kitzingen Jochen Dietrich ist seit Frühjahr 2022 Polizeidirektor.
Foto: Eike Lenz | Drei-Sterne-Polizist: Der Leiter der Polizeiinspektion Kitzingen Jochen Dietrich ist seit Frühjahr 2022 Polizeidirektor.
Sie sind jetzt seit gut einem Jahr im Amt – wie fällt Ihre Bilanz aus?

Dietrich: Der Sicherheitsbericht 2021 für den Landkreis Kitzingen sieht sehr gut aus: Straftaten sind zurückgegangen, die Aufklärungsquote bewegt sich auf hohem Niveau, die Gewaltkriminalität hat abgenommen. Auf einige Bereiche müssen wir verstärkt schauen – etwa auf die Internetkriminalität. Früher war der Einbruch am Montagmorgen das Thema, heute sind es Berge von Anzeigen. Beim Internetbetrug ist noch viel Aufklärungsarbeit nötig.

Gibt es eigentlich noch Corona-Demos?

Dietrich: Wir haben aktuell noch die Montags-Demo in Kitzingen, die jedoch absolut friedlich und kooperativ verläuft. Das sind meistens um die 50 Teilnehmer.

"Mit Beginn der neuen Saison im Frühjahr werden wir öfter hinschauen."
Polizeichef Jochen Dietrich zum Problem mit dem Fahrradverkehr
Nach längerer Corona-Pause ging das normale Leben in diesem Jahr wieder los . . .

Dietrich: Da kann ich eine positive Bilanz ziehen. Die Weinfeste etwa waren bis auf wenige Ausnahmen sehr friedlich. Die Veranstalter im Zusammenspiel mit den Gemeinden übernehmen inzwischen eine große Verantwortung und machen ihre Hausaufgaben.  

Sie haben vergangenes Jahr Fahrrad-Streifen angekündigt – was ist daraus geworden?

Dietrich: Es gibt inzwischen zwei Fahrräder. Leider fehlt noch die richtige Fahrrad-Bekleidung, es gab da Lieferengpässe. Im Frühjahr wollen wir stärker damit loslegen.

Die Polizei Kitzingen hat neue Diensträder: Zwei Pedelecs stehen ab für Fahrradstreifen zur Verfügung. Im Bild von links:  Anne Aust und Thomas Schneider
Foto: Tabea Goppelt | Die Polizei Kitzingen hat neue Diensträder: Zwei Pedelecs stehen ab für Fahrradstreifen zur Verfügung. Im Bild von links: Anne Aust und Thomas Schneider
Viele Radfahrer sind auf Fußwegen oder gegen Einbahnstraßen unterwegs, es wird gerast – und in der Fußgängerzone steigen auch viele nicht ab. Was tut die Polizei dagegen?

Dietrich: Wir sehen das Problem, in der Unfallstatistik zeigt es sich allerdings nicht. Wir haben alle sechs Wochen ein Gespräch mit dem Ordnungsamt und tauschen uns aus. Zudem sind wir mit Fußstreifen in der Fußgängerzone unterwegs.

Viele haben dort noch nie eine Fußstreife gesehen. Müsste die Polizei nicht dauerhaft präsent sein?

Dietrich: Dass wir dort eine konzertierte Aktion starten müssten, sehe ich nicht. Aber wir wollen mit Beginn der neuen Saison im Frühjahr öfter und genauer hinschauen. Wichtig ist, dass man regelmäßig Kontrollen durchführt und nicht nur einmalige Aktionen.

Sie haben bei Ihrem Amtsantritt den Kampf gegen die Raser hervorgehoben – wie weit sind Sie da?

Dietrich: Dieses Ziel muss man nachhaltig bearbeiten. Wir setzen für dieses Thema Personal und Zeit ein. Das ist mir wichtig, und wir werden weitermachen.

Mehr Tempo 30 in der Stadt – sind Sie dafür?

Dietrich: Das sind ja gesellschaftliche Entwicklungen. Man sieht es auch an der Diskussion zu Tempo 130 auf den Autobahnen. Ich bin überzeugt, dass sich dadurch die Unfallzahlen verringern lassen. So ist es auch mit Tempo 30 in der Innenstadt. Objektiv wird es jedoch nicht für jede einzelne Straße erforderlich sein.

"Es geht eben auch um die Leichtigkeit des Straßenverkehrs."
Polizeidirektor Jochen Dietrich über die Einrichtung von Tempo-30-Zonen
Oft heißt es, wie zuletzt auch im Kitzinger Stadtrat, die Polizei sei gegen Tempo 30 . . .

Dietrich: Das ist so nicht richtig. Zuständig ist nicht die Polizei, sondern die Straßenverkehrsbehörde. Wir werden als Berater gefragt, um beispielsweise das Unfall-Lagebild darzustellen, entscheiden aber nicht. Wir blockieren auch nichts. Wenn wir bewerten und keine objektiven Gründe für eine Geschwindigkeitsbeschränkung feststellen, ist das ja kein generelles Veto. Unsere Aufgabe ist, die Situation neutral darzustellen. Bewerten und umsetzen muss es die Verkehrsbehörde. Ich bin eher für Geschwindigkeitsbegrenzung, wo es möglich ist. Aber es geht eben auch um die Leichtigkeit des Straßenverkehrs.

Gutes Stichwort: Warum klappt diese Leichtigkeit nicht mit der grünen Ampel-Welle auf der B8?

Dietrich: Woran es liegt, weiß ich nicht. Da sitzen Sie im falschen Büro . . .

Wenn es um Rotlichtverstöße an Ampeln geht, sind wir aber richtig. Mittlerweile ist das ein großes Thema. Was machen Sie dagegen?

Dietrich: Die Verkehrsüberwachung im Straßenverkehr gehört zu unseren Aufgaben. Das machen wir, aber natürlich nicht rund um die Uhr. Wir brauchen mehr Einsicht in der Bevölkerung, auch beim Thema Handy am Steuer.

Einsicht ist gut, Kontrolle ist besser: Sind Sie für mehr festinstallierte Blitzer?

Dietrich: Bei Verkehrssicherheit geht es um drei Bereiche. Das eine ist die Aufklärung, um eine Einsicht bei den Leuten zu erreichen. Das zweite ist die Verkehrstechnik: bauliche Maßnahmen wie Kreisverkehre an unfallträchtigen Kreuzungen, aber auch die wachsende Technik in den Autos zur Unfallverhütung. Ich denke da an Abstandswarner oder Spurhalteassistenten. Und dann ist da als Drittes die Verkehrsüberwachung. Manche lassen sich eben nicht durch Aufklärungsarbeit überzeugen – das ist genau unsere Zielgruppe. Zuletzt wurde bei einer Lasermessung einer erwischt, der auf der Nordtangente 111 statt erlaubter 50 km/h fuhr. So jemanden aus dem Verkehr zu ziehen freut mich dann schon. 

Was ist mit der Autotuning-Szene? Ist das im Landkreis ein Thema? 

Dietrich: Die Poser-Szene gibt es. Ein Kollege ist da besonders geschult, wir sind da gut aufgestellt. Seitdem ich in Kitzingen bin, habe ich aber nichts von illegalen Autorennen mitbekommen.

Nächtliche Straßenszene in Kitzingens Oberer Kirchgasse: Hier kommt es vor allem im Sommer immer wieder zu Beschwerden über Lärm.
Foto: Eike Lenz | Nächtliche Straßenszene in Kitzingens Oberer Kirchgasse: Hier kommt es vor allem im Sommer immer wieder zu Beschwerden über Lärm.
Sehen Sie in Kitzingen Problemviertel?

Dietrich: Schwierige Ecken, die ein Kriminalitätsproblem darstellen, sehe ich nicht. Natürlich gibt es Bereiche, auf die wir besonders schauen müssen. Ins Notwohngebiet werden wir immer wieder gerufen, weil es zu Konflikten kommt. Dort hat sich die Situation in den vergangenen Jahren aber deutlich verbessert. In den Sommermonaten geht es in der Stadt generell verstärkt um Ruhestörung, das ist ein Dauerthema. Das sind oft Personengruppen, die durch die Straßen ziehen. Ich kann den Ärger verstehen.

Wie sehr beschäftigt die Polizei die Gemeinschaftsunterkünfte für Asylsuchende? Es sollen fast täglich Streifen dort unterwegs sein.

Dietrich: Das liegt auch daran, dass dort Streifen aus Gründen der Prävention fahren. Es gibt natürlich auch Einsätze, etwa wegen Ruhestörungen, Beleidigungen, Körperverletzungen, eben wegen Streit unter den Bewohnern. Das ist kein schöner Zustand, der aber der Wohnsituation geschuldet ist. Da entstehen Konflikte.

Prävention spielt eine große Rolle – was ist für 2023 geplant?

Dietrich: Pandemiebedingt waren Präventionsveranstaltungen in den Schulen in den letzten Jahren nur sehr eingeschränkt möglich. Hier möchte ich wieder verstärkt ansetzen. Dazu habe ich eine Mitarbeiterin gewinnen können, die sich hauptsächlich um dieses wichtige Thema kümmert. Ich denke da etwa an die Aufklärung von Schülerinnen und Schülern zum richtigen und rechtskonformen Umgang mit dem Handy, um nicht straffällig zu werden. Und um Drogenprävention. Aber auch die Sensibilisierung bei den Senioren für den sogenannten Enkeltrickbetrug oder den Betrug durch falsche Polizeibeamte wollen wir in den Fokus nehmen.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Kitzingen
Eike Lenz
Frank Weichhan
Computerbetrug und Internetbetrug
Diebstahl
Polizei
Polizeidirektoren
Stadt Kitzingen
Straßenverkehrsbehörden
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • p-koch-dettelbach@t-online.de
    Wie man auch auf dem Bild sieht ist die Innenstadt von Kitzingen weitgehend Fussgängerzone. Da fahre ich nur selten mit mehr als 30 km/h durch.
    So viel zur Titelzeile des Artikels, die passt einfach nicht.
    Wie KFZ-Fahrer in Kitzingen an Zebrastreifen Fussgänger berücksichtigen ist übrigens vorbildlich. Da braucht es kein generelles Tempo 30, das passt wie es ist.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • p-koch-dettelbach@t-online.de
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Sehr geehrter "PKD",
    die Kitzinger Innenstadt ist "weitgehend" Fußgängerzone? Diesen Einwand verstehe ich nicht. Die Fußgängerzone erstreckt sich doch nur auf die Markt- und die Herrnstraße. Alles andere ist normaler Straßenverkehr, also zum Beispiel auch die Kaiserstraße oder Schrannenstraße, wo häufig schneller gefahren wird als 30 oder 50 km/h.
    Eike Lenz, Lokalredaktion Kitzingen
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • sabbel
    Der Witz war gut, "die Leichtigkeit des Straßenverkehrs".
    Davon abgesehen, dass der Verkehr in der Kleinstadt Kitzingen bei gelegentlichen Ampelausfällen besser fließt, ist es ein Unding, wenn die Ampeln den kaum vorhandenen Verkehr rund um die Uhr regeln, obwohl es zu gewissen Zeiten so gut wie keinen Straßenverkehr in Kitzingen gibt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten