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Kitzingen
Neuer Brennpunkt nächtlicher Ruhestörung in Kitzinger Altstadt?
Kitzingen kommt nachts nicht zur Ruhe: erst das Gartenschaugelände, nun die Obere Kirchgasse. Bürger beschweren sich, die Stadt verweist an die Polizei. Was steckt hinter den Konflikten?
Nächtliche Straßenszene in Kitzingens Oberer Kirchgasse: Bewohner  der näheren Umgebung beschweren sich in letzter Zeit häufiger über Störung der Nachtruhe.
Foto: Eike Lenz | Nächtliche Straßenszene in Kitzingens Oberer Kirchgasse: Bewohner der näheren Umgebung beschweren sich in letzter Zeit häufiger über Störung der Nachtruhe.
Eike Lenz
 |  aktualisiert: 08.02.2024 19:49 Uhr

Das gelbe Laternenlicht gibt der Gasse einen milden, fast sanften Anschein. Können sich hier, einen Abzweig vom Herzen der Kitzinger Altstadt entfernt, Szenen abspielen, die manche als „wild“, andere als „eklatant“ beschreiben? Szenen, die Anwohnern den Schlaf rauben, zu nächtlichen Polizeieinsätzen führen und einen neuen Brennpunkt in der Stadt kennzeichnen? Die Polizei berichtet von einer Häufung der Fälle. „Hier geht die Post ab“, heißt es aus dem Stadtrat. Und im Rathaus spricht man von einem „Kulturkonflikt“. Was ist los in Kitzingens Oberer Kirchgasse?

Sonntagabend, Ortstermin. Auf der Turmuhr der katholischen Kirche ist es kurz vor 23 Uhr. Die Gasse liegt da wie ein begradigtes Flussbett, hier das leise Rauschen einer Lüftungsanlage, dort ein diffuses Stakkato. Eine Frau um die 80 klackert mit ihrem Rollator die Straße entlang und bleibt schließlich im hellen Spotlicht einer noch geöffneten Pizzeria stehen. Innerhalb weniger Minuten entwickelt sich um den Laden ein vertrauliches Hallo. Zwei junge Mädchen tauchen auf, lachen. Drei, vier jüngere Männer erscheinen, begrüßen die Umstehenden. Der Stimmungspegel steigt, wie in einem Trichter wird der Schall von der engen Gasse weitergetragen. Nach vorne, nach hinten, nach oben.

Der Polizeichef wehrt sich gegen latente Vorwürfe

Der ehemalige Kitzinger Tourismuschef und jetzige Stadtrat Walter Vierrether hat das Thema in die Öffentlichkeit gebracht. In der Ratssitzung Mitte Juli sprach er von nächtlichen Grillpartys, von ruhestörendem Lärm, von entnervten Anwohnern. „Einige Bürger sind nachts sogar zur Polizei runtergefahren und haben sich beschwert. Geändert hat sich nichts.“ Der Kitzinger Polizeichef Markus Hack bestätigt auf Anfrage der Redaktion, dass Bürger auf der Wache gewesen seien. Den unterschwelligen Vorwurf, die Polizei habe nichts unternommen, weist er von sich. „Wir haben Anzeigen erstellt, die ans Landratsamt gehen“, sagt Hack. Dort würden dann Sanktionen wie mögliche Geldstrafen verhängt.

Hack grenzt den problematischen Zeitraum auf die vergangenen zwei, drei Wochen ein, spricht von einem „warmen Wochenende“ und von „mehreren Anzeigen“. Auf Nachfrage beziffert er diese mit „drei, vier oder fünf“, in der Regel „nach 22 Uhr“. Genaueres könne er dazu nicht sagen, ebenso wenig wie zur Qualität der Ruhestörung. Konkreter wird Frank Winterstein vom Sachgebiet 31 der Stadt Kitzingen, zuständig für Sicherheit und Ordnung. „Es geht um nachbarschaftliche Treffen auf der Straße genauso wie um private Geburtstagsfeiern in den Gebäuden“, berichtet Winterstein auf Anfrage. Seit zwei, drei Wochen habe sich das Problem verschärft. Und: „Es scheint sich weiter zu verschlimmern.“

Die Obere Kirchgasse wirkt vergangenen Sonntagabend wie ausgestorben. Aber in den letzten Wochen rückte dort mehrfach die Polizei an.
Foto: Eike Lenz | Die Obere Kirchgasse wirkt vergangenen Sonntagabend wie ausgestorben. Aber in den letzten Wochen rückte dort mehrfach die Polizei an.

Für Winterstein steckt hinter all den Fällen ein „Kulturkonflikt“. Im Bereich der Oberen Kirchgasse leben auf engem Raum Menschen unterschiedlicher Nationalitäten. „Wird es im Sommer abends kühler, beginnt dort das Leben auf der Straße. Manchmal ist dann noch Alkohol im Spiel“, sagt der Mann vom städtischen Ordnungsamt. Der Kontrast wird erst im hellen Tageslicht richtig greifbar. Viele Läden in der Gasse sind dicht. In den Auslagen kann man noch Lampen oder Handys einer vergangenen Ära bestaunen. Im Zentrum der vielen alten, unsanierten Gebäude stand die über Jahrzehnte sich selbst überlassene Industriebrache der Kitzinger Bürgerbräu. Heute ragen dort die „Brauhöfe“ empor – eine schicke, neue Wohnanlage für ein gut betuchtes Klientel, auf das auch der Stadtrat Vierrether verweist: „Die Leute haben sich dort für einige Hunderttausend Euro eine Wohnung gekauft und gedacht, sie hätten ihre Ruhe.“

103 Nationalitäten und ein anderes Verständnis

Astrid Glos ist die Integrationsbeauftragte und neuerdings auch Bürgermeisterin der Stadt. Sie kennt die Menschen hinter abgetakelten Fassaden wie in der Oberen Kirchgasse. Zu einigen ihrer Zöglinge ist das Vertrauen so groß, dass Glos von ihnen mit „Mama“ angesprochen wird. „Meine 103 Nationalitäten“, so sagt sie, „haben ein anderes Verständnis von Bewegung im Außenbereich. Da trifft man sich abends und unterhält sich mit Händen und Füßen.“ Was hier noch liebevoll klingt, wandelt sich im nächsten Satz in eine mütterliche Mahnung. „Wir müssen den Leuten sagen, dass wir bestimmte Regeln haben.“ Nachdem das schon mehrfach geschehen sei, will Glos anregen, spätabends mit Polizei und Oberbürgermeister durch die Obere Kirchgasse zu streifen, wie sie es neulich am Gartenschaugelände taten, und die Leute persönlich anzusprechen. Hilft auch das nichts, könnte es die Stadt mit gezielten Anschreiben versuchen. Wenn die Situation eskaliere, sollten sich Betroffene nicht scheuen, die Polizei zu verständigen.

Die schicke neue Wohnanlage der Kitzinger Brauhöfe grenzt unmittelbar an die Obere Kirchgasse.
Foto: Siegfried Sebelka | Die schicke neue Wohnanlage der Kitzinger Brauhöfe grenzt unmittelbar an die Obere Kirchgasse.

Das ist auch der Rat, den OB Stefan Güntner und Sachgebietsleiter Winterstein Anwohnern geben. Mehr, so heißt es unisono, könne die Stadt nicht tun, da die Fälle sich zu Zeiten ereigneten, in denen die Stadtverwaltung nicht besetzt sei. Winterstein sagt: „Ich sehe für die Stadt keine Möglichkeit, hier etwas zu unternehmen. Wenn wir tätig werden sollen, müssten wir schon die tatsächlichen Verursacher kennen.“ Die Polizei behilft sich in Fällen von Ruhestörung mit einem Eskalationsmodell, wie Inspektionsleiter Hack erklärt. In einem ersten Schritt werden Anrufer ermuntert, selbst das Gespräch mit dem Lärmverursacher zu suchen. Bleibt das erfolglos, komme eine Streife vorbei, die erst einmal den Lärmpegel ermittle, ehe sie sich zu erkennen gibt. Oft helfe es, mit den Leuten zu reden. Eine Anzeige gebe es beim ersten Mal nicht.

Nur selten muss die Polizei zu drastischeren Maßnahmen greifen, etwa indem sie die Musikanlage beschlagnahmt oder – wenn es gilt, eine Feier im Freien aufzulösen – einen Platzverweis ausspricht. Letztes Mittel gegen notorische Ruhestörer sei, diese in Gewahrsam zu nehmen. „Wir fangen immer mit der niedrigsten Stufe an, damit wir Möglichkeiten zur Steigerung haben“, sagt Hack. „In vielen Fällen ist Einsicht da.“ Im Kitzinger Stadtrat warf Timo Markert die Frage in den Raum, ob man in der Oberen Kirchgasse nicht einmal Wildkameras aufhängen könne, um Verstöße aufzuzeichnen. Der OB verwies auf den Datenschutz und stellte fest: „Wild kommt da normalerweise nicht vorbei.“

 
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Kommentare
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  • H. Z.
    "...bei Ruhestörung versucht es die Polizei mit einem Esklationsmodell....". Besser wäre allemal ein "Deesklationsmodell".
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  • R. R.
    Wie gefangen ist deutsches Recht wenn man solch ein Problem der Anwohner nicht lösen kann.
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  • H. F.
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