Ein Start in Corona-Zeiten – der neue Kitzinger Polizeichef versucht, das Beste daraus zu machen. Wie hat er sich eingelebt nach fast 100 Tagen? Jochen Dietrich erklärt, warum der neue Job keine Durchgangsstation für ihn ist, was einen guten Polizisten ausmacht, warum er bei Rasern ganz genau hinschaut, weshalb gerade Dienst-Fahrräder bestellt werden – und warum er keine deutschen Krimis schaut.
Frage: Wir haben ein paar Kinder-Fragen gesammelt, mit denen wir gerne loslegen würden. Nummer eins: Wie schnell fährt ein Polizeiauto?
Jochen Dietrich: Die Polizeiautos sind ganz normale Modelle – also etwa bis 230.
Haben Sie schon mal ein Knöllchen bekommen?
Dietrich: Ja, habe ich. Ein Parkverstoß.
Wann darf die Polizei schießen?
Dietrich: Kindgerecht würde ich es so sagen: nur dann, wenn es um mein Leben oder das Leben anderer geht. Aber es gibt natürlich noch ein paar andere Regeln.
Letzte Kinderfrage: Haben Sie schon mal jemanden festgenommen?
Dietrich: Ja, das dürfte inzwischen sogar eine dreistellige Zahl sein. Eine Festnahme darf man ja nicht nur in Verbindung mit Raub oder ähnlichem sehen. Sie sind fast schon Alltag.
Sie sind fast 100 Tage im Amt – wie haben Sie sich in Kitzingen eingelebt?
Dietrich: Ich bin hier auf hochmotivierte Mitarbeiter getroffen. Alles etwas erschwert haben natürlich die Corona-Maßnahmen. Das Abkapseln macht ein Zusammenwachsen nicht leichter. Ein Einstand war unter den Umständen auch nicht möglich. Aber unter den gegebenen Umständen bin ich sehr zufrieden. Ich bin gut aufgenommen worden. Kurz gesagt: eine erste sehr positive Bilanz. Ich fühle mich hier sehr wohl.
Der bisher aufregendste Tag in Kitzingen?
Dietrich: Grundsätzlich war die Amtseinführung ein besonderer Tag. Ich durfte sehr viele neue Menschen kennenlernen. Wenn man so will, war aber jeder Tag ein besonderer Tag. Weil ich immer etwas Neues mitbekommen habe und ich die Kollegen jeden Tag ein Stück näher kennenlernen konnte.
Bei Ihrer Amtseinführung haben Sie gesagt: "Ich bin gekommen, um zu bleiben." Zuletzt gab es ja einige Wechsel an der Spitze der Kitzinger Polizeiinspektion. Wie ernst ist der Satz gemeint?
Dietrich: Genau so, wie ich ihn gesagt habe. Das hier ist die erste Dienststelle, die ich eigenständig leite. Das bringt Verantwortung für den ganzen Landkreis mit sich. Für mich ist das ein sehr attraktives Tätigkeitsfeld. Ich werde demnächst zum Polizeidirektor befördert. Bis ein nächster Schritt kommen könnte, dauert es vorneweg fünf bis sieben Jahre. Das liegt also noch in weiter Ferne.
Zuletzt hat die Kontinuität gefehlt – war das ein Problem?
Dietrich: Ich glaube prinzipiell, dass ein gewisser Wechsel immer mal gut ist. So kann auch Neues entstehen. Aber eine gewisse Kontinuität ist genau so wichtig. Nachdem es zuletzt häufige Wechsel gegeben hat, ist jetzt die Zeit der Kontinuität.
Wie sieht diese Kontinuität aus, wenn sie mit Leben erfüllt wird?
Dietrich: Natürlich habe ich eine Führungsphilosophie. Die muss aber erst wachsen – durch Erfahrung, durch Vertrauen und durch Leben. Das hier zu etablieren ist mein Anspruch.
Von außen nimmt man in der Inspektion einen großen Umbruch war, es gibt augenscheinlich sehr viele junge Kollegen. Wie würden Sie den Ist-Zustand beschreiben?
Dietrich: Ich kann über diesen Umbruch nach nur zwei Monaten wenig sagen. Aber prinzipiell gibt es Dienststellen, die älter sind und sich dann innerhalb kürzester Zeit verjüngen. Das habe ich auch schon ein paar Mal erlebt. Es gibt ein Für und Wider. Schön ist es, wenn es eine gute Mischung aus erfahrenen und jungen Kolleginnen und Kollegen gibt. Das sehe ich hier auch, insgesamt aber sind wir tatsächlich eine eher jüngere Dienststelle. Zumal gerade die geburtenstarken Jahrgänge nach und nach in den Ruhestand gehen.
Was macht einen guten Polizisten aus?
Dietrich: Ich war ja sieben Jahre in der Ausbildung tätig und habe daran aktiv mitgewirkt. Es gibt da mehrere Säulen. Zunächst muss man Recht und Gesetz richtig anwenden und auch verhältnismäßig vorgehen. Wir brauchen gute körperliche Voraussetzungen, also eine gewisse Leistungsfähigkeit. Ganz wichtig auch: die soziale Kompetenz. Du musst mit dem Gegenüber gut kommunizieren können und erkennen, wo beispielsweise deeskaliert werden kann.
Wann wussten Sie: Ich werde Polizist! War das früh klar?
Dietrich: Gewusst habe ich das erst im letzten Realschul-Jahr. Bis zum Schluss war ich sehr unschlüssig. Bei meinem Sohn sehe ich das übrigens gerade auch wieder. Letztlich wurde ich bei Einstellungsberatungen in der Schule auf den Beruf aufmerksam. Ich wusste damals aber nicht, was auf mich zukommt. Die Polizei kannte ich nur aus Krimi-Serien. Weil ich erst 16 war, war ich elf Monate Praktikant bei der Polizeistation Uffenheim, wo ich aufgewachsen bin. Da habe ich den eigentlichen Alltag kennengelernt. Da hat sich meine Einstellung gefestigt, dass mir der Beruf Spaß machen könnte.
Apropos Krimi-Serien: Welche Krimis gucken Sie?
Dietrich: Über eine Viertelstunde komme ich bei deutschen Krimis nicht hinaus. Deswegen kann ich gar nicht sagen, ob es gute Serien gibt. Meine Freizeit verbringe ich gerne mit anderen Dingen. Wenn ich Krimis gucke, ziehe ich nämlich immer Vergleiche – das ist dann oft wenig unterhaltsam.
Wie viele Berufsjahre sind bei Ihnen inzwischen zusammengekommen?
Dietrich: Ich bin seit 1988 bei der Polizei, also 34 Jahre.
Kurz zusammengefasst: Wie hat sich die Polizeiarbeit in dieser Zeit verändert?
Dietrich: Sie ist professioneller geworden. Lagearbeit, Statistik, Controlling – das macht alles effizienter. Natürlich ist vieles auch wesentlich komplexer geworden. Als ich eingestellt wurde, gab es einen Neuigkeitsbericht, damit die Ablösung gesehen hat, was passiert ist. Der wurde mit der Schreibmaschine geschrieben. Das Ganze kam in einen Ordner. Wenn etwas recherchiert werden musste, hat man die Ordner durchgeschaut. Dann kamen schnell die PC und die Digitalisierung. Unheimlich, was da alles passiert ist. Heute haben wir Smartphones mit eigenen Apps und eigenem Messenger. Inzwischen gibt es eine Owi-App, da kann man digital Verkehrsverstöße anzeigen. Das ist eine rasante Entwicklung – und für die Kollegen oft auch eine Herausforderung.
Die Haltung gegenüber der Polizei ist kritischer geworden – woran liegt das?
Dietrich: Bei der älteren Generation war sicher noch ein gewisses Obrigkeitsdenken verankert. Wenn der Staat etwas gesagt hat, war das so – meist ohne Diskussion. Das hat sich – zurecht – gewandelt. Es ist wichtig, dass man über gewisse Dinge auch diskutiert. Ein gutes Beispiel sind die Bürgerinitiativen und die Bürgerbegehren, das gab es früher in dieser Form nicht. Das hat auch Auswirkungen auf die Polizeiarbeit. Wir müssen heute mehr erklären – und tun das auch gerne.
Inzwischen geht es mitunter über die kritische Haltung hinaus. Stichwort: Angriffe auf die Polizei, die manche scheinbar als Feind sehen?
Dietrich: Gegen jemanden vorzugehen, der helfen will – und da beziehe ich Rettungsdienst und Feuerwehr explizit – mit ein, nur weil er eine Uniform trägt, finde ich schäbig. Es liegt sicher auch viel am Alkoholeinfluss und an Drogen. Die Zunahme tätlicher Angriffe macht mir Sorge.
Es gibt umgekehrt auch den Wunsch aus der Bevölkerung, dass die Polizei wieder präsenter werden sollte. Sehen Sie das auch?
Dietrich: Ich glaube schon, dass es für das Sicherheitsgefühl wichtig ist, dass wir als Polizei wahrgenommen werden. Dass wir an Brennpunkten sind. Es ist entscheidend, dass sich die Bürger überall sicher fühlen können, egal wo sie hinwollen. Es geht dabei nicht nur um die objektive Sicherheit, sondern auch um das Sicherheitsgefühl. Die Polizei muss hier wahrnehmbar sein.
Was also tun?
Dietrich: Wir werden beispielsweise verstärkt zu Fuß unterwegs zu sein. Wir wollen außerdem Fahrradstreifen einführen. Dazu gehört natürlich auch der direkte Kontakt zu den Kommunen. Das vernetzte Arbeiten ist wichtig.
Thema Verkehr. Sehen Sie hier ein Problem in Kitzingen. Beispielsweise rücksichtsloses Parken oder bei Rot über die Ampel?
Dietrich: Ich würde das so pauschal nicht unterschreiben. Ein kleiner Teil der Verkehrsteilnehmer ist vielleicht selbstherrlich unterwegs. Der Großteil fährt aber vernünftig und hält sich an die Regeln. Raserei ist etwas, das ich schon immer mit Nachdruck verfolgt habe. Ich war bei einigen tödlichen Verkehrsunfällen dabei. Das Leid der Angehörigen vergisst man nicht. In Ansbach auf der B 13 habe ich als junger Polizeidienstanfänger Mitte der 90er Jahre bei erlaubten 100 einen mit 190 erwischt – schön, so einen aus dem Verkehr ziehen zu können. Ich werde auch in Kitzingen verstärkt ein Auge darauf haben. Geschwindigkeitsüberwachung gerade an Unfallschwerpunkten ist wichtig.
Wird also künftig mehr gelasert und geblitzt?
Dietrich: Weniger sicher nicht. Das gilt auch für Alkohol- und Drogenfahrten.
Die berühmte Frage nach der Sicherheitslage im Landkreis - würden Sie eine Schulnote geben?
Dietrich: Eine Note würde ich nicht geben wollen. Aber ich kann sagen: Kitzingen ist ein sicherer Landkreis.
Thema Umzug der Polizeiinspektion: Wann wird es so weit sein?
Dietrich: Nach meinem Kenntnisstand sind fünf Jahre realistisch, bis wir einziehen können.
Wie sehen Sie den Umzug generell? Es geht vor die Tore der Stadt . . .
Dietrich: Es gibt Vor- und Nachteile. Natürlich ist eine Inspektion mitten im Herzen der Stadt schön. Die Wege sind kürzer zur Stadt und zum Landratsamt. Andererseits: Einen Neubau kann man zielgerichtet planen. Wir können uns einbringen, wie es werden soll. Zudem dürfte in den Marshall Heights die Parkplatzsituation für die Mitarbeiter etwas entspannter sein. Das wirkt sich dann sicher auch positiv auf die Arbeitszufriedenheit aus.