Seine letzte Nachtschicht vor wenigen Tagen ist genau so gelaufen, wie er es sich gedacht hat. Kaum hatte Axel Goller als einer der ältesten Dienstgruppenleiter der Kitzinger Polizei die Kollegen für die Nacht eingeteilt, ging es auch schon los. Einsätze und Telefonanrufe ohne Ende. Zeit für ein bisschen Wehmut bei den diensthabenden Beamten "seiner Dienstgruppe" gab es nicht. Nie hat Goller geklagt, dass es zu viel wird. "Ich hatte bei der Berufswahl nur auf ein Pferd gesetzt: die Polizei! Und ich habe es unterm Strich bis heute nicht bereut."
40 Jahre Dienst also. 1980 begann der gebürtige Kitzinger bei der örtlichen Polizei, als "Polizeipraktikant", noch keine 18 Jahre alt. Goller wollte so die Zeit zwischen dem Schulabschluss und der Einstellung bei der Bereitschaftspolizei überbrücken. Nach einigen Jahren Ausbildung ging es zurück zur Kitzinger Polizeiinspektion. Dort blieb er. Bis zu seiner Pensionierung. Nur mit einer Unterbrechung, wegen eines Kommissarlehrgangs.
Die Achtung vor der Polizei war schon einmal höher
Wenn der 59-Jährige zurückschaut, hält er sich zurück mit einer Aussage nach dem Motto "Früher war alles besser". Klar: "Die guten alten Zeiten waren gut, aber sie sind lange her. Sie waren anders, der damaligen Zeit halt entsprechend." Was die Ausrüstung angeht, seien sie schlechter gewesen als heute. Was die Achtung und den Respekt vor diesem anspruchsvollen Beruf betrifft, waren sie laut Goller besser. Überhaupt die Achtung und der Respekt.
Der erfahrene Polizist sorgt sich wegen der zunehmenden Gewalt gegen Polizeibeamte. Natürlich greife die Justiz bei der Strafzumessung "höher ins Regal". Aber immer öfter seien die Täter "psychisch belastet" und somit schuldunfähig. "Viele wissen von vorneherein, dass ihnen nicht viel passiert, da sie ja krank seien."
Zwei spektakuläre Einsätze hatte Goller in seiner Dienstzeit, die ihn in Lebensgefahr brachten. Einmal, als sie nach einem Einbrecher fahndeten und ihn festnehmen konnten. Der Mann hatte unter dem Arm ein in Stoff eingewickeltes Gewehr und schoss dabei auf die Polizisten. Die Schüsse gingen knapp daneben, zum Glück. Das zweite Mal, als sie in eine Kitzinger Spielothek gerufen wurden. Dort angekommen, schleuderte ihm ein Betrunkener einen Aschenbecher gegen den Kopf. Goller ging mit schweren Kopfverletzungen zu Boden.
Seine Schusswaffe habe er nie einsetzen müssen, erzählt Goller. "Aber die Hand am Abzug hatte ich schon öfter." Der Kommissar ist sich sicher, dass er, wenn es erforderlich gewesen wäre, auch geschossen hätte. "Dazu muss man in der Lage sein, und wir haben das auch permanent geübt."
Fragt man ihn, ob er jemals Angst hatte, fällt die Antwort eindeutig aus: "Nein". Eher "mulmige Gefühle" und Sorge um die Gesundheit seiner ihm zugeteilten Kolleginnen und Kollegen. "Wenn du bei völliger Dunkelheit in deinem Einsatzgebiet die Orientierung verlierst, wird´s dir schon etwas anders", sagt er. Goller kann eine Litanei von Polizeigeschichten erzählen. Von Festnahmen vieler Einbrecher und ganzer Banden bis zur Sicherstellung mehrerer Kilos Rauschgift.
Legendär auch die Einsätze in den 1990er-Jahren mit der amerikanischen Militärpolizei (MP). "Wir fuhren gemischte Streifen mit der MP. Eine wunderbare Sache." Über ein Ereignis schmunzelt er noch heute: Ein Einbrecher trat bei seiner Flucht vor der Polizei in einen Hundehaufen. Danach versteckte er sich in einer Halle. "Wir mussten nur der Nase nachgehen", sagt der Kommissar, "so gestunken hat es dort!" Was folgte war die schnelle Festnahme des Täters.
Todesnachrichten zu überbringen gehörte zu den Belastungen des Jobs
Natürlich gab es auch Belastendes und Schlimmes: wenn er tödliche Unfälle protokollieren oder Todesnachrichten überbringen musste. "Ich habe aufgepasst, dass da nichts bei den jungen Kollegen hängen geblieben ist. Danach haben wir immer darüber geredet. Reden hat befreit – und macht einen stark beim nächsten ähnlichen Einsatz."
Goller erinnert sich an eine bewegende Geschichte: Nach einem belastenden Ereignis habe ihn ein junger Kollege einfach still umarmt und gesagt, dass es ihm jetzt besser gehe. Auch so etwas gibt es bei der Polizei. Goller beschreibt seinen Posten als Dienstgruppenleiter als "unglaublich anstrengenden und anspruchsvollen Job". Er sieht sich als Bindeglied zwischen der Führung und der Mannschaft. "Das ist wie Champions League spielen – mit fast 60 Jahren!"
Mit seiner Pensionierung verlässt Goller auch seine Heimatstadt
Nun aber ist Schluss. Definitiv! Goller wird auch seine Heimatstadt Kitzingen verlassen und zu seiner Lebensgefährtin aus einem angrenzenden Bundesland ziehen. Das sei aber absolut kein "Blick zurück im Zorn", wie er betont. "Die Zeit ist eben gekommen." Und noch etwas will er zum Schluss loswerden: dass die Herausforderungen des Alltags nur durch die "gute und fruchtbare" Zusammenarbeit mit den Ämtern und Behörden zu meistern waren.
Zehn "Chefs" hat er bei der Kitzinger Polizei erlebt. Seinen letzten, Polizeidirektor Jochen Dietrich, schätzt er besonders. Der habe immer gute Ideen und Pläne, was auch die hohe Leistungsfähigkeit der Dienststelle belege. "Ich hoffe, das bleibt so!"