Es ist der Aufbruch in schwindelnde Höhen: Nach 2017 und 2018 kratzt die Stadt Iphofen mit ihrem Haushalt erneut am Gipfel der 50 Millionen Euro. Genau sind es 50,85 Millionen Euro. Das ist ein sattes Plus von 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Wie erklärt sich dieser Sprung? Und droht der Stadt auf dem Weg zum Gipfel die Luft auszugehen? Eine Annäherung an den Haushalt 2023 in fünf Etappen.
1. Was ist das Besondere am Iphöfer Haushalt 2023?
Nicht das 3,7-Prozent-Plus im Verwaltungshaushalt kann angesichts der steigenden Personal- und Energiekosten überraschen. Die Mehrausgaben von einer Million Euro im Vergleich zu 2022 bewegen sich im üblichen Rahmen. Verwundert reibt man sich die Augen beim Blick auf den Vermögenshaushalt, der sämtliche Investitionen der Stadt deckt. Um satte 36,5 Prozent ist sein Volumen gewachsen: von 16,4 auf 22,4 Millionen Euro.
Das ist selbst für eine Stadt, die immer noch zu den finanzkräftigsten in Bayern gehört, eine ungewöhnlich hohe Steigerung – und dies in Zeiten, in denen anderswo eher der Rotstift angesetzt wird. Dass Stadtkämmerer Günther Schell bei derlei Zahlen nicht schwindelig wird, liegt daran, dass auch diesmal kaum alle im Etat gelisteten Projekte umgesetzt werden. Es wird also nur ein Teil der Ausgaben kassenwirksam. Die Hoheit über jedes einzelne Projekt liegt nach wie vor beim Stadtrat.
2. Welche großen Projekte will die Stadt in diesem Jahr anpacken?
Weder die auf 18 Millionen Euro taxierte Weinbergsbewässerung noch der mindestens sechs Millionen Euro teure Neubau des Hallenbads tauchen im aktuellen Haushalt auf. Dafür geht es um kostenträchtige Hoch- und Tiefbauvorhaben wie die Erweiterung des Industriegebiets Alte Reichsstraße für 2,3 Millionen Euro, die Erschließung von 22 neuen Bauplätzen im Gebiet Ost IV für 1,8 Millionen Euro oder den Ausbau der B286 in Birklingen für rund zwei Millionen Euro. Der Bau der Photovoltaikanlagen auf den Dächern von Schule und Sporthalle, inklusive Trafo und Speicher, steht mit 1,6 Millionen Euro in den Büchern. Hinzu kommen die vor dem Abschluss stehenden Hochbauprojekte in Nenzenheim (Umbau eines Dreiseithofs zu Wohnungen) und Mönchsondheim (Umbau und Erweiterung der Museumsgaststätte). Für die Sanierung des katholischen Pfarrhauses in Iphofen muss die Stadt 615.000 Euro aufwenden.
3. Woher kommt das Geld, um all die Wünsche zu finanzieren?
Bis auf wenige Ausnahmejahre hat sich die Stadt immer auf ihren potentesten Steuerzahler verlassen können: den Baustoffkonzern Knauf. Er hat Iphofen dank seiner Gewerbesteuermillionen über die vergangenen drei Jahrzehnte Wohlstand beschert – in Spitzenjahren um die 20 Millionen Euro. Selbst in Durchschnittsjahren sind es mittlerweile zwischen zehn und zwölf Millionen Euro. Für 2023 kalkuliert der Kämmerer mit 11,5 Millionen Euro. Dagegen wirken die voraussichtlich drei Millionen Euro aus der Einkommensteuerbeteiligung schon beinahe bescheiden.
Schlüsselzuweisungen, wie sie die meisten Kommunen vom Freistaat als Beihilfe erhalten, bekommt Iphofen aufgrund seiner Finanzkraft längst nicht mehr. Gerade hat der Kämmerer für 2022 einen Etatüberschuss von vier Millionen Euro bilanziert. Würden alle im Haushalt genannten Projekte umgesetzt, müsste die Stadt nicht nur 1,8 Millionen Euro Kredite aufnehmen, sondern sich auch mit vier Millionen Euro aus der Rücklage bedienen. Zu beiden Szenarien wird es vermutlich nicht kommen.
4. Wo stecken die Risiken im Etat, und wie baut die Stadt ihnen vor?
Die hohen Gewerbesteuereinnahmen sind für Iphofen zweifellos ein großer Segen, aber immer auch ein bisschen Fluch. Denn zum einen wecken sie Begehrlichkeiten, zum anderen schaffen sie Abhängigkeiten. Behalten darf die Stadt immer nur einen Teil des Geldes, und das Schicksal hängt eben stark an der Performance des Global Players Knauf. Das spürt die Stadt vor allem bei der Kreisumlage, die immer auf Basis des vorletzten Haushaltsjahres berechnet wird. Hat die Stadt also 2022 üppige Steuern kassiert, muss sie 2024 entsprechend zahlen, auch wenn sie in diesem Jahr nur wenig Geld einnehmen sollte.
Puffern soll diese Gefahr die Rücklage. Deshalb hat sich der Stadtrat – noch unter der Ägide seines langjährigen Mitglieds Baldwin Knauf – eine Selbstverpflichtung auferlegt: Zwölf Millionen Euro soll die Reserve nicht unterschreiten, um auch bei größeren Steuerausfällen liquide zu sein. Ende 2022 lag sie bilanziell bei 12,4 Millionen Euro. Bei der Kreisumlage, die jede Kommune an den Landkreis zu entrichten hat, steht für 2023 eine Erhöhung um dreieinhalb Zähler im Raum. Jeder Punkt mehr kostet Iphofen gut 162.000 Euro.
5. Was sagen Bürgermeister und Stadtkämmerer zum Haushalt 2023?
Der gelernte Bankbetriebswirt Dieter Lenzer, seit Mai 2020 Iphofens Bürgermeister, warnt im aktuellen Umfeld vor weiteren Kreditaufnahmen. Für den größten Teil ihrer aktuellen Schulden, nämlich 3,5 von 4,6 Millionen Euro, zahlt die Stadt genau 0,0 Prozent Zinsen. Momentan aber ziehen die Zinsen deutlich an.
Auch Kämmerer Günther Schell spricht mit Blick auf die großen Infrastrukturprojekte wie Hallenbad oder Weinbergsbewässerung und Unwägbarkeiten wie Ukraine-Krieg, Inflation und Energiekosten von Risiken. "Eine weitere Verschuldung ist vor dem Hintergrund der dauernden Lasten, die die Finanzierung mit sich bringt, kritisch zu betrachten." Lenzer schwört die 5000 Bürgerinnen und Bürger wie sein Vorgänger Josef Mend darauf ein, Maß und Mitte zu halten: "Nicht jeder Wunsch ist erfüllbar."