Als es noch keine Corona-Pandemie gab, war es guter Brauch in Iphofen, erst den Haushalt zu verabschieden und einige Tage später in der Bürgerversammlung die wichtigsten Projekte des Jahres vorzustellen. Selten vergaß der Bürgermeister bei dieser Gelegenheit, auf zwei Dinge hinzuweisen: das Dauerübel des allseits verstreuten Hundekots in der Stadt und dass das hier kein Wunschkonzert sei. Maßhalten lautete die stete Devise, die Stadt bei allem augenscheinlichen Wohlstand nicht überfordern.
Auch jetzt hat Bürgermeister Dieter Lenzer, ein gelernter Banker, wieder eine Botschaft gesendet, die stark an die Appelle seines Vorgängers Josef Mend erinnerte, nur halt nicht in der Bürgerversammlung, sondern am Montagabend in der Sitzung des Stadtrats. „Auch wir als Stadt Iphofen müssen auf jeden Euro schauen“, so Lenzer, „auch wir können uns nicht alles leisten.“ Das Bild von Iphofen als Krösus, der jeden Wunsch erfüllt: Fast täglich müsse er gegen diese öffentliche Wahrnehmung ankämpfen. Was aber kann sich die Stadt in nächster Zeit leisten? Wo lauern die Tücken im Haushalt? Und welche Projekte will sie als nächstes anpacken? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Reicht es wieder zu einem Rekordhaushalt?
Stattliche Haushalte sind in Iphofen Programm – dank dem größten Gewerbesteuerzahler Knauf. Er trägt der Stadt regelmäßig zweistellige Millionenbeträge ein, in guten Zeiten auch schon mal 20 Millionen Euro oder mehr. Im Jahr 2017 summierte sich das Haushaltsergebnis auf 53,3 Millionen Euro, ein Jahr später waren es immerhin noch gut 51 Millionen Euro. Mit dieser Steuerkraft belegt Iphofen einen Spitzenplatz in Bayern. Dieses Jahr kalkuliert Stadtkämmerer Günther Schell mit 43,85 Millionen Euro, nicht rekordverdächtig, aber für eine Stadt mit 5000 Einwohnern immer noch stattlich.
Welche Tücken und Fallstricke birgt der Etat?
Es gibt ein beliebtes Bild in der Beziehung zwischen der Stadt und ihrem größten Steuerzahler: Wenn Knauf röchelt, bekommt Iphofen Husten. Diese Gefahr besteht immer, wenn die Solvenz einer Stadt so eng an ein einziges Unternehmen geknüpft ist wie hier. Wirklich schlechte Geschäftszahlen sind bei Knauf zwar so häufig wie Gipsfunde auf dem Mond, also nicht bekannt. Aber es gibt auch andere geschäftliche Risiken und Einflüsse, unter denen ein Weltkonzern steht und die er in der Regel gegenüber dem Finanzamt geltend machen kann. Das mindert das Geschäftsergebnis und letztlich die Gewerbesteuerzahlungen. Solche Effekte haben im vergangenen Jahr dazu geführt, dass die Stadt rund 6,2 Millionen Euro an Steuern samt Zinsen zurückzahlen musste – ein staatlicher Betrag, selbst für Iphöfer Verhältnisse.
Wo setzt die Stadt in diesem Jahr ihre Schwerpunkte?
Bürgermeister und Kämmerer haben deutlich gemacht, dass es vorrangig darum geht, begonnene Projekte zu vollenden. Das gilt für den Um- und Anbau der Museumsgaststätte in Mönchsondheim, die Schaffung sozialen Wohnraums in Nenzenheim, die Verwandlung des Kaufhauses Stöhr in ein Genusshaus oder die Erweiterung der Iphöfer Kita St. Barbara. Größere neue Vorhaben sollen zunächst nicht angepackt werden. Trotz spürbarer Zurückhaltung kommt die Stadt auf ein Investitionsprogramm von rund 16,4 Millionen Euro. Es reicht von 5000 Euro für den Kauf von Tempomessgeräten bis zu 1,1 Millionen Euro für die Erschließung des Baugebiets Ost IV. Die Sanierung des Hallenbads taucht im aktuellen Haushalt nur mit einem Betrag von 80 000 Euro auf, da es zunächst um die Planung geht.
Was hat es mit einer ominösen Selbstverpflichtung auf sich?
Seit mehreren Jahren taucht im Haushalt der fast beschwörerische Appell auf, die Rücklagen bei mindestens zwölf Millionen Euro zu halten. Dieser reicht auf eine Forderung des damaligen Stadtrats Baldwin Knauf zurück. Knauf, ein von Sparsamkeit und Weitsicht getriebener Geschäftsmann, hatte nicht nur die große Schwankungsbreite bei der Gewerbesteuer im Blick, sondern auch das Szenario eines Totalausfalls. In diesem Fall müsste die Stadt – zur Vermeidung von Krediten – tief in die Rücklage greifen, um zumindest ihre Pflichtzahlungen leisten zu können. Die Kreisumlage, die jede Kommune an den Landkreis zu entrichten hat, ist dabei der größte Brocken; sie bemisst sich immer am vorletzten Haushaltsjahr der Stadt. Für 2022 muss Iphofen gut 7,3 Millionen Euro an den Kreis abführen, im letzten Jahr waren es nur 3,2 Millionen. Die Rücklagen hatten Ende 2021 einen Stand von 13,3 Millionen Euro erreicht.
Warum hat eine Stadt wie Iphofen Millionen auf dem Konto und trotzdem Schulden?
Die Pro-Kopf-Verschuldung in Iphofen liegt derzeit bei knapp unter 1000 Euro – das ist deutlich mehr als der bayerische Durchschnitt von 580 Euro, und damit stellt sich die Frage: Warum hat eine wohlhabende Stadt wie Iphofen überhaupt Schulden? Mit den Krediten bedient die Stadt hauptsächlich Wohnbauprojekte, die über landesweite Förderprogramme laufen und Kreditaufnahmen ausdrücklich vorsehen. Der Zinssatz für diese Darlehen: 0,0 Prozent. Auf der anderen Seite stecken die Rücklagen der Stadt zum Teil in langfristigen Anlagen, die immer noch gut verzinst sind. Es ergäbe also wenig Sinn, diese Guthaben aufzulösen und dafür auf Kredite mit geringer oder null Zinslast zu verzichten.
In einer früheren Version des Artikels wurde die Pro-Kopf-Verschuldung in Bayern mit 2810 Euro angegeben. Diese Zahl gilt aber für die Schulden des Freistaats und den Vergleich der Bundesländer. Im Vergleich der bayerischen Kommunen lag die durchschnittliche Pro-Kopf-Verschuldung Ende 2021 bei 580 Euro. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.
Interessant ist auch wie relativ wenig Gewerbesteuer die Stadt Ochsenfurt von der Südzucker bekommt. Da sind die Gesamtgewerbesteuereinnahmen deutlich geringer,als das was alleine Knauf bezahlt. Und die Zuckerfabrik belastet die Infrastruktur deutlich stärker als es Knauf in Iphofen tut. Man müsste ernsthaft darüber nachdenken, ob Fabriken, die die Umwelt so in Anspruch nehmen, wie es eine Zuckerfabrik in OCH tut, nicht Ausgleichsabgaben an die umliegenden Gemeinden zahlen sollte.
Und ein direkter (Umwelt)-Vergleich mit Knauf ist auch schlecht möglich. Wer weiss, wie das neue Bergwerk hinter Würzburg die Trinkwasserversorgung tangiert