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Volkach
Heavysaurus-Musiker Philipp Klinger: "Ob dick, dünn, Drache oder Helene Fischer, in der Dino-Welt sind alle gleich"
Der 33-jährige Sommeracher spielt in einer Metal-Band für Kinder. Im Interview spricht er über die Magie von Märchen, kindgerechten Umgang mit dem Tod - und mega Kaugummis.
Hat ein Herz für Kinder: Der Sommeracher Philipp Klinger spielt in der Dino-Metal-Band Heavysaurus.
Foto: Patty Varasano | Hat ein Herz für Kinder: Der Sommeracher Philipp Klinger spielt in der Dino-Metal-Band Heavysaurus.
Michi Bauer
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:15 Uhr

Rock und Heavy Metal dröhnen durch den Saal. 1000 oder auch ein paar mehr Kinder ab drei, vier Jahren aufwärts kreischen, hüpfen, tanzen. Die fünf Musiker sind grau-braun-grün gescheckt und haben riesige Augen. Willkommen auf einem Heavysaurus-Konzert!

Bei Heavysaurus, dem 2017 gestarteten deutschen Ableger eines finnischen Band-Projekts,  dreht sich alles um Rockmusik für Kinder. Die Legende erzählt: In einem Land, in dem Tag und Nacht ein halbes Jahr lang sind, sterben alle Dinosaurier. Nur unter dem magischen Berg Wizzard Mountain bleiben vier Eier unversehrt. Nach Millionen Jahren, einem Meteoriteneinschlag und einem Zauberspruch der Hexe Rupuliina erwachen das "Mädchen" Milli Pilli sowie die "Jungs" Muffi Puffi, Komppi Momppi und Mr. Heavysaurus gemeinsam mit dem Drachen Riffi Raffi zum Leben.

Einen der fünf Heavysaurus-Charaktere verkörpert ein Musiker aus Sommerach (Lkr. Kitzingen): Philipp Klinger ist Komppi Momppi. 

Der 33-Jährige ist Lehrer an den Musikschulen in Volkach und Würzburg, saß mit sechs Jahren das erste Mal am Schlagzeug, moderierte bis 2019 das Festival-Radio in Wacken, spielte in zahlreichen Metal-Bands und ist aktuell Drummer unter anderem bei The New Black. Gebucht wurde Klinger auch schon als Gast-Musiker für Bands wie Corvus Corax und für das Rock-meets-Classic-Projekt des Würzburger Veranstalters Manfred Hertlei. Seit 2017 rockt er bei Heavysaurus, um die 100 Shows spielt er pro Jahr. 

Am Samstag, 3. Februar, tritt die Band zur kinderfreundlichen Zeit um 17 Uhr in der Würzburger Posthalle auf. Vorab sagt der Schlagzeuger, warum er gerne im Dino-Kostüm auf die Bühne kommt und die Musik keine Altersgrenzen kennt.

Vier Dinos und ein Drache: Heavysaurus mit Schlagzeuger Philipp Klinger (links).
Foto: Jens Vetter | Vier Dinos und ein Drache: Heavysaurus mit Schlagzeuger Philipp Klinger (links).
Servus, Komppi Momppi.

Philipp Klinger: Die Begrüßung kommt tatsächlich vor. Wir nehmen nach einem Konzert auch mal die Masken ab. Und wenn mich später jemand irgendwo dann ohne Kostüm erkennt, heißt es schon mal: "Hi, Komppi Momppi. Wir haben uns da und da gesehen, mein Kind ist totaler Fan."

Und was heißt Komppi Momppi?

Klinger: Gar nichts, ein reiner Fantasiename. 

Hört sich nach sehr viel Fantasie an. 

Klinger: Absolut. Aber nicht von mir, sondern von den Finnen, die das Ganze 2009 erfunden haben. Ein paar Heavy-Metal-Musiker wollten Rockmusik mit Texten für Kinder machen. Und weil Kinder Saurier cool finden, haben sie die Saurier-Kunstfiguren entwickelt und sich lustige Namen ausgedacht. Jetzt bin ich halt der deutsche Komppi Momppi.

Und Ihre Kinder freuen sich, den Papa Komppi Momppi rufen zu dürfen?

Klinger: Ich habe keine.

Woher wissen Sie, was Kinder hören wollen?

Klinger: Mein komplettes Berufsleben dreht sich um Kinder. Ich bin Musiklehrer und Schlagzeuglehrer. Die Pädagogik hilft, auch gesunder Menschenverstand. Und meine Bandkollegen haben ja Kids. Man kann das auch ohne Kinder schon ganz gut machen.

Die Musik von Heavysaurus klingt ziemlich erwachsen und anspruchsvoll. Wie macht man gute Rockmusik für Kinder?

Klinger: Ich glaube, man sollte gar nicht unterscheiden zwischen Musik für Erwachsene und für Kinder. Musik ist Musik. Musik ist Kultur. Sie ist auch Ausdruck von Globalisierung. Wir hören in Europa ähnliche Musik wie in Amerika. Es ist auch weniger eine Frage der handwerklichen Umsetzung. Allerdings sind wir Fünf und auch unsere Stellvertreter allesamt Profis, einige haben Musik studiert. Wir wollen eine gute musikalische Umsetzung bei Live-Konzerten garantieren. Und mit unseren Texten wollen wir eine Botschaft vermitteln.

Echt? Durch einen Text wie: "Kaugummi ist mega"?

Klinger: Okay, das ist unser Hit. Einfach nur Spaß.

"Kinder werden unschuldig geboren. Sie kennen keinen Rassismus. Sie werden von uns Erwachsenen kaputt gemacht."
Heavysaurus-Schlagzeuger Philipp Klinger  
Die Bildsprache klingt wie im Märchen: "Plötzlich geht der Mund auf, eine Blase kommt hervor. Du bleibst dran hängen und du steigst mir ihr empor."

Klinger: Ja, eine schöne Erzählform. In unserem Song "Das letzte Mammut" schläft das Tier am Schluss ein und stirbt. Wir befassen uns kindgerecht mit dem Tod und einem persönlichen Verlust. Eine Erfahrung, die auch für Kinder extrem schwer ist. Wir wollen Kindern verdeutlichen, wie es trotzdem weitergeht. Märchen sind ihnen als Erzählform bekannt. Das macht es einfacher. 

Klingt trotzdem traurig.

Klinger: Tatsächlich gab es schon Eltern, die uns geschrieben haben, dass sie mit den Kindern raus gegangen sind, weil die Kleinen so geweint haben. Wir haben das Lied inzwischen aus dem Live-Programm genommen. Es gibt ja genug andere ernste Themen. Wie den Umweltschutz. In "Retter der Welt" wollen wir Kindern zeigen, dass wir, wenn wir alle zusammenhalten, etwas schaffen können. Oder in "Dino Metalheads", dass jeder Mensch wertvoll ist und man sich nicht verändern muss. Kinder werden unschuldig geboren. Sie kennen keinen Rassismus. Sie werden von uns Erwachsenen kaputt gemacht. In unserer Dino-Welt sind alle gleich. Egal, ob dick, dünn, Drache oder Helene Fischer.

Apropos Helene Fischer. Fühlt Ihr Euch als Missionare, die verhindern wollen, dass Kinder an den Schlager verloren gehen?

Klinger: Na, vielleicht nicht ganz Missionare. Wir wollen Zugang zu Musik verschaffen und dem Liveerlebnis als Kulturgut. Wo die Kinder landen, ist eigentlich egal. Es wäre schön, wenn Kinder aus dem Konzert kommen und freiwillig ein Instrument lernen wollen. Das mit Helene Fischer ist nur ein Running Gag. In jedem Konzert sagen wir den Eltern: "Wir wollen verhindern, dass eure Kinder irgendwann Helene Fischer hören." Ist aber nicht böse gemeint.

Können Kinder überhaupt realisieren, welche Musik gut gemacht ist?

Klinger: Kinder erkennen, ob man sich Mühe gibt. Mimik oder Augenkontakt wären wichtig, aber das geht in unseren Kostümen ja nicht. Wir versuchen zu animieren: dass die Kinder rufen, springen, klatschen. Kinder nehmen einen Gesamteindruck mit. Wenn eine Familie zu uns kommt, ist es unsere Mission, Spaß zu vermitteln. Rein musikalisch verwenden wir Power-Metal-Elemente, aber auch Orchestrales oder auch mal ein richtig hartes Gitarrenriff. So richtig ab gehen Kinder jedoch bei Spaßnummern wie unserer Version der "Fliegers". 

Die Drumsticks sind auch im Hauptberuf sein Handwerkszeug: Philipp Klinger ist Musiklehrer.
Foto: Patty Varasano | Die Drumsticks sind auch im Hauptberuf sein Handwerkszeug: Philipp Klinger ist Musiklehrer.
Wie darf man sich das vorstellen? Headbangen und die "Pommesgabel", den Metal-Gruß, zeigen?

Klinger: Da ist alles dabei. Das geht schon mit dem Betreten der Halle los. Wir haben da schummriges Licht an. Die große Bühne, die glänzenden Instrumente, die Technik, das alles beeindruckt. Das erhöht die Spannung. Dann kommen die Dinos raus. Dann ist erst einmal großes Hurra, da wird geschrien. Läuft die Musik, gibt's tatsächlich ein paar Coole mit "Pommesgabel", andere hüpfen einfach im Takt, manche staunen auch nur. Gelegentlich helfen wir nach mit der "Rakete", wo alle schreien und trampeln müssen. 

Hartes Brot für viele Eltern in den hinteren Reihen - vermutlich überwiegend Rocker und Metaller?

Klinger: Gar nicht mal. Da gehen auch Mamas und Papas hin, die mal was anderes hören wollen als Rolf Zuckowski. Aber klar, auch Metal-Fans. Weil die wissen: Wenn mein Kind was mag, dann mag es das so richtig. Und dann läuft zu Hause Heavyraurus, also Rock - und das ist für sie erträglicher als 25 Mal am Tag "Bi-Ba-Butzemann".

Sie stecken im üppigen Kostüm: Was macht das Dino-Kostüm eigentlich mit Ihnen?

Klinger: Es verändert wirklich die Wahrnehmung. Wenn als Letztes der Helm drauf kommt, bin ich Komppi Momppi, rede den gleichen Stuss wie er und tauche in die Welt ein. Nur: Dazu muss man auch ein Stück weit selbst Kind geblieben sein.

Nach den Konzerten geht's in die Halle zu den Kindern - Meet and Greet. Von Rockstars wollen die Fans Autogramme und Selfies. Von Euch Dinos auch? 

Klinger: Wir nehmen uns eine Stunde Zeit, jedes Kind bekommt einzeln sein Foto. Die Bilder sind jedoch mehr für die Eltern. Die Kinder wollen nur Dinos sehen.  

Und wollen die kleinen Plüsch-Dinos haben, die es neben dem üblichen Merchandise-Kram zu kaufen gibt. Kein schlechtes Gewissen, den Kids das Taschengeld abzuknöpfen?

Klinger: (lacht) Wir knöpfen ja den Eltern das Geld ab. Nein, Spaß beiseite. Klar sind die Eltern die monetäre Zielgruppe. Wenn wir auf ganz normalen Metal-Festivals spielen, machen wir die Erwachsenen aufmerksam, damit sie mit ihren Kindern mal zu uns kommen. Und das finde ich allemal besser, als wenn sie für noch mehr Geld Videospiele kaufen und die Kleinen den halben Tag vor dem Bildschirm sitzen. Wie gesagt: Bei uns gibt's Kultur. Und Spaß. Und Dinos.

 
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