Bang your Head. Drei Worte, die eine ganze Szene wunderbar auf den Punkt bringen. „Quiet Riot“ packen sie in den Refrain der Single „Metal Health“ und landen 1983 einen Chart-Erfolg – nicht eben alltäglich für ihre Musik: den Heavy Metal, zu wild, zu laut, zu extrem. Und doch faszinierend. Heute schockt's keinen mehr. 40 Jahre Heavy Metal – der härtere Hardrock hat sich etabliert.
Von Anfang an dabei ist Jörn Bächer. Ozzy Osbourne oder „AC/DC“ – angefangen hat's dezent. Inzwischen ist's heftiger geworden, dröhnen „Endstille“ oder „Dimmu Borgir“ aus den Boxen. „Seit ich den Platten meiner Eltern entfliehen konnte, höre ich Metal“, sagt der 48-jährige Würzburger. Und warum? „Es ist die Power der Musik. Das ist was anderes als Schlager.“ Den vorsichtigen Einwand, man könne möglicherweise auch beides hören, weist Bächer entrüstet von sich: „Ich nicht.“ Einmal Metal, immer Metal also.
Nun, „Quiet Riot“ sind längst gegangen. Geblieben ist das Headbangen, dieses wilde Schütteln des Kopfes, das Mediziner den Kopf schütteln lässt. Auch wenn die langen Haare, so (noch) vorhanden, längst nicht mehr nur zum klassischen Schwermetall fliegen, wie ihn Mega-Stars wie „Judas Priest“, „Iron Maiden“ oder „Guns 'n' Roses“ bis in die Hitparaden gebracht haben. Kaum eine andere Musik kennt so viele Subgenres wie der Metal. Knackig-erdigen Hardrock und Heavy Metal gibt's schon noch, aber auch melodischen Power Metal, turboschnellen Thrash Metal, aggressiv-martialischen Death Metal, heidnisch-misantropischen Black Metal, folkloristischen Pagan Metal, melancholischen Doom Metal, und und und. Gelegentlich wird diabolisch getextet, doch nur seltenst dem Teufel gehuldigt. Stimmlich geht's vom klassischen Gesang bis zu Geschrei und Growls. Growls? Na ja, nennen wir's mal halbwegs Tonleiter-sicheres Grunzen. Das ist recht beliebt im punklastigen Hard- und Metalcore, der jugendlichsten Metalnische – auch wieder mit etlichen, teils brachialen Spielarten. Kaum zu glauben, dass sich da eine gemeinsame Basis findet. Tut es aber: Abgrundtief spinnefeind sind sich nämlich selbst grelle Achtziger-Jahre-Poser und pechschwarze Extrem-Deather nicht. Hauptsache es scheppert – die Basis.
Eine Basis, die sich in immer mehr und immer größeren Metal-Festivals niederschlägt, weltweit und gerade auch in Deutschland. „Wir wollen mit einer Show beeindrucken, aber wir wollen auch, dass sich das Publikum selbst beeindruckt“, erklärt „Moonspell“-Sänger Fernando Ribeiro den perfekten Gig. „Die Magie des Heavy Metal ist das kollektive Erleben, die Begeisterung.“ Das vielleicht berühmteste Metal-Festival ist das „Wacken Open Air“, kurz „W:O:A.“, im 1800-Einwohner-Nest Wacken, droben in Schleswig Holstein. 1990 war's eine Spinnerei für 800 Insider, 2012 kommen 80 000 Fans am ersten Augustwochenende. Schon ist – typisch deutsch – die Rede von der Kommerzialisierung, schon geht die Angst um, es könnten sich dort bald genauso viele Teilzeit-Metaller herumtreiben wie alle zwei Jahre bei Fußballgroßereignissen auf Partymeilen. Das hört „W:O:A.“-Manager Thomas Jensen, der vor 22 Jahren das Ding zusammen mit Kumpel Holger Hübner auf die Beine gestellt hat, gar nicht gern. „Natürlich nehmen wir am wirtschaftlichen Kreislauf teil. Und Geld verdienen ist ein notwendiges Übel, gegen das ich nichts habe“, sagt der 46-Jährige. „Aber die Liebe zur Musik ist wichtiger. Die entscheidende Frage für Musiker wie Veranstalter ist: Muss ich mich verbiegen, um Einnahmen zu erzielen?“ Für sich kann Jensen das mit „Nein“ beantworten. Da legt Simon Metzger die Stirn in Falten. Klar sei Wacken für ihn und seine Band „Sasquatch“ der Traum schlechthin, auch ein Ticket hat der Würzburger Gitarrist für 2012 ergattert. „Aber da sind schon auch Leute, von denen man nicht erwartet, dass sie auf einem Metal-Festival sind“, übt der Mitzwanziger seichte Kritik. „Echten Metallern missfällt das, wenn da Leute nur zum Partymachen und Saufen hinkommen.“ Ähnlich wie Bächer genießt nämlich auch Metzger das „Relaxte“ auf solchen Open Airs. Metal-Fans sind viel pflegeleichter als es ihre schwarzen Klamotten und Nietengürtel rüberbringen.
„Es ist die Brutalität, mit der sich Wut so gut kanalisieren lässt.“
Der Würzburger Simon Metzger über die Musik seiner Death-Metal-Band „Sasquatch“
Krawalle? Fehlanzeige. „Uns geht es auf einem Festival um Gemeinschaft mit Gleichgesinnten“, so Metzger, der seine Death-Metal-Band zusammen mit Bruder und Bassist Markus gegründet hat. Und warum Death Metal? „Es ist die Brutalität dieser Musik, mit der sich Wut gut kanalisieren lässt.“ Brutalität? Wut? „Es geht um Wut auf gesellschaftliche Missstände. Wir sagen, was uns nicht passt. Aber wir gehen nicht auf die Straße und schlagen jemanden zusammen, ganz im Gegenteil.“ Auch sei diese Botschaft wichtiger als Erfolg. Dennoch sind „Sasquatch“ mit den Kollegen von „Kain“ oder „Der Weg einer Freiheit“ aktuell Aushängeschild der hiesigen Szene. Eine Szene, die hier genauso erst wieder wachsen muss wie weltweit. „In den Neunzigern war Rockmusik in den Augen der Mehrheit was für die Ewiggestrigen“, erinnert sich Jensen. Metal, Rock oder Punk – ausverkauft, stehen geblieben, die Musik nicht länger Medium jugendlicher Rebellion. Dann kommt der Wandel in der Musiklandschaft. Das Internet löst die CD ab, Liveauftritte gewinnen an Bedeutung zurück. Vielleicht ein Segen für den Rock, der viel mehr auf der Bühne zu Hause ist als elektronische Musik. „Livemusik hat wieder einen Stellenwert, Festivals können eine Bandkarriere fördern“, freut sich der Wacken-Macher, erkennt aber das Risiko: Schon springen wieder rein profitorientierte Veranstalter auf den Zug, wollen ihren Happen vom fetter werdenden Metal-Kuchen.
„Da wink' ich ab“, kann auch Karl Dill nichts anfangen mit Mega-Festivals, die, kaum ins Leben gerufen, schon Zigtausende Fans anlocken. „Extremefest“, „Metalfest“, „Devil Side“ – neben den etablierten Events wie „Summerbreeze“, „Partysan“ oder „With Full Force“ verliert man rasch den Überblick. „Ich schaue halt, wer spielt da und wer ist Veranstalter“, so der Organisator des „Eisenwahn“-Festivals in Obersinn. „Doch nur wenige merken den Unterschied, ob eine große Agentur die Besetzung bestimmt, oder ein kleiner Veranstalter Bands zusammentrommelt.“ Das „Eisenwahn“ gehört zweifelsfrei und wohltuend in letztere Kategorie. 2004 ging's mit 300 Zuschauern los, als Dill, 16 Jahre jung, mit den Kumpels von den Motorsportfreunden Sinngrund einen Testballon steigen ließ. Spaß hat's gemacht. Und so knieten sich die Freizeit-Musikagenten rein und holten Jahr für Jahr immer mehr Szenegrößen ins fränkisch-hessische Grenzgebiet – vornehmlich aus dem Brutal- und Death-Genre. „Diesen Weg haben wir eingeschlagen, jetzt setzen wir ihn auch fort“, so Dill, der es selbst eher gemäßigt-metallisch mag. 2011 waren die brasilianischen Thrasher „Sepultura“ ein Schmankerl, heuer wird es am letzten Juli-Wochenende an der Seite der kanadischen Deather „Kataklysm“ erstmals massentauglicher mit Heavy-Legenden wie „Grand Magus“ oder „Rage“ – die 3000er-Zuschauer-Marke soll halt fallen, mehr sei nicht geplant. „Es ist ein Versuch“, weiß Dill auch um den selbst auferlegten Kommerzverzicht.
Es ist nun mal eine Gratwanderung für alle Beteiligten, Heavy Metal populär zu machen, ohne ihn zu verramschen. Wer könnte davon besser ein Liedchen pfeifen als die „Scorpions“. Im Ausland gelten die Hannoveraner noch als Metaller, in der Heimat werden sie seit „Wind of Change“ belächelt. 2012 stehen sie ein letztes Mal auf der „Wacken“-Bühne. „Eine Ehre“, betont Jensen – und hofft auf die viel zitierte Toleranz der „Metal-Heads“.
Metallischer Festival-Sommer
Juli
13. bis 14.: „Bang your Head“ in Balingen (Sabaton, Edguy, Venom, Thin Lizzy, u.a.)
20. bis 22.: „Devil Side Festival“ in Oberhausen (Amorphis, Doro, Legion of the Damned u.a.)
20./21.: „Queens of Metal“ in Steinbach (Pain, Powerwolf, Grave Digger, Varg, Exodus u.a.)
27./28.: „Eisenwahn“ in Obersinn (Grand Magus, Kataklysm, Triptykon, Rage u.a.)
August
2. bis 4.: „W.O.A.“ in Wacken (Volbeat, Amon Amarth, Scorpions, In Flames u.a.)
9. bis 11.: „Partysan“ in Schlotheim (Sodom, Immortal, Tankard, Insomnium, u.a.)
15. bis 18.: „Summerbreeze“ in Dinkelsbühl (Amon Amarth, Within Temptation, Subway to Sally, Sepultura, Paradise Lost u.a.)