
Sie ist eine, die ihres Beinamens, verliehen von den Medien, auch nach 40 Jahren auf der Bühne nicht überdrüssig ist: Doro Pesch, die "Queen of Metal". Die 58-jährige Düsseldorferin wurde Anfang der 80er Jahre bekannt als Sängerin der Heavy-Metal-Band Warlock, startete 1988 ihre Solokarriere und lebt heute vorwiegend in den USA. Sie schaut immer wieder mal in der Region vorbei, zuletzt 2016 bei Rock meets Classic in Würzburg und 2019 in Wertheim. Am 16. Juli tritt sie im Rahmen der Kulturtage auf Gut Wöllried in Rottendorf bei Würzburg auf - bereits mit einigen neuen Songs der im Oktober erscheinenden Platte ("Conquerers forever strong and proud") im Gepäck.
Das Interview wurde geführt, bevor die Anschuldigungen gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann bekannt wurden. Eine nachträgliche Frage dazu konnte Doro Pesch wegen der laufenden Tour-Termine aus Zeitgründen nicht mehr beantworten.
Doro Pesch: Absolut. Ich hatte damals einen amerikanischen Gitarristen, den Joey, kennengelernt und habe ihm von Deutschland erzählt. Von der ersten Tour nach Ungarn. Wir hatten den Kofferraum voll mit Schallplatten, die haben sie uns an der Grenze abgenommen. Oder davon, dass wir nicht einfach in der DDR spielen durften. Für Joey nicht nachvollziehbar. In den USA gab es damals unendliche Freiheit. Heute kann ich Gott sei Dank überall touren. Auch in der Ukraine. Ich habe dort genauso Freunde wie in Russland. Ich kenne einen russischen Gitarristen, seine Frau ist Ukrainerin, sie haben ein Baby. Sie haben um ihr Leben gebangt, sind jetzt in Deutschland. Der Krieg ist so schrecklich. Der Refrain des Songs hat heute eine ganz andere Bedeutung. Wir spielen ihn aktuell immer.
Pesch: Menschen sind so negativ geworden. Sie verbreiten Hass in den Kommentarspalten im Internet. Solche Diskussionen hatten wir früher nicht, weil es diese Flut an Kommunikationsmöglichkeiten nicht gab. Man konnte vielleicht einen Leserbrief schreiben. Ich kann es nicht nachvollziehen, wie schlecht die Band abgeschnitten hat, weil Song und Show gut waren. Noch weniger, wenn sie jetzt mit Hass und Spott überzogen werden. Auf meinen Touren erlebe ich das in keinem anderen Land. Man ist eigentlich überall stolz auf seine eigenen Acts. Warum können wir in Deutschland nicht hinter unseren Künstlern stehen?
Pesch: Ich denke nicht. Ich erlebe im Zusammenhang mit Diversität nur Gutes. Ich habe Fernsehformate gemacht mit Conchita Wurst und Ricardo Simonetti. Die waren phantastisch, so lieb, so eloquent, so positiv. Als Hardrock-Musikerin in den 80er Jahren weiß ich, was es heißt, schräg angeschaut zu werden. Wir sollten in unserer Welt doch einfach alle zusammenhalten. Jeder Mensch sollte wissen, was das Gute ist. Die Welt braucht Herz, Liebe, Kreativität.

Pesch: In der Metal-Szene definitiv nicht. Im Gegenteil: Die Musik hat mich gerettet.
Pesch: Ja. Zwischen Kind und Jugendliche habe ich sexualisierte Gewalt kennengelernt. Da sind mir schlimme Dinge widerfahren, ich bin froh, dass ich sie gut überlebt habe. Ich hatte, selbstverständlich von meinen Eltern abgesehen, kein gutes Umfeld. Den Eltern wollte ich mich aber nicht anvertrauen. Ich wollte ihnen nicht noch mehr aufbürden, sie haben praktisch Tag und Nacht gearbeitet im Transportunternehmen meines Vaters. Vor allem mit 14, 15 war es eine harte Zeit. Kurz darauf hatte ich meine erste Band, und alles wurde gut. Ich fühle mich in der Metal-Szene beschützt. In dem Song "Revenge" habe ich die Zeit, in der ich Federn gelassen habe, aufgearbeitet. Meine Rache hatte nichts mit Gewalt zu tun. Ich wollte es allen zeigen und mich durchsetzen.
Pesch: Oh, ja, Pantera. Ich war geschockt. In der Band steht mit Zakk Wylde ja einer der besten Gitarristen der Welt. Ich kenne ihn und glaube nicht, dass er irgendwie komisch drauf ist. Da werden mitunter auch Dinge unnötig aufgebauscht. Klar, was Phil Anselmo gemacht hat, war nicht gut. Aber ich glaube, ganz viele Fans hätten Pantera gerne gesehen. Letztlich kann ich beide Seiten verstehen. Dass wir in Deutschland sensibler sein müssen mit dem Thema, ist logisch. Aber es war eine harte Entscheidung. Andere Bands werden ausgeladen, weil sie sich in der Corona-Diskussion positioniert haben, andere, weil sie pro Trump waren. Man treibt halt gerne immer eine neue Sau durchs Dorf.
Pesch: Weil unsere erste Regel ist: Wir machen alles möglich, auch wenn es unmöglich scheint. Ich lebe für Musik. Ich bin die Chefin im Team. Zuverlässigkeit ist für mich wichtig. Wenn gerade einer nicht kann, muss ein anderer einspringen. Kriegen wir gerade keinen Tourbus, nehmen wir eben Mini-Vans. Kein Bock - das gibt es bei mir nicht. Die, die Tag und Nacht für die Musik ackern, überleben. Auch wenn wir alles etwas runterfahren. Vieles ist zu kommerziell geworden. Für mich würde es auch kleiner gehen. Ich brauche keine großen materiellen Dinge. Ich habe keine Kinder. Ich lebe nur für den Metal.
Doro Pesch tritt am Sonntag, 16. Juli (18.30 Uhr) im Rahmen der Kulturtage auf Gut Wöllried in Rottendorf auf. Informationen und Tickets unter www.kulturtage-gut-woellried.de