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Kitzingen
Energiekrise und Inflation in der Klinik Kitzinger Land: "Es wird fürchterlich!"
Die hohe Inflation macht auch dem Kitzinger Kreiskrankenhaus zu schaffen. Bei den Energiekosten hat das Klinikum Glück. Noch! Doch der Ausblick des Vorstands ist düster.
Thilo Penzhorn ist seit zehn Jahren Vorstand des  Kitzinger Krankenhauses.
Foto: Thomas Obermeier | Thilo Penzhorn ist seit zehn Jahren Vorstand des  Kitzinger Krankenhauses.
Julia Lucia
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:20 Uhr

Seit zehn Jahren ist Thilo Penzhorn nun Vorstand der Klinik Kitzinger Land. Entwickelte sich das Kreiskrankenhaus in den ersten Jahren unter seiner Leitung stets positiv, ging es in den vergangenen drei Jahren recht turbulent zu. Als hätte die Corona-Pandemie nicht gereicht, machen jetzt hohe Inflation und Energiepreise der Klinik zu schaffen. Penzhorn rechnet für das Jahr 2022 mit einem Defizit von ein bis zwei Millionen Euro. Und nächstes Jahr könnte es noch deutlich höher ausfallen. 

Wie heizt das Kitzinger Krankenhaus?

Das Kitzinger Krankenhaus heizt mit Gas und Öl. "Wir haben glücklicherweise kurz vor Kriegsausbruch unsere Öltanks vollgemacht", sagt Penzhorn – 80.000 Liter Öl für etwa  120.000 Euro. "Hackschnitzel haben wir geprüft, weil wir ja mitten im Gehölz sind", sagt Penzhorn. "Aber technisch ist das wegen der Hanglage des Kesselhauses nicht möglich." Aktuell prüft die Klinik, ob Flüssiggas eine weitere Alternative sein könnte.

Die Klinik Kitzinger Land leidet unter der hohen Inflation und den steigenden Energiekosten. 
Foto: Julia Lucia | Die Klinik Kitzinger Land leidet unter der hohen Inflation und den steigenden Energiekosten. 

„So fürchterlich viele Möglichkeiten haben wir nicht“, gesteht Penzhorn, denn alternative Energien wie Photovoltaik oder Solar sind für das Krankenhaus nicht vorgesehen. Der Vorstand begründet das mit den Fördervorschriften bei öffentlichen Bauten. "Die Pläne zu Sanierung und Umbau wurden 2009 eingereicht", erklärt der 60-Jährige. "Photovoltaik war damals nicht vorgesehen, weil keiner die Bedarfsnotwendigkeiten gesehen hat." Bei den Plänen fürs neue Bettenhaus, die nächstes Jahr eingereicht werden, werde das sicherlich anders aussehen. 

Wie sieht es mit der Stromversorgung der Klinik aus? 

Bis Ende 2022 hat das Krankenhaus einen Vertrag, der 2020 abgeschlossen wurde, und somit einen festen Preis. Ein neuer Vertrag wurde europaweit ausgeschrieben und Penzhorn rechnet damit, dass die Vertragsverhandlungen Mitte Dezember abgeschlossen sein werden. "Hätten wir das mit dem Ukraine-Krieg gerochen, hätten wir einen Zehn-Jahre-Vertrag gemacht", sagt Penzhorn. Geplant ist nun, nur einen Jahresvertrag auszuhandeln. "Kann aber auch ein Fehler sein", so Penzhorn, der mit einem extremen Anstieg der Kosten rechnet. "Es wird fürchterlich", ist er sich sicher.

Die Zentralsterilisation der Klinik Kitzinger Land verbraucht sehr viel Energie.
Foto: Daniela Röllinger | Die Zentralsterilisation der Klinik Kitzinger Land verbraucht sehr viel Energie.

Was sind die größten Stromfresser der Klinik?

An erster Stelle steht die Kälte-, Klima-und Lüftungsanlage. Danach kommen die medizinischen Geräte in den Abteilungen Röntgen, Zentralsterilisation sowie Herzkatheterlabor und auf dem dritten Platz die Beleuchtung und EDV aufgrund des 24-Stunden-Betriebs.

Wie spart die Klinik Energie ein?

Sicherlich könne man etwas Strom sparen, aber "dass Sie einen großen Dampfer auf einen anderen Kurs bringen, ist nicht möglich", sagt Penzhorn. "Da muss man schon realistisch bleiben." Vor manchen Tipps, die, wie er sagt, "sonst unter Haushaltstipps laufen", wird in den Krankenhäusern gewarnt. Beispiel Brauchwasser: Bakterien fühlen sich im lauwarmen Milieu wohl. Sinkt also die Temperatur des Wassers, ist die Verkeimung höher. Keine gute Idee bei Patientinnen und Patienten, bei denen das Immunsystem ohnehin geschwächt ist.  

Auch weniger Nachtlicht ist in Krankenhäusern nicht ratsam. Penzhorn verweist auf die Arbeitsstättenverordnung und andere Vorschriften. Gerade ältere Menschen hätten Angst vor Treppen oder auch ins Bad zu gehen, wenn es zu dunkel ist. "Wir sind in erster Linie unterwegs, Menschen wieder gesund zu machen. Energiesparen lag bislang nicht auf unserer Agenda", erklärt Penzhorn. "Für uns ist wichtig, dass wir im Winter nicht frieren und dass während der Operation das Licht nicht ausgeht."

Bereitet sich die Klinik Kitzinger Land auf einen Blackout vor?

Penzhorn stellt klar, dass "Leib und Leben nicht bedroht sind". Das Notstromaggregat läuft mit Heizöl und bis es innerhalb von Sekunden anläuft, sind die Geräte abgepuffert. Das gilt im OP ebenso wie für lebenswichtige Maschinen wie Beatmungsgeräte. In "Kriegsumständen oder bei Energieknappheit" würden wie unter Pandemie-Bedingungen alle planbaren operativen Eingriffe verschoben werden.

Großeinsatz der Feuerwehren aus Kitzingen, des BRK und des THW  an der Klinik Kitzinger Land im Januar 2022. Solche aktuellen Vorfälle werden genutzt, um sich auf den Katastrophenfall wie einen Blackout vorzubereiten.
Foto: Feuerwehr Stadt Kitzingen | Großeinsatz der Feuerwehren aus Kitzingen, des BRK und des THW  an der Klinik Kitzinger Land im Januar 2022.

In der Klink gibt es einen Arbeitskreis für Katastropheneinsatz-Planung. Er nimmt Vorfälle wie zum Beispiel die Dehnungsfugenbrände durch die Baumaßnahmen im Januar zum Anlass, um Fehler zu identifizieren und zu beheben. Vor kurzem sprach die Klink mit dem Energieversorger LKW, wie die Versorgung laufen würde. Krankenhäuser gelten als kritische Infrastruktur und werden prioritär versorgt. "Wir setzen uns mit der Problematik auseinander, aber den konkreten Unglücksfall können wir nur erahnen", sagt Penzhorn. Mit den 80.000 Litern Heizöl könnte die Klinik den Betrieb einen Monat lang aufrechterhalten.

Auch Medikamente wurden deutlich teurer. Wie ist die Lage im Kitzinger Krankenhaus? 

Die Preise für Medizinprodukte sind um 15 Prozent nach oben geschnellt. Das heißt für das Krankenhaus, dass es dieses Jahr etwa 200.000 Euro mehr für Medikamente ausgeben muss als 2021. Als Beispiel nennt Wirtschaftsleiter Dieter Zängler ein Medikament zur Blutdrucksenkung, dessen Preis von 2,50 auf 37,50 Euro gestiegen ist. 

Die Preise für Medikament sind extrem gestiegen. Das Kitzinger Krankenhaus wird dieses Jahr etwa 200.000 Euro mehr für Arzneien ausgeben als im Jahr zuvor.
Foto: Anand Anders | Die Preise für Medikament sind extrem gestiegen. Das Kitzinger Krankenhaus wird dieses Jahr etwa 200.000 Euro mehr für Arzneien ausgeben als im Jahr zuvor.

Bei den Medizingeräten ist die Lieferzeit auf ein halbes Jahr gestiegen. Im vergangenen Jahr waren es noch vier bis sechs Wochen. Der Markt entwickelte sich zu einem Anbietermarkt. "Jetzt nimmt man das, was man bekommt", erklärt Penzhorn. Das gelte auch für gewisse Wirkstoffe. "Versuchen Sie mal, Dolorminsalbe für Kinder in einer normalen Apotheke zu bekommen", erklärt Penzhorn. Das Kitzinger Krankenhaus bekommt immerhin noch alles, was es braucht. 

Wie wirkt sich die Inflation bei Verpflegung und der höhere Mindestlohn bei Dienstleistungen aus?

Das Kitzinger Krankenhaus zahlt tariflich und lag deswegen schon immer über dem Mindestlohn. Das Mittagessen, das geliefert wird, wurde im November um zwölf Prozent teurer. Frühstück, Abendessen und Salate macht die Klinik noch selbst. "Da kostet für uns natürlich auch alles mehr", erklärt Wirtschaftsleiter Zängler. Besonders die Preise für Milchprodukte sind nach oben gegangen.

Welche Verbesserungsvorschläge hat Penzhorn?

Penzhorn ist für einen Inflationsausgleich für Krankenhäuser, wie ihn die Deutsche Krankenhausgesellschaft seit Sommer fordert. Er erklärt, warum der nötig ist: "Ein Bäcker hätte theoretisch die Möglichkeit zu sagen, dass ein Brötchen jetzt 90 statt 30 Cent kostet. Ein Krankenhaus kann eine Leistenbruchuntersuchung nur mit Fallpauschale abrechnen wie vor dem Krieg." Mittlerweile hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach schnelle und umfangreiche finanzielle Hilfen in Milliardenhöhe für deutsche Krankenhäuser zugesagt.

Laut Penzhorn helfen die angekündigten Maßnahmen aus Berlin – wie Tagesbehandlung ohne Klinikübernachtung – den wenigsten Kliniken, die drängenden finanziellen Probleme zu lösen. Er erklärt: Während der Pandemie gab es weniger stationäre Fälle und auch aktuell sind sie noch rückläufig. Die Krankenhäuser versorgten so jährlich durchschnittlich rund 20 Prozent weniger Patienten als 2019. Das bedeutete 20 Prozent weniger Einnahmen für die Kliniken bei gleichzeitig steigenden Kosten. 2021 und 2022 gab es Ausgleichszahlungen. "Für 2023 wird es keine Ausgleiche mehr geben, was für die Klinken ein großes Problem sein wird", sagt Penzhorn.

Wo drückt bei der Finanzierung noch der Schuh?

Neben der Inflationsproblematik und den Problemen durch die Pandemie, sieht Penzhorn auch Schwierigkeiten bei den Vorhaltekosten. Die Kliniken werden nur dafür vergütet, wenn sie einen Patienten behandeln, obwohl sie genau wie die Feuerwehr oder die Polizei immer zugegen sein müssen. Das bedeutet hohe Kosten, wenn beispielsweise ein Notfall zu behandeln ist und rund um die Uhr das ganze Jahr jemand für diesen Notfall da sein muss. Überträgt man dieses  Finanzierungssystem auf die Polizei oder auf die Feuerwehr, ergibt das folgendes Bild: Es gibt nur Geld, wenn der Dieb gefasst wurde oder das Feuer gelöscht ist.

Wie sieht das Jahr 2022 wirtschaftlich für die Klinik aus?

2021 hat das Krankenhaus noch positiv abgeschlossen, für 2022 ist ein negatives Ergebnis geplant. Penzhorn rechnet mit ein bis zwei Millionen Euro Defizit. Über viele Jahrzehnte hinweg hatte die Klinik immer ausgeglichene oder positive Ergebnisse. Penzhorn macht sich Sorgen fürs nächste Jahr: "Da wird es deutlich schlechter werden – wenn sich politisch nichts ändert." Immerhin beruhigt es, dass die Kitzinger Klinik als ein Kommunalunternehmen nicht insolvent gehen kann. Aber Penzhorn weiß: Auch ein Landkreis hat keine unbeschränkten Haushaltsmittel.

Energiekosten der Klinik Kitzinger Land

Für Energie gibt die Klinik im Jahr 1,05 Millionen Euro aus. Das sind 2,5 Prozent der Gesamtkosten. Für Strom zahlt sie 750.000 Euro, für Gas 180.000 Euro. Rund 20.000 Quadratmeter müssen in der Klinik beheizt werden. Die Raumtemperatur liegt aktuell bei 20 Grad, die aber heruntergefahren werden kann. Das gilt jedoch nicht für die Patientenzimmer. 
Das Kitzinger Krankenhaus in der Keltenstraße wurde 1984 eröffnet; das Haus neben der Mainbrücke dafür geschlossen. Seit Mai 2022 hat das Krankenhaus noch 200 Betten, das sind fünf weniger als in den vergangenen zehn Jahren. Vor der Corona-Pandemie wurden im Jahresdurchschnitt etwa 12.000 Patientinnen und Patienten stationär in der Klinik behandelt, aktuell sind es knapp 10.000. Ambulant werden im Jahresdurchschnitt etwa 20.000 Menschen versorgt.
Insgesamt gibt es 730 Mitarbeitende an der Klinik Kitzinger Land, davon 425 im medizinischen Bereich und 305 in nichtmedizinischen Abteilungen.
Quelle: jul
 
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