Die Situation derzeit? "Es ist drastisch", sagt Dr. Michael Sax, Inhaber der Würzburger Stern-Apotheke und Bezirksvorsitzender für Unterfranken des Bayerischen Apothekerverbands. Etwa 250 verschiedene Medikamente würden ihm derzeit im Sortiment fehlen - darunter Antibiotika, Mittel gegen Bluthochdruck, Schilddrüsenmedikamente oder Medikamente, die in vielen Hausapotheken zu finden sind wie Ibuprofen oder Paracetamolsaft für Kinder.
Auch Wolfgang Schiedermair von der Glocken-Apotheke in Würzburg ist besorgt. Er habe eine solche Situation noch nie erlebt: "Es ist so, als würde ich sämtliche Bäcker abklappern und nirgendswo mehr gibt es ein Schwarzbrot." Zwar sei es auch in der Vergangenheit vorgekommen, dass mal das ein oder andere Medikament aus unterschiedlichen Gründen nicht lieferbar gewesen sei, aber in der Masse kenne er das nicht. Seine Kollegen und Kolleginnen und er seien am Jonglieren - "jeden Tag sitze ich Stunden vor den E-Mails und am Telefon und versuche, fehlende Medikamente zu bekommen".
Sinnvolle Lagerhaltung derzeit nicht möglich, weil zu viele Medikamente fehlen
Eine sinnvolle Lagerhaltung sei derzeit nicht möglich, sagen die beiden Apotheker. Egal in welcher Apotheke man in Deutschland nachfrage - es würde wohl "die selbe drastische Lage geschildert". Den Paracetamolsaft für Kinder, der bei Fieber und Schmerzen der Kleinen eingesetzt wird, stellt Pharmazierat Michael Sax nun zum Teil selbst im hauseigenen Labor her. Schon seit längerem sei der Saft nur eingeschränkt oder gar nicht lieferbar. "Aber irgendwie müssen die Kinde ja versorgt werden", sagt Sax.
Fiebersaft für Kinder selbst in der Apotheke hergestellt
Den Fiebersaft hat auch Sylvia Pöhlmann von der St. Margareten- Apotheke in Margetshöchheim im Landkreis Würzburg schon selbst hergestellt. Aber dazu müsse auch der entsprechende Wirkstoff vorrätig sein.
Seit mehr als vier Jahrzehnten betreibt Pöhlmann ihre Apotheke, aber solch eine dramatische Situation habe sie noch nie erlebt: "Wir versuchen unsere Liefermöglichkeiten vollumfänglich auszunutzen, um an die Medikamente zu kommen. Wenn ein Hersteller es nicht liefern kann, kontaktieren wird den nächsten und den nächsten und den nächsten." Das erfordere einen hohen Personalaufwand.
Auf der Suche nach adäquatem Ersatz für das Ursprungsmedikament
Auch die Suche nach einem adäquaten Ersatz für das ursprüngliche Medikament kostet Zeit. Sax sagt: "Wir reißen uns ein Bein aus, arbeiten eng mit der Ärzteschaft zusammen, um die Patienten bestmöglich versorgen zu können." Als Beispiel nennt Sax ein Medikament, das bei akutem Bluthochdruck eingesetzt wird: "Da habe ich einen halben Tag mit dem Großhändler und dem Hersteller hin und her telefoniert."
Für die Kunden, so schildert Sylvia Pöhlmann, sei es erstmal ungewohnt, dass viele Medikamente gar nicht lieferbar seien. Manche seien angesichts der Situation auch "fassungslos", sagt Michael Sax. Dann aber vertrauten sie auf das Zusammenspiel zwischen Arzt und Apotheker, "dass man eine adäquate Lösung finden wird". In den allermeisten Fällen sei das möglich, meint der Bezirksvorsitzende: "Aber es ist ein enormer Arbeitsaufwand, das bezahlt uns keiner."
Apotheker und Ärzte müssen Dosierungen anpassen oder Ausweichpräparate finden
Gleiches gelte für Ärzte und Ärztinnen, denn diese müssten den Blick auch nochmal auf das Alternativ-Medikament werfen. Im Grunde betreffe es die Mittel für "fast jeden zweiten Patienten" sagt Sax. Für seine Apotheke habe er den wirtschaftlichen Schaden mal grob ausgerechnet. Er spricht von etwa 40 000 Euro im Jahr, die nicht vergütet würden.
Auch der Schweinfurter Apotheker Bernhard Hofmann von der Adler-Apotheke berichtet von ähnlichen Problemen. Sorge bereitet ihm vor allem, dass nun auch bestimmte Antibiotika nicht mehr zu bekommen sind: "Da sind wir immer am Schauen, ob es das Präparat eventuell in einer anderen Stärke gibt und wie wir die Dosierung anpassen oder, ob auf ein anderes Antibiotikum ausgewichen werden kann." Von der Politik wünscht sich Hofmann Unterstützung und, dass der Arbeitsaufwand honoriert wird.
Zuletzt seien auch Medikamente wie Nasensprays oder Cremes in kleinen Tuben, zum Beispiel bei Herpes, nicht lieferbar gewesen, berichtet Anna Bantschukowa, Inhaberin der Schweinfurter Kreuz-Apotheke. Und zwar nicht wegen Lieferschwierigkeiten des Wirkstoffs, "sondern wegen Verpackungsmaterialien, so genannten Primärpackmitteln, die derzeit nicht zur Verfügung stehen". So könnten Hersteller manche Arzneien nicht abfüllen. Das Problem kennt die Margetshöchheimer Apothekerin Sylvia Pöhlmann auch vom ACC Hustenlöser: "Der nicht mehr lieferbar ist, weil die Verpackungshülle fehlt."
Gründe für die Engpässe: Fehlende Verpackung, Rabattverträge, Hersteller-Bindung, Lieferketten
Es gebe unterschiedliche Gründe für die Lieferengpässe, sagt der Würzburger Apotheker Wolfgang Schiedermair. Zum einen macht er die Krankenkassen dafür verantwortlich, dass durch Rabattverträge und Bindungen an einen Hersteller das Geschäft für andere nicht mehr wirtschaftlich sei. Diese würden dann entweder die Produktion bestimmter Arzneien ganz einstellen oder in andere Länder liefern, so dass schnell Lücken entstünden.
Die andere Ursache seien Unterbrechungen in der internationalen Lieferkette, sagt Schiedermair: "Viele unserer Wirkstoffe werden heutzutage in Fernost, vor allem in China und Indien, produziert." Wenn dort Schiffe den Hafen in Shanghai nicht verlassen dürfen, komme es automatisch zu Verspätungen oder Lieferengpässen. Durch den Krieg in der Ukraine sei auch der Liefer-Flugverkehr vermehrt betroffen, da teils große Umwege geflogen werden müssten: "Längere Routen heißt auch mehr Kerosin und weniger Platz für Ware."
Die Forderung vom Bezirksvorsitzenden Michael Sax: "Die Herstellung wieder in die EU holen." Auf EU-Ebene müssten Fördermittel für Produktionsfirmen bereitgestellt werden, die sich in Europa niederlassen. "Noch bekommen wir die Engpässe mit hohem Aufwand geregelt", sagt der Würzburger Apotheker, "aber es wird zunehmend schwieriger."
Aber langsam bröckelt die schöne Fassade und man sieht, dass Vieles im Argen liegt und man oft nur noch von einem längst verblaßten Nimbus zehrt.
Deutschland war einmal die "Apotheke der Welt" und die deutschen Pharmahersteller genossen einen exzellenten Ruf. Mittlerweile sind wir auch da nicht einmal mehr Mittelmaß.
Es wird langsam Zeit weniger hochmütig und nachlässig zu sein und stattdessen wieder seine Hausaufgaben zu machen.
Und jetzt muss man erschrocken feststellen: Ein wenig Demut, Rücksicht und vorher überlegen wohin uns das alles über die Jahre bringt, täte gut, auch wenn es wehtut.
Forschung in Deutschland funktioniert noch einigermaßen.
Das Problem ist die Verlagerung der Produktion in Länder mit niedrigeren Umwelt- und Sozialstandards aus Kostengründen.
Die niedrigeren Standards bei Umwelt- und Arbeitnehmerschutz führen in der Regel eben auch dazu dass Anlagen in schlechtem Zustand sind und Personal schlecht ausgebildet ist. So kommt es häufiger zu Ausschuss oder zum Stillstand der Produktion. Durch Konzentrationsprozesse gibt es für einige Wirkstoffe nur noch ein oder zwei Produktionsstandorte. Deswegen haben selbst einzelne Pannen gravierende Auswirkungen.
Hier ist muss der Staat handeln: Es darf sich für Konzerne nicht mehr lohnen die Versorgungssicherheit zu Gunsten von Profiten zu opfern.
Zudem ist die Apothekerzeitung ein relativ verlässliches Medium, da auch alle Quellen/Studien dazu angeführt werden.