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Kitzingen
Nach fast 40 Jahren: Dr. Karmann geht in den Ruhestand
Ende des Jahres ist Schluss: Chefarzt Dr. Wolfgang Karmann hört auf – nach fast vier Jahrzehnten am Kitzinger Krankenhaus. Ein Gespräch über Dr. Google, Corona und nasse Tapeten.
Chefarzt und Kardiologe Dr. Wolfgang Karmann geht zum Jahresende in den Ruhestand. Sein liebster Platz in der Klinik Kitzinger Land: am Ultraschallgerät.
Foto: Thomas Obermeier | Chefarzt und Kardiologe Dr. Wolfgang Karmann geht zum Jahresende in den Ruhestand. Sein liebster Platz in der Klinik Kitzinger Land: am Ultraschallgerät.
Julia Lucia
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:57 Uhr

Fast sein ganzes Berufsleben arbeitete Dr. Wolfgang Karmann (63) am Kitzinger Krankenhaus. Was als zivildienstleistender Arzt 1984 begann, endet Silvester 2021 als Chefarzt. Der Oberfranke Karmann ist Kardiologe aus Leidenschaft. Nach und nach hat er seine Abteilung der Inneren Medizin aus- und aufgebaut, um den Bürgerinnen und Bürgern eine optimale Versorgung bei Herzerkrankungen im Landkreis zu ermöglichen. Nicht der Normalfall in einer Klinik dieser Größe. Ambulant werden im Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) etwa 2000 Patienten im Jahr kardiologisch behandelt, im stationären Bereich etwa 3000.

Sie sind seit fast 40 Jahren am Kitzinger Krankenhaus, die meisten davon als Kardiologe. Was hat sich verändert?

Karmann: Bei uns in der Klinik hat sich viel entwickelt. Als verantwortlicher Arzt in Leitungsposition waren mir zwei Sachen wichtig. Zum einen stellte ich meine Abteilung durch die Hinzunahme der Neurologie und der Lungenkrankheiten breiter auf. Zum anderen habe ich versucht, die Diagnostik und die Therapie speziell in der kardiologischen Abteilung auszubauen.

Etliche Anregungen von Karmann stecken in den Plänen für den Umbau und die Sanierung des Krankenhauses. Auch wenn es ihn reizt – bis zur Fertigstellung aller Baumaßnahmen möchte er nicht arbeiten.
Foto: Thomas Obermeier | Etliche Anregungen von Karmann stecken in den Plänen für den Umbau und die Sanierung des Krankenhauses. Auch wenn es ihn reizt – bis zur Fertigstellung aller Baumaßnahmen möchte er nicht arbeiten.
Das heißt?

Karmann: Spezialisiert haben wir uns in der Kardiologie vor allem durch die bildgebenden Untersuchungen wie Kardio-CT und Kardio-MRT bis hin zum Linksherzkatheter. Wir können jetzt alle Herzerkrankungen bei uns im Haus untersuchen, ohne dass der Patient besonderen Risiken ausgesetzt ist. Das heißt, für eine gründliche Herzuntersuchung müssen die Patienten nicht mehr in Schwerpunktkliniken.

Was ist eine Linksherzkatheter-Untersuchung?

Karmann: Die häufigste Herzerkankung ist die Durchblutungsstörung am Herzen selbst. Dabei kommt es zu Verengungen der kleinen Herzkranzgefäße, die den Herzmuskel versorgen. Diese 2 bis 3 Millimeter messenden und von der Aorta abgehenden Gefäße werden beim Linksherzkatheter untersucht. Mit kleinsten Kathetern geht man nach Punktion einer Armarterie bis an die Mündungsstelle der Herzkranzgefäße vor und gibt Kontrastmittel in diese Gefäße. Bei vorliegenden Engstellen wird in gleicher Sitzung die Engstelle mit einem Ballon erweitert und gegebenenfalls mit einer Gefäßstütze (Stent) stabilisiert – nicht dass alles wie eine nasse Tapete wieder zusammenklatscht. Auch akute Herzinfarkte – das ist der Verschluss eines Herzkranzgefäßes – können wir so untersuchen und wiedereröffnen.

Warum haben Sie sich für die Kardiologie entschieden?

Karmann: Zu Beginn meiner Ausbildung bin ich in der Kardiologie gelandet und dort geblieben. Mich hat die Innere Medizin als Ganzes fasziniert, aber die Herzerkrankungen sind dann zu meinem Spezialgebiet geworden, zu meinem Hobby oder meiner Berufung – wie man es halt nennen will. Eine große Rolle spielte auch mein damaliger Chef Dr. Wolfram Wende, der mir die Bedeutung der Herzkrankheiten nahegebracht hat.

Die Pandemie überschattet alles. Wie schaut es mit den Herz-Kreislauf-Erkrankungen in den vergangenen Monaten aus?

Karmann: Die in der Klinik behandelten Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben in der Pandemiezeit quantitativ abgenommen. Viele Patienten sind in dieser Zeit nicht zur Behandlung ins Krankenhaus gekommen. Nach zwischenzeitlicher Zunahme von Herz-Kreislauf-Behandlungen holt uns jetzt wieder die vierte Corona-Welle ein.

Karmann und sein Team, hier mit Diana Lorey (links) und Birgit Pavel, versorgen im Jahr etwa 3000 Patienten stationär. 
Foto: Thomas Obermeier | Karmann und sein Team, hier mit Diana Lorey (links) und Birgit Pavel, versorgen im Jahr etwa 3000 Patienten stationär. 
Können Sie der Corona-Pandemie auch etwas Positives abgewinnen?

Karmann: Einerseits bemerkte ich, wie fragil sowohl Gesundheitsverhältnisse als auch das gesamte gesellschaftliche Leben sind. Andererseits spürte ich, wie alle zusammenstehen und wie man gemeinsam Probleme lösen kann. Das habe ich gerade in der Klinik gemerkt. Durch häufiges Treffen, durch Absprachen haben wir die Pandemie bis jetzt gut gemeistert. Da muss ich allen Beteiligten höchsten Respekt zollen.

Was sagen Sie zu Dr. Google?

Karmann: Mir geht es darum, dass der Patient gut informiert ist, um zu entscheiden und um die Empfehlungen vom Arzt zu verarbeiten. Insofern bin ich dankbar für alle Informationsquellen. Wichtig ist, im Gespräch zu filtern, was für den Patienten individuell zum Tragen kommt. Da gibt es natürlich manchmal Unterschiede zu Dr. Google. Tatsache ist, dass die Patienten heute viel besser informiert sind als in den 80er- und 90er-Jahren. Sehr wertvolle Dienste haben auch da meine Arzt-Patienten-Seminare geleistet.

Was kann wirklich jeder für sein Herz tun?

Karmann: Gesund leben. Das heißt, die bekannten Risiko-Faktoren vermeiden: Übergewicht und Rauchen. Dazu hohen Blutdruck und Zuckerkrankheit erkennen und einstellen. Und ab einem gewissen Alter zur Vorsorgeuntersuchung gehen.

Ab wann?

Karmann: Ab 50 die Männer, die Frauen etwa fünf bis zehn Jahre später. Liegt eine genetische Veranlagung für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Familie, sollte man die generelle Untersuchung fünf bis zehn Jahre vorziehen. Auch Cholesterin und die Blutfette sind ein genetischer Faktor, die diese Erkrankungen sehr befördern.

Sie waren bis auf einige wenige kurze Unterbrechungen immer am Kitzinger Krankenhaus. Ein Nachteil?

Karmann: Nie. Die Sachen, die ich auswärtig kennen lernen wollte, habe ich im Juliusspital in der Intensivmedizin und in Bad Neustadt in der invasiven Kardiologie gelernt. In Kitzingen fühlte ich mich zuhause. Ich habe erlebt, was man durch Engagement in einer Klinik wie Kitzingen bewegen kann. Außerdem waren die menschlichen Bande zu den Mitarbeitern und zu den Patienten die treibende Kraft, neue Perspektiven zu entwickeln.

Ende Dezember macht Karmann Schluss mit der stationären Arbeit. In der Ambulanz arbeitet er zunächst weiter.
Foto: Thomas Obermeier | Ende Dezember macht Karmann Schluss mit der stationären Arbeit. In der Ambulanz arbeitet er zunächst weiter.
Ein größeres Haus hat Sie nie gereizt?

Karmann: Nein. Nein. Nein. Spätestens seit der Übernahme der ambulanten Tätigkeit und mit zunehmender Verantwortung entschied ich mich, in Kitzingen zu bleiben.

Was ist das Besondere am Kitzinger Krankenhaus?

Karmann: Dass wir den Patienten sehr gute und vielfältige Medizin anbieten können. Das gilt für meine Abteilung ebenso wie für die anderen Abteilungen des Hauses.

Was sagen Sie zur Tendenz, dass immer mehr kleine Häuser zugemacht werden?

Karmann: Die Bereinigung der Krankenhauslandschaft ist eine Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte. Die Klinik Kitzinger Land hat sich gut positioniert, um nicht in diesen Sogkreis zu geraten. Wir sind groß und bedeutend genug, um auch in der Konkurrenz zu Würzburg oder Schweinfurt zu bestehen.

Gilt das für die Zukunft?

Karmann: Mittel- und auch längerfristig ist der Bestand gesichert. Auch in der Form als Kommunalunternehmen. Die Klinik ist gesund, stemmt sogar mit eigenen Beträgen den Umbau mit. Die gute Wirtschaftlichkeit und gute Führung des Hauses haben sich bewährt.

Welche Rolle spielt dabei die Gesellschaftsform?

Karmann: Mir war es immer wichtig, dass nicht die Profitabilität, sondern die Patientenversorgung im Vordergrund steht. Ein Kommunalunternehmen muss wirtschaftlich gesund sein, aber es muss mehr für die Patienten, weniger für die Aktionäre da sein. Dafür kämpfen in Kitzingen alle Beteiligten, von der Landrätin angefangen bis hin zur Geschäftsführung.

Sie haben gerade den Umbau erwähnt: Konnten Ärzte, Schwestern und Pfleger ihre Ideen einbringen?

Karmann: Auf jeden Fall!

Also auch Ihre Anregungen. Reizt Sie es nicht, bis zur Fertigstellung zu bleiben?

Karmann: Die Veränderungen in der Klinik sind spannend. Aber das Leben geht schneller vorbei als man denkt. Meine Hobbys – Musik, Literatur und Sport – meine Familie und meine Freunde habe ich bisher vernachlässigt. Ich habe Respekt vor dem Ruhestand, aber es fühlt sich richtig an, einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen.

Hören Sie ganz im Krankenhaus auf?

Karmann: Mein Nachfolger Professor Frank Breuckmann löst mich ab Dezember ab und ich werde zum Jahresende aus dem stationären Betrieb scheiden. Im ambulanten Betrieb stehe ich in begrenztem Umfang für zunächst sechs Monate noch zur Verfügung.

Nicht nur beim Krankenhauslauf war Karmann regelmäßig am Start. Auch beim Schwanberglauf, hier 2005, war er unter den Läufern. 
Foto: Robert Haaß | Nicht nur beim Krankenhauslauf war Karmann regelmäßig am Start. Auch beim Schwanberglauf, hier 2005, war er unter den Läufern. 
Sie sind ein begeisterter Sportler und Initiator für den Krankenhauslauf. Wie kamen Sie darauf?

Karmann: Im Haus gab es eine Gruppe, die laufen wollte. Ende der 90er-Jahre war diese Laufgruppe sehr aktiv und erfolgreich. Wir erkannten, dass es im Kitzinger Raum kaum Volksläufe gab. Deswegen begründeten wir den Krankenhauslauf. Mit dem Rundlauf über Buchbrunn und wieder hoch zur Klinik fanden wir eine ideale Strecke. Der Lauf schlug von Anfang an gut ein und war eine Erfolgsgeschichte bis zur Pandemiezeit.

Hat der Kitzinger das Herz am rechten Fleck?

Karmann: Ja, das kann man sagen. Mir sind die Menschen ans Herz gewachsen. Viele kennen mich, und ich kenne viele Patienten. Das ist eine enge, außergewöhnliche Verbindung geworden.

Zum Abschluss: Sie sind im Umland von Bamberg geboren und aufgewachsen. Bier oder Wein?

Karmann: (lacht) In den letzten Jahren muss ich sagen: Wein.

Dr. Wolfgang Karmann: Chefarzt und Kardiologe

Aufgewachsen ist Dr. Wolfgang Karmann (63) in Memmelsdorf bei Bamberg. Nach dem Abitur studierte er Medizin in Würzburg. Als zivildienstleistender Arzt kam er 1984 nach Kitzingen und war bis Mai 1988 Assistenzarzt in der Inneren Abteilung. Es folgte ein Jahr als Assistenzarzt am Julius-Spital in Würzburg, wo er auch in der Radiologischen Abteilung ausgebildet wurde. 
Im November 1989 kehrte er als Oberarzt der Inneren Abteilung ans Kitzinger Krankenhaus zurück, seit Januar 1991 ist er Facharzt der Inneren Medizin. Von Januar 1993 bis Juni 1994 ließ er sich in der Herz- und Gefäßklinik Bad Neustadt zum Kardiologen ausbilden. Im Juli 1994 nahm er seine Oberarzttätigkeit in Kitzingen wieder auf.
Seit 1997 versorgt Karmann Patienten an der Klinik auch ambulant. Im Mai 2005 wurde er Nachfolger von Dr. Wolfram Wende als Chefarzt der Abteilung Innere Medizin (Kardiologie) der Klinik Kitzinger Land.
Quelle: jul 
 
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