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Landkreis Kitzingen
Rente beziehen und trotzdem arbeiten: 4 Menschen erzählen, warum sie sich auch im Ruhestand etwas hinzuverdienen
In Deutschland arbeiten Hunderttausende Rentner, meist in Minijobs. Manche wollen im Beruf bleiben, andere müssen. Wir haben vier aus dem Landkreis Kitzingen gefragt.
Hartes Brot: Manche arbeiten im Rentenalter, weil sie müssen. Traude Senft tut es, um unter Leute zu kommen.
Foto: Thomas Obermeier | Hartes Brot: Manche arbeiten im Rentenalter, weil sie müssen. Traude Senft tut es, um unter Leute zu kommen.
Gerhard Krämer
 und  Julia Lucia
 |  aktualisiert: 31.03.2024 03:42 Uhr

Immer mehr Rentnerinnen und Rentner in Deutschland arbeiten auch, nachdem sie in den Ruhestand getreten sind. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig und geringfügig Beschäftigten zwischen 63 und 67 Jahren ist laut Statistischem Bundesamt zuletzt kontinuierlich gestiegen: von 1,31 Millionen im Jahr 2020 auf 1,67 Millionen im vergangenen Jahr. Viele davon arbeiten in sogenannten Minijobs. Das heißt, der Lohn darf im Monat nicht höher als 538 Euro sein. Die durchschnittliche Nettorente lag 2022 laut Deutscher Rentenversicherung bei 1054 Euro netto. Allerdings bestehen besonders zwischen Männern und Frauen große Unterschiede.

Auch im Landkreis Kitzingen gibt es immer mehr Menschen, die nach dem Eintritt ins Rentenalter noch arbeiten, teils aus finanziellen Gründen, teils, weil sie Spaß an der Arbeit haben.

1. Günter Wolf aus Willanzheim, 72 Jahre, fährt noch Bus und arbeitet in seiner Schmiede

Günter Wolf aus Willanzheim ist längst im Rentenalter, fährt aber noch jeden Tag als Busfahrer Kinder in die Schule.
Foto: Johannes Kiefer | Günter Wolf aus Willanzheim ist längst im Rentenalter, fährt aber noch jeden Tag als Busfahrer Kinder in die Schule.

"Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich zur Marine gehen. Das war immer mein Traum. Doch mit 14 Jahren habe ich zusammen mit meinen Eltern den Bauernhof in Mönchsondheim geführt. Ich war der jüngste von drei Geschwistern, und es war klar, dass ich den Hof übernehmen soll. Mein Vater ist dann in Vollzeit zu Fehrer gegangen, damit er und meine Mutter krankenversichert sind. Weil sie dagegen war, habe ich 1978 nach meiner Meisterprüfung auch eine Stelle als Projektleiter im Niger abgelehnt.

Dass es mit der Landwirtschaft so schnell bergab geht, hätte ich nach meiner Ausbildung zum Landwirtschaftsmeister nicht gedacht. Erst haben wir nach und nach die Milchkühe weg, dann mit der Schweinezucht und Schweinemast aufgehört und dann nur noch Ackerbau betrieben. 1985 habe ich die Schmiede meines Paten in Mönchsondheim übernommen – im Nebenerwerb – und immer noch auf dem Hof gearbeitet. 30 Jahre habe ich in die Landwirtschaftliche Alterskasse einbezahlt. Für meine Eltern, für meine Schwiegereltern und für mich. Und was bekomme ich: 242 Euro im Monat.

1983 habe ich mit dem Busfahren begonnen. Mein Bruder hat mich mitgenommen. Ich war viel in Europa unterwegs, besonders oft habe ich Amerikaner bei Ausflügen gefahren. Und dazu die Landwirtschaft und die Schmiede. Mit einer Lebensversicherung wollte ich mich fürs Alter absichern, aber dann musste ich das Geld für andere Dinge verwenden. Im Privatleben sind einige Dinge leider nicht so gelaufen wie geplant. Was ärgerlich ist: Ich war nicht bei der Bundeswehr, sondern habe zehn Jahre Ersatzdienst bei der Iphöfer Feuerwehr geleistet. Die 15 Monate bei der Bundeswehr wären mir auf die Rente angerechnet worden, der Ersatzdienst nicht. 

Und so fahre mit 72 Jahren noch Bus, meistens Schulkinder. Knapp sieben Stunden fahre ich durchschnittlich am Tag. Mit dem Geld als Busfahrer habe ich etwa 80 Euro in der Woche zur Verfügung. Davon kaufe ich für mich und meine zwei Hunde ein, gönne mir ein Getränk bei der Posaunenchor-Probe. Bis 2026 ist mein Führerschein noch gültig. Danach? Mal sehen. 

Staatliche Hilfe kann ich nicht beantragen, weil ich ein Haus und noch etwas Ackerfläche habe. Das müsste ich erst verkaufen. Will ich nicht. Die Rentenerhöhung spüre ich minimal. Für mich sind 20 Euro im Monat viel Geld, für jemanden, der 3000 Euro im Monat hat, eher wenig. Deswegen mein Vorschlag: Wer eine höhere Rente hat, soll auch eine Erhöhung bekommen, aber deutlich weniger als die, die mit ihrer Rente kaum überleben können."

2. Katrin Poindexter aus Kitzingen, 67 Jahre, arbeitet an der Kasse eines Supermarkts

Katrin Poindexter an der Kasse bei Edeka Waigandt in Kitzingen. Sie ist Rentnerin und arbeitet trotzdem im Supermarkt.
Foto: Thomas Obermeier | Katrin Poindexter an der Kasse bei Edeka Waigandt in Kitzingen. Sie ist Rentnerin und arbeitet trotzdem im Supermarkt.

"Ich habe mein Leben lang gearbeitet. Etwa 15 Jahre bei Leoni, dann 24 Jahre beim Frachtzentrum der Post in Kitzingen, dann bei einer Tankstelle an der Kasse und bei einer Logistikfirma, um Retouren zu sortieren. Zum Schluss war ich bei einem Rottendorfer Supermarkt. 2019 bin ich dann mit Abzügen in den Ruhestand. Nach zwei Jahren kam die Frage: Was soll ich daheim? Meine Enkel sind groß und brauchen mich nicht mehr, und wenn ich in der Stadt bin, gebe ich ja nur Geld aus. Ich müsste nicht mehr arbeiten, aber mit dem Verdienst kann ich in den Urlaub. 2021 habe ich bei Edeka Waigandt an der Kasse angefangen: als geringfügig Beschäftigte an zwei bis drei Tagen in der Woche. 

Monatlich habe ich insgesamt 1700 Euro zur Verfügung, davon sind 1000 Euro für Miete, Versicherungen, Auto etc. weg.  Ich brauche nicht viel, aber ohne den Job bei Edeka müsste ich das Auto abschaffen. Mein Rat an mein jüngeres Ich: Fang gleich mit dem Sparen an, damit du später etwas hast. Rentenerhöhung spüre ich schon, aber jemand, der 2500 Euro Rente hat, sollte nur teilweise eine Erhöhung bekommen. Vor allem an Alleinstehende sollte mehr gedacht werden. 

Wie lange ich noch arbeiten will? Das müsste man den lieben Gott fragen. Aktuell macht es noch Spaß. Ich bin gerne unter Leuten und rede gerne und viel."

3. Traude Senft aus Abtswind, 74 Jahre, verkauft in der Bäckerei Fackelmann Brötchen und mehr

Traude Senft verkauft als Rentnerin mit 74 noch Brot in einer Bäckerei in Abtswind.
Foto: Thomas Obermeier | Traude Senft verkauft als Rentnerin mit 74 noch Brot in einer Bäckerei in Abtswind.

"Ich arbeite noch, weil es mir Spaß macht und weil ich gerne unter Leuten bin. Ich bin keine, die viel ausgeht. Aber wenn ich immer daheimsitze, habe ich ja sonst gar keinen Kontakt mehr zu anderen Menschen. Es fällt mir auch nicht schwer, früh um 5 Uhr aufzustehen, samstags um 4 Uhr. Mit meinen Kunden komme ich gut aus, in den 34 Jahren habe ich noch mit niemandem Streit gehabt. Gelernt habe ich Damenschneiderin. Bäckereiverkäuferin bin ich erst, seitdem ich vor 34 Jahren zu Fackelmann gekommen bin. Vorher war ich in Rehweiler als Hauswirtschafterin.

Von der Rente würde es reichen. Mein Mann bekommt auch eine gute Rente, und wir müssen keine Miete zahlen. Ich mache es, weil es mir Spaß macht. Weil das Betriebsklima gut ist. Und weil ich viele habe, die mich schätzen und sagen: Du musst noch ein wenig dableiben. Ich liefere auch Sachen aus, die später kommen oder bringe es den Leuten, wenn sie Bestelltes vergessen haben.

Es ist ganz schwer, jemanden für diese Arbeit zu finden. Von den jungen Leuten will keiner früh aufstehen, der Laden muss ja um 6 Uhr eingeräumt sein. Ich möchte noch bis nächstes Jahr arbeiten, dann werde ich 75 und habe 35 Jahre bei Fackelmann voll. Vielleicht bleibe ich noch etwas länger, bis sie jemanden gefunden haben. Denn dass der Laden zugemacht wird, will ich ja auch nicht."

4. Anton Förth aus Großlangheim, 68 Jahre, springt in der Gemeinde ein, wenn er gebraucht wird

Anton Förth, ehemaliger Hausmeister ist jetzt Mann für alles in Großlangheim. So installierte er im Pfarrhaus einen Boiler, damit dort ukrainische Flüchtlinge wohnen können.
Foto: Ivana Biscan | Anton Förth, ehemaliger Hausmeister ist jetzt Mann für alles in Großlangheim. So installierte er im Pfarrhaus einen Boiler, damit dort ukrainische Flüchtlinge wohnen können.

"Angefangen hat es damit, dass wir im Sommer die Bäume an der Straße gegossen haben. Die waren so trocken. Da hat meine Schwester gesagt: 'Der Toni, der hat doch einen Bulldog.' Also haben wir zusammen gegossen. So kam eines zum anderen: Hecken und Bäume schneiden, Boiler im Pfarrhaus für ukrainische Flüchtlinge installieren, Aufpasser beim Wertstoffhof und was halt gerade in der Gemeinde anfällt. Seit Februar 2020 bin ich in Rente. Ich habe Zeit. Meine Frau sagt immer, ich suche Arbeit. Ich sage: 'Ich sehe die Arbeit.'

Als bei einem Einsatz einmal eine Leiter auf ein Auto gefallen ist, hat der Bürgermeister entschieden, dass er mich geringfügig beschäftigt. Wegen der Versicherung. Wegen des Geldes mache ich's nicht. Im Gegensatz zur Rente meiner Frau reicht meine zum Leben. Ich habe 38 Jahre im Seniorenheim St. Elisabeth in Kitzingen als Hausmeister gearbeitet.

Ich hätte weiterhin ohne Bezahlung ehrenamtlich kleine Aufgaben in der Gemeinde erledigt. Es ist so wichtig, sich ehrenamtlich zu engagieren, und es gibt so viele, die ein Ehrenamt haben. Das ist der Kitt der Gesellschaft. Ohne die Ehrenamtlichen läuft nichts. Der Bürgermeister sagt immer: 'Toni, schreib deine Stunden auf.' Aber wenn ich im Kindergarten was mache – da sind vier Enkel von mir –, kann ich das doch nicht aufschreiben."

 
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