
Weltmarkt und Weltpolitik, Klimawandel und Energiewende, nationale Agrarstrategie oder Verbraucherverhalten: Es gibt zu viele Einflussfaktoren, als dass sichere Aussagen über die Landwirtschaft von morgen möglich wären. Wie mag es um die bäuerlichen Betriebe im Landkreis Haßberge im Jahr 2040 bestellt sein? Die Redaktion wagt einige Thesen. Grundlage hierfür war ein Gespräch am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Schweinfurt mit Behördernleiterin Klaudia Schwarz, ihrem Stellvertreter Stephan Thierfelder und Joachim Dömling, Bereichsleiter Landwirtschaft und Schulleiter der Landwirtschaftsschule Schweinfurt im Januar.
These 1: Das Höfesterben schreitet voran, vor allem die kleinen wird es erwischen
Heute: Während die landwirtschaftlich genutzte Fläche im Landkreis Haßberge seit den 1970-er Jahren um zirka 15 Prozent auf rund 42.000 Hektar zurückgegangen ist, ist die Zahl der Höfe laut AELF im gleichen Zeitraum auf weniger als ein Fünftel geschrumpft: Von 6238 Betrieben (1971) auf 1165 im Jahr 2023. Verschwunden sind vor allem kleine Höfe unter 50 Hektar. Sie machen jedoch mit 329 Betrieben unter fünf Hektar und 829 Betrieben kleiner 50 Hektar noch immer drei Viertel aller Bauernhöfe aus.
Morgen: Bis 2040 wird der Strukturwandel, das Höfesterben, vorangeschritten sein: Die Zahl der Hofstellen wird deutlich abgenommen, vor allem die kleinen Einheiten sich als zunehmend unrentabel erwiesen haben. In den nächsten Jahren stehen viele Höfe vor der Übergabe: Die nächste Generation muss die Entscheidung treffen, ob sie den elterlichen Betrieb fortführt. Vier von fünf Bauernhöfen im Landkreis werden im Nebenerwerb betrieben. Das wirkt dem Strukturwandel entgegen, solange die Landwirtinnen und -wirte weiterhin gute Erwerbsmöglichkeiten etwa in den Industriebetrieben der Region haben.
These 2: Beim Ackerbau werden die Landwirte viel mehr mit neuen Sorten experimentieren
Heute: Wie Unterfranken insgesamt ist der Landkreis Haßberge Ackerbauregion. Von den gut 42.000 Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche entfallen aktuell etwa 34.000 Hektar auf Ackerland und 8000 Hektar auf Dauergrünland. Es dominiert der Weizenanbau (Export vor allem in die Benelux-Länder). Wintergerste, Sommergerste und Roggen spielen eine untergeordnete Rolle. Wichtige Produkte aus den Haßbergen sind ferner Zuckerrüben, Raps und Mais.
Morgen: Der Landkreis wird Ackerbauregion mit Dominanz des Weizens blieben. Andere Getreidearten, insbesondere Dinkel, dürften jedoch künftig eine größere Rolle spielen. Die Zuckerrübe für den EU-Markt behält ihre wirtschaftliche Bedeutung. Insgesamt werden die Landwirte wegen des Klimawandels deutlich mehr mit anderen Kulturen wie Hirse und Kichererbsen experimentieren. Insgesamt besteht angesichts der allenfalls mittelmäßigen Bonität der Böden in der Region die Gefahr, dass künftige Restriktionen beim Einsatz von Düngern oder Pflanzenschutzmitteln den Getreideanbau an den Rand der Rentabilität treiben.
These 3: Es wird immer weniger Fleisch und Milch aus den Haßbergen geben
Heute: Die dem AELF vorliegende Statistik weist für Anfang der 1970-er Jahre noch über 46.000 Rinder (16.500 Milchkühe) im Haßbergkreis aus, 2023 waren es nur noch knapp 15.000 Rinder (6000). Der Schweinebestand sank im gleichen Zeitraum von 67.000 (7400 Zuchtsauen) auf 24.000 (1400), also auf fast ein Drittel. Einst gab es fast 3800 Milchkuhhalter und 2100 Zuchtsauenhalter, heute sind es nur noch 158 respektive 19. Auch die Zahl der Hühnerhalter hat sich mehr als halbiert; doch hier ist die Zahl der Tiere (vorwiegend Legehennen) auf 48.000 hochgeschnellt.
Morgen: Angesichts des sinkenden Fleischkonsums in Deutschlands – und trotz der weltweit steigenden Nachfrage nach Fleisch – geht bis 2040 der Trend bei der Anzahl der Viehbetriebe und bei der Zahl der Tiere weiter nach unten. Die Höfe sind zu klein, um beim großen Exportgeschäft mitzumischen. Milchbauern, Rinder- und Schweinezüchter sind auf Schlachtung, Veredlung und Absatz ihrer Produkte in der näheren Umgebung angewiesen. Ihre Zukunft hängt entscheidend davon ab, ob etwa die Schlachthöfe oder Molkereien in der Region überleben.
These 4: Obst und Gemüse spielen wegen des Klimawandels eine noch geringere Rolle
Heute: Eine landwirtschaftliche Faustformel besagt, dass ein moderner Betrieb 140 Menschen ernährt. Eine andere, dass pro Kopf etwa 2000 Quadratmeter Ackerfläche nötig sind. Nach beiden Formeln kann der Landkreis Haßberge rein rechnerisch seine Bevölkerung von rund 85.000 Menschen ernähren. Und so liegt der Selbstversorgungsgrad beim Getreide auch bei 100 Prozent. Keinesfalls aber bei Obst und Gemüse. Genaue Angaben sind hier nicht möglich, je nach Sorte und Essverhalten variiert der Erzeugungsgrad stark. Insgesamt geht das AELF aber von einem Selbstversorgungsgrad unter 40 Prozent aus, was dem bayerischen Durchschnitt entspräche.

Morgen: Der Klimawandel macht sich in Unterfranken mit zunehmender Trockenheit bemerkbar, was Obst- und Gemüsekulturen besonders betreffen wird. Außer in bevorzugten Lagen des Maintals wird Bewässerung technisch schwer möglich oder für die Landwirte unerschwinglich sein. Der heimische Obst- und Gemüseanbau wird bis 2040 folglich an Bedeutung verlieren.
These 5: Energie- und Waldwirtschaft machen das Kraut nicht fett
Heute und morgen: 80 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche im Landkreis Haßberge sind verpachtet. Die sie bearbeitenden Bäuerinnen und Bauern sind also nicht Eigentümer der Äcker und Wiesen. Zudem haben die Höfe, wenn überhaupt, meist nur kleine Waldanteile mit oftmals unter einem Hektar. Was in der Gegenwart gilt, wird demzufolge auch 2040 zutreffen: Die Betriebe können nicht groß ins Energiegeschäft, etwa Solarparks, einsteigen, weil ihnen die Flächen eben nicht gehören. Und auch die Waldwirtschaft wird in Zukunft für die Mehrheit der Höfe kein lukrativer Zuerwerb sein.
These 6: Urlaub auf dem Bauernhof? Alternative Geschäftsmodelle bleiben Nischenprodukte
Heute und morgen: Mit dem "Urlaub auf dem Bauernhof", einem Erlebnisbauernhof, der Direktvermarktung oder mit dem Angebot hauswirtschaftlicher Dienstleistungen, hat der eine oder andere Betrieb im Landkreis Haßberge eine Nische gefunden oder sich ein zweites Standbein geschaffen. Auch 2040 werden diese Geschäftsmodelle für einzelne Unternehmen gewinnbringend sein. Aber sie bleiben laut Einschätzung des AELF ein Randphänomen, sind also keinesfalls eine Lösung für die Mehrheit der Betriebe.
These 7: Mehr heimische (Bio-)Produkte für die Region nur bei kluger Vermarktung
Heute: Es gibt sie längst in den Supermärkten und Discountern, die Regale für regionale und biologische Produkte. Doch diese Absatzform spielt für die Bäuerinnen und Bauern im Landkreis aktuell eine untergeordnete Rolle. Dazu sind die Ballungsräume im Großraum Nürnberg oder der Metropolregion Main-Rhein zu weit entfernt beziehungsweise die Konkurrenz der dort ansässigen Betriebe zu groß.
Morgen: 2040 werden die heimischen Landwirte mehr Produkte im Einzelhandel der Region anbieten. Ein Erfolgsmodell kann dieser Absatz jedoch nur werden, wenn es gelingt, kluge Vermarktungsstrategien zu entwickeln, Lieferketten aufzubauen und Produkte zu erzeugen, die sich von der Massenware der Supermärkte im positiven Sinne abheben. Nur dann werden Verbraucherinnen und Verbraucher bereit sein, höhere Preise zu zahlen.
These 8: Bauern werden mehr zu Umwelt-, Klima und Kulturlandschaftsschützern
Heute: Die Bevölkerung träumt in Bezug auf die Landwirtschaft von einer schönen heilen Welt, sprich von gesunden und gleichermaßen günstigen Lebensmitteln, die tierwohlgerecht und umweltfreundlich produziert werden. Laut AELF sind die landwirtschaftlichen Betriebe in vielerlei Hinsicht längst auf einem guten Weg. Doch es fehle an einer offenen Kommunikation darüber, was die Landwirtschaft zu leisten vermag und was nicht. Hier müssten Bauern und Verbraucher aus ihren Blasen heraus.

Morgen: Bis 2040 werden auch die Landwirte im Haßbergkreis mehr Maßnahmen zum Klima- und Umweltschutz ergriffen haben und dies auch viel stärker kommunizieren. Etwa, wenn es im Sinne des Erosionsschutzes darum geht, weniger oder gar nicht mehr zu pflügen. Oder die Kulturlandschaft mit mehr Hecken- und Baumreihen zwischen den Ackerflächen aufzuwerten. Die jüngere Generation von Bäuerinnen und Bauern wird dann versuchen, die Allgemeinheit bei diesen Maßnahmen viel stärker mitzunehmen als dies ihre Eltern und Großeltern getan haben.