"Gestalten statt verwalten", das verlangen die Bürgerinnen und Bürger gerne von der Lokalpolitik. Doch auch im Landkreis Haßberge scheitert manch ambitioniertes Projekt, das eine Kommune initiiert hat oder zumindest mittragen soll. Das kann am Geld ebenso liegen wie an allzu großen Widerständen von innen und außen, wie die folgenden Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit zeigen.
1. Wenn dem Nachbarn das Projekt nicht gefällt: Die Elt-Auen in Eltmann
Eltmann zu Beginn der 2010-er Jahre: Die Stadt will die Versorgung ihrer Bürgerinnen und Bürger mit Lebensmitteln verbessern und mit Edeka und Aldi zwei neue Einkaufsmärkte ansiedeln. Der Name des Projektes ist "Elt-Auen". Entstehen sollen die Märkte nördlich des Mains, auf dem Gelände der ehemaligen Kistenfabrik Rebhan zwischen der A70 und der Eisenbahnlinie Bamberg-Schweinfurt. Das ist unmittelbar vor den Toren der Nachbargemeinde Ebelsbach.
Und in Ebelsbach ist man alles andere als begeistert von den Plänen im Eltmanner Rathaus. Die Kommune ist selbst dabei, ihre Gewerbegebiete Lohwiese und Straßenäcker auszubauen. Heute ziehen die hier auf engstem Raume nebeneinander liegenden Märkte Rewe, Aldi, Netto, Norma, Tedi, Rossmann oder KiK Kundschaft von weit über Ebelsbach hinaus an, auch dank des Bahnhofs, des Autobahnanschlusses und der Lage an der ehemaligen B26.
Ebelsbach setzt sich juristisch gegen die Elt-Auen zur Wehr. Aber nicht wegen des gesättigten Einzelhandelsmarktes. Die Gemeinde argumentiert mit der Beeinträchtigung der eigenen Trinkwasserversorgung, mit Hochwasserschutz, mit der Altlastenproblematik und mit Lärmschutz. Das Verwaltungsgericht Würzburg entscheidet zugunsten von Eltmann, der Verwaltungsgerichtshof in München sieht die Sache anders und stoppt die Elt-Auen. Noch ist das Verfahren nicht vollends abgeschlossen. Doch Eltmanns Bürgermeister Michael Ziegler weiß: "Das Projekt ist gestorben." Zumal Aldi in Ebelsbach neu gebaut hat, statt wie gehofft auf Eltmanner Gemarkung umzuziehen.
Fazit für den Eltmanner Fall: Es kann sich die ambitionierteste Gemeinde nicht weiterentwickeln, wenn es dem konkurrierenden Nachbarn nicht gefällt.
2: Wenn der Unterhalt zu teuer käme: Das De-Vries-Museum in Haßfurt
Es soll etwas ganz Feines werden für Kunstkenner und -liebhaberinnen aus nah und fern: Das Museum für die Werke des in Eschenau lebenden und internationales Renommee genießenden Künstlers Herman de Vries. Der Ausstellungsort ist gefunden: Das imposante Fachwerkhaus in der Hauptstraße 35. 2015 hat die Stadt die Immobilie gekauft. Ein Jahr später präsentiert sie die Machbarkeitsstudie für das Museum.
Mehrere Millionen Euro soll der Umbau kosten. Aber das ist nicht das Problem. Die Stadt geht damals von einer Förderung von bis zu 90 Prozent aus. Trotzdem zerplatzt das Projekt schließlich wie eine Seifenblase: Im März 2017 lehnt der Stadtrat das Vorhaben mit 16:9 Stimmen ab. Warum?
Es geht den Gegnerinnen und Gegner um die laufenden Kosten: 350.000 Euro würde der Betrieb des Museums Jahr für Jahr verschlingen, berechnen Gutachter voraus. Und das ist der Mehrheit in der Stadtpolitik, gemessen an der Größe und am Haushalt der Kreisstadt, viel zu viel.
Fazit: Das schönste Kunstprojekt taugt nichts, wenn die Verantwortlichen in der Furcht leben, dass eben diese Kunst sie brotlos macht.
3. Wenn die Menschen vor Ort plötzlich alle dagegen sind: Die Erlebniswelt Fränkischer Sandstein in Breitbrunn
Die Fränkischen Sandsteine: Ganze Generationen von "Steinhauern" haben sich ihren Lebensunterhalt in den Steinbrüchen der Region verdient. Da hat die kleine Gemeinde Breitbrunn eine große Idee. Hier soll die Erlebniswelt Fränkischer Sandstein entstehen, ein Ort, der die Bedeutung der Sandsteingewinnung in Vergangenheit und Gegenwart würdigt. Und der ideale Platz für die Erlebniswelt ist auch gefunden: Der Kellerbruch, ein alter Steinbruch am südlichen Ortseingang von Breitbrunn.
Lange diskuiert der Gemeinderat darüber, ob man sich das Projekt leisten kann; aber schließlich steht die Finanzierung und damit das Konzept. Trotzdem entpuppt sich das Sandsteinmuseum als Luftschloss, und zwar wegen eines Missverständnisses: Bestandteil der Erlebniswelt ist ein Schausteinbruch. In Breitbrunn gehen die Menschen davon aus, dass hier nur wenige Male im Jahr zu Vorführungszwecken gearbeitet wird.
Dem Eigentümer des Geländes, dem Bamberger Natursteinwerk Hermann Graser, schwebt etwas Anderes vor: Er plant einen regulären gewerblichen Steinbruchbetrieb. Als das ins öffentliche Bewusstsein dringt, unterschreiben alsbald 513 Bürgerinnen und Bürger des gut 1050-Seelen-Ortes gegen die Erweiterung des Kellerbruchs. Die Bürgerinitiative Heimatliebe befürchtet eine massive Beeinträchtigung von Wohn- und Lebensqualität und negative Auswirkungen auf Umwelt und Natur. Die Stimmung kippt gegen das Museum.
Und so kann der Breitbrunner Gemeinderat nicht anders, als das einst so stolze Leuchtturmprojekt im Oktober 2021 mit 13:0 Stimmen zu Grabe zu tragen.
Fazit: Gegen den Widerstand der Menschen vor Ort geht selbst in einem alten Steinbruch das schönste Leuchtturmprojekt zu Bruch.
4. Wenn höhere Gewalt ins Spiel kommt: Der Dorfladen in Rentweinsdorf
Damit hätte die Gemeinde Rentweinsdorf ein Alleinstellungsmerkmal im Landkreis Haßberge gehabt:
Das Erfurter Start-Up "Emmas Tag und Nachtmarkt GmbH" kündigt 2021 an, eine Filiale in der 1500-Einwohner-Gemeinde zu errichten. Alsbald können die Kundinnen und Kunden rund um die Uhr aus über 1000 Produkten des täglichen Bedarfs auswählen, so die Perspektive. Sie betreten den Laden mit einer speziellen Karte, scannen die Waren selbst an der Kasse ein und bezahlen online, ohne Verkaufspersonal zu begegnen.
Rentweinsdorf freut sich über die Digitalisierung, vor allem aber über die Sicherstellung der Nahversorgung der älter werdenden Bevölkerung mit dem Allernötigsten. Plus Elektrotankstelle, Paketstation oder Café-Bar, die gibt es "obendrauf". Die Kommune will sich finanziell an dem auf 20 Jahre ausgelegten 450.000-Euro-Projekt beteiligen.
Doch helfen die besten Ideen nichts, wenn den Köpfen dahinter das Geld ausgeht: Die "Emmas Tag und Nacht GmbH" muss im Februar 2023 Insolvenz anmelden. Das ist auch das Aus für die Filiale Rentweinsdorf. Die Geschichte hier ist aber noch nicht ganz zu Ende: Mit einem zweiten potenziellen Betreiber klappt es wiederum nicht, weil dieser darauf setzt, dass ihm die Gemeinde den Laden baut. Was der Rentweinsdorfer Rat auch angesichts explodierender Kosten auf dem Bau ablehnt.
Bürgermeister Steffen Kropp indes will nicht aufgeben, er sucht weiterhin den Kontakt mit Firmen. Trotzdem lautet das Fazit einstweilen: Nicht alles hat man selbst in der Hand. Und ohne die nötige Portion Glück klappt auch das schönste Projekt nicht.
5. Zu klein gedacht ist falsch gemacht: Der Sportpark Eichelsee in Haßfurt
Zu den hochfliegenden Plänen, die schließlich eine brutale Bauchlandung hinlegen, gehört der Sportpark Eichelsee des Turnvereins Haßfurt. Es ist nun bald 15 Jahre her, dass der TV der Öffentlichkeit ein atemberaubendes Projekt vorstellt: Der Verein will eine Dreifachturnhalle bauen, mit allem Drum und Dran, zum Beispiel einer eigenen Gastronomie. Ein ganzer Sportpark eben.
Der TV Haßfurt ist ein großer Verein, er hat über 1200 Mitglieder. Aber es ist klar: Alleine kann der Club die Finanzierung nicht stemmen. Es geht um Investitionen in Millionenhöhe. Die TV-Verantwortlichen wollen die Stadt mit an Bord holen. Der damalige Bürgermeister Rudi Eck ist klarer Befürworter des Sportparks, er denkt in großen Dimensionen, an den Ausbau Haßfurts zur Sportstadt auf Höhe der Zeit – die Dreifachturnhalle würde dafür nicht nur dem TV zur Verfügung stehen.
Doch es kommt anders: Der Stadtrat lehnt Anfang 2012 das Finanzierungskonzept ab. Zu gewaltig erscheint den Fraktionen der städtische Zuschuss von rund zwei Millionen Euro, zu riskant die Zwischenfinanzierung und Bürgschaften über weitere Millionenbeträge. Der TV reagiert, versucht umzuplanen, das Vorhaben abzuspecken. Das Ringen um den Sportpark zieht sich bis 2015 hin, dann gibt der Verein auf. Nun liegt der Ball bei der Stadt. Lange tut sich nichts, schließlich baut die Stadt auf dem TV-Gelände eine Einfachturnhalle, die 2023 in Betrieb geht. Der TV ist nur noch Mieter.
Alsbald werden gravierende Nachteile der Halle deutlich: Etwa, dass der Schulsport der Waldorfschule hier nicht wie geplant stattfinden kann, weil Buben und Mädchen nicht getrennt voneinander trainieren können. Vor allem aber wird den Menschen in der Kreistadt klar: Für das Geld, das die Einfachturnhalle ohne Anbaumöglichkeiten gekostet hat, hätten sie vor Jahren mindestens eine moderne Zweifachturnhalle bekommen.
Fazit: Wenn man ein Berg ist, aber nur eine Maus gebären will, dann kann auch nichts anderes dabei herauskommen als eine Maus.