Bekommt Rentweinsdorf die modernste Einkaufsmöglichkeit aller Dörfer in ganz Unterfranken? Nach den Planungen der Gemeinde soll hier ein Laden entstehen, in dem die Kundinnen und Kunden 24 Stunden am Tag einkaufen können. Verkaufspersonal braucht es dazu nicht, und das, obwohl der Markt mehr können soll als nur Produkte bereithalten.
In fast jeder dritten Kommune in Bayern sind die Lebensmittelläden und kleinen Geschäfte von der Bildfläche verschwunden. Von diesem "Ladensterben" ist auch die Marktgemeinde Rentweinsdorf seit Jahren betroffen. Sie will sich damit nicht zufriedengeben, möchte den entgegengesetzten Weg gehen und dafür sorgen, dass ihre Bürger rund um die Uhr in "Emmas Tag und Nacht-Markt" einkaufen können. "Hoffentlich gelingt der Startschuss für dieses Zukunftsprojekt für unsere Marktgemeinde und unsere Bürger. Wir wären damit eine der ersten Gemeinden in Bayern", betonte Bürgermeister Steffen Kropp in der Sitzung des Marktgemeinderates.
Das Interesse seitens der Bürger ist groß: "Viele Augen beobachten uns"
Während sonst die Sitzung nur von wenigen Zuhörern verfolgt wird, waren diesmal über 30 Bürger gekommen und darüber staunte auch Bürgermeister Steffen Kropp. "Viele Augen beobachten uns heute. Es ist auch aus unserer Perspektive schön, so viele Zuschauer zu sehen", sagte er. Der Gemeinderat habe sich schon in einer nichtöffentlichen Sitzung über das Thema Laden ausgetauscht und nun wolle man die Öffentlichkeit informieren.
Geschäftsführer Andreas Gerulli von Emmas Tag und Nacht-Markt, Bayern GmbH, stellte das neue Zukunftsprojekt mit Blick auf den ersten derartigen Markt in Altengottern (Thüringen) vor, der seit eineinhalb Jahren störungsfrei laufe. Viele Dörfer träumten davon, endlich wieder einen Dorfladen oder Supermarkt zu bekommen. Deswegen wolle man das Projekt auch auf alle Bundesländer ausdehnen und habe schon einzelne Standorte ausgewählt. Bayernweit soll der erste digitale Supermarkt dieses Formats noch in diesem Jahr in Altenthann bei Regensburg öffnen.
Digitaler Laden für das digitale Dorf von morgen
Für Hofläden benötige man hohe Investitionen und dadurch fehle auch die Plattform für lokale und regionale Anbieter. Außerdem würde auch der Verlust von sozialen Kommunikationspunkten sichtbar. Geschäftsführer Gerulli stellte heraus, dass das "digitale Dorf von morgen" die Lebensqualität in den ländlichen Regionen verbessern soll - was sich sein Unternehmen in 1000 Gemeinden in Bayern vorstellen kann. Ziel sei die Versorgung der Bürger in ländlichen und infrastrukturschwachen Regionen mit Waren und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs - gemeint sind Gemeinden von 500 bis 2500 Einwohnern - und Ortschaften mit überwiegend älterer und in der Mobilität eingeschränkter Bevölkerung.
Emmas Tag-und Nacht-Markt Einkaufsmarkt soll auf einer Fläche von 100 Quadratmetern ein Vollsortiment mit rund 1200 Produkten des täglichen Bedarfs bieten, wobei der Kunde bei jedem Produkt aus zwei Artikeln auswählen kann. Der hohe Anteil von regionalen Anbietern sei durchaus erwünscht. Hier denke man an Bäcker, Metzger, Imker oder auch Gemüselieferanten. Dank auf künstlicher Intelligenz basierender Warenwirtschaft erkennt der Laden selbst, welche Waren nachbestellt werden müssen.
Die Gemeinde muss das gewünschte Grundstück noch kaufen
Natürlich gebe es gewisse Voraussetzungen, etwa ein eigenes Grundstück, das die Gemeinde im Rahmen eines Erbbaurechtes für 30 Jahre zur Verfügung stelle. Die Finanzierung erfolge dann aus dem Eigenanteil der Gemeinde und der Investition von "Emma", wobei die Gesamtkosten auf 450 000 Euro geschätzt werden. Nach 20 Jahren werde das Gebäude dann Eigentum der Gemeinde, die Gesellschaft übernehme jedoch die Betreiberpflicht für weitere 20 Jahre.
Bürgermeister Steffen Kropp betonte, dass er selbst schon vor Ort in dem Laden gewesen und vom Projekt überzeugt sei. Die Gemeinde habe schon mit Baron von Rotenhan Vorverhandlungen zum gewünschten Grundstück geführt, das gegenüber dem jetzigen Kindergarten liegt. Von Gemeindeseite befinde man sich also "in sicheren Gewässern" und wolle möglichst noch im Dezember eine Entscheidung treffen.
Mit Bargeld geht hier gar nichts mehr
Da viele Zuhörer anwesend waren, informierte Geschäftsführer Gerulli über den praktischen Teil des Einkaufs. Kundinnen und Kunden brauchen eine Zugangskarte für den Einkauf. Über eine PIN gelangen sie in den Laden. Im Eingang werden sich eine digitale Infotafel und eine Paketladestation befinden, die auch auf ein Medikamentensystem mit Arzneiabholung erweitert werden kann.
Die Käufer scannen ihre Waren selbst ein und bezahlen am Kassenautomaten mit EC-Karte. Bargeld geht nicht. Es gibt eine Sprechanlage, gewissermaßen können Kunden somit mit dem Kassenautomaten sprechen. Laut Geschäftsführer Gerulli kommen die Waren zum größten Teil von Edeka - die Preise würden nahezu gleich sein. Die Gemeinde könne sagen, was sie sonst noch gerne im Angebot hätte.
Außerdem soll es einen kostenlosen WLAN-Hotspot und eine E-Tankstelle sowie ein E-Auto vor Ort geben, das seinen Standort an der Landestation vor dem Markt habe. Wer wolle, könne seinen Einkauf so nach Hause fahren. Dies könne man im Rahmen einer Premium-Mitgliedschaft für einen Monatsbeitrag nutzen.
Wie geht das: Tante-Emma-Laden oder Emma...?
Das Projekt führte zu vielen weiteren Fragen im Gremium, etwa der Auswahl der lokalen Anbieter. Kurt Weißheimer ((FW-ÜWG) interessierte die Bauweise des Marktes und auch die Erfahrung mit älteren Nutzern, während Ludwig Bock (FW-ÜWG) auf die naheliegenden Supermärkte in Ebern verwies und ob ein Mindestumsatz erforderlich sei, um ihn überlebensfähig zu halten. Letzteres wurde verneint und angesichts der Einwohnerzahl von Rentweinsdorf mit Ortsteilen sei man sehr zuversichtlich. Franziska Schmittlutz (SPD) interessierte besonders die Frage, wie man mit diesem Markt rund um die Uhr ohne Personal auskomme und wie er zu einem sozialen Kommunikationspunkt werden soll.
Geschäftsführer Gerulli erklärte hierzu, dass vieles über die Gesellschaft geregelt werde, man aber doch auch vor Ort jemand brauche, der einmal nach dem Rechten sehe. Dies könne über eine Teilzeitbeschäftigte erfolgen oder beim Einsortieren und Aussortieren helfe. Nach den bisherigen Erfahrungen werde der Markt doch zu einem Treffpunkt von Jung und Alt; und am Anfang würden die Jungen den Älteren helfen. Ansonsten sei alles für die Sicherheit über ein Kamera- und Notrufsystem überwacht.
Beschlussfassung noch vor Ablauf des Jahres?
Bürgermeister Steffen Kropp zeigte sich zuversichtlich und kündigte an, dass man möglichst noch im Dezember die Grundstücksfrage klären und bei Erfolg auch bald den entsprechenden Beschluss für dieses Zukunftsprojekt fassen wolle.