Auf der einen Seite steht der Wunsch nach mehr Transparenz, auf der anderen Seite der Datenschutz. So sorgte die Frage, ob die Sitzungen des Stadtrats der Kreisstadt Haßfurt künftig per Livestream im Internet übertragen werden sollen, in der Sitzung am Montag für einiges an Diskussionsstoff. Gleich vier Stadtratsfraktionen, nämlich CSU, SPD, Grüne und Junge Liste, hatten am 25. November 2020 gemeinsam den Antrag auf eine Übertragung der Sitzungen gestellt. Die Verwaltung der Kreisstadt empfahl allerdings, den Antrag aus Datenschutzgründen abzulehnen. Dieser Auffassung schlossen sich Bürgermeister Günther Werner und die Fraktion der Wählergemeinschaft (WG) an.
Ein Mittel, um mehr Transparenz zu schaffen
"Transparenz ist der Grundbaustein für Bürgerbeteiligung", heißt es in dem Antragsschreiben vom 25. November, das die Unterschriften der vier Fraktionsvorsitzenden Volker Ortloff (CSU), Manfred Stühler (SPD), Felix Zösch (Grüne) und Sven Schnös (Junge Liste) trägt. Jeder Bürger habe das Recht, die Sitzungen ungefiltert zu verfolgen, doch nicht jeder habe die Zeit, sich unter der Woche abends in eine mehrstündige Sitzung zu setzen, wenn ihn eigentlich nur einer der vielen Tagesordnungspunkte interessiert. Dazu kämen die eingeschränkte Mobilität mancher Menschen und der Aufwand, den der Gang ins Rathaus bedeutet.
Dass aktuell durch die Corona-Pandemie die Möglichkeit und die Bereitschaft der Menschen eingeschränkt sind, sich in einer öffentlichen Sitzung in den Zuschauerraum zu setzen, wird in dem Antrag zwar als weiterer Punkt erwähnt. Die Formulierungen machen aber deutlich, dass es den Antragsstellern bei dem Livestream nicht um eine zwischenzeitliche Lösung in Pandemie-Zeiten geht. Vielmehr soll die Übertragung der Sitzungen dauerhaft angeboten werden.
Nicht alle Ratsmitglieder wollen im Internet zu sehen sein
Die Stadtverwaltung betont dagegen den hohen Aufwand, den eine Übertragung mit sich bringen würde – sowohl im Bezug auf die nötige Technik als auch im Bezug auf den Datenschutz. Nicht alle Stadträte hätten einer Übertragung von Bild und Ton im Internet zugestimmt. Auch deren Rechte müssten gewahrt werden. Weiter heißt es in dem Schreiben, mit dem die Verwaltung dem Stadtrat empfiehlt, den Antrag auf eine Liveübertragung abzulehnen: "Eine bei Kommunen vergleichbarer Größenordnung durchgeführte Umfrage zu diesem Thema liegt ebenfalls bei. In allen Kommunen wird derzeit kein Livestream durchgeführt, ist in der Regel auch nicht geplant und wurde in einigen Gemeinden bereits auch abgelehnt."
CSU-Politiker Volker Ortloff hielt dagegen. Was den großen Aufwand angehe, den die Verwaltung als Argument gegen eine Übertragung ins Feld führte, meinte er: "Die Kosten können reduziert werden, aber das wurde nicht betrachtet." Und auch die Gewährleistung des Datenschutzes sei durchaus technisch machbar. "Bayreuth macht das. München macht es schon lange."
Ist der Livestream ein Thema für die "Smart Green City"?
Auch Stephan Schneider (SPD) betonte, er wolle eine Lanze für den Livestream brechen. Ja, das Konzept wirke auf viele "neu und seltsam", aber es sei wichtig, die Politik "transparent und greifbar" zu machen. Schneider und Ortloff sprachen auch beide die Rolle der Stadt Haßfurt als "Smart Green City" an. Wenn die Stadt schon diesen Titel habe und damit an einem Modellprojekt zur Digitalisierung teilnehme, dann müsse man dem auch gerecht werden.
Dieser Aussage widersprach Michael Spies (WG). "Wir haben in den letzten Monaten gelernt, alles unter Smart Green City zu subsummieren", sagte er. Dabei sei eben nicht alles, was irgendwas mit Digitalisierung zu tun hat, automatisch ein Smart-Green-City-Thema. Spies betonte, dass eine Liveübertragung von Stadtratssitzungen nicht im Rahmen des Modellprojekts förderfähig sei. So könne man sich auch bei der Forderung nach einem Livestream der Sitzungen nicht auf den Titel "Smart Green City" berufen.
Dieser Auffassung widersprach Felix Zösch (Grüne). Seiner Meinung nach haben auch Digitalisierungsthemen, die nicht nach den Richtlinien des Modellprojekts gefördert werden können, etwas mit "Smart Green City" zu tun. "Man muss auch mal vorlegen und was riskieren", sagte er.
Wählergemeinschaft sieht Probleme bei der Umsetzung
Michael Spies und sein Fraktionskollege Norbert Geier betonten, sie seien nicht grundsätzlich gegen die Übertragung der Sitzungen, sähen aber aktuell noch Probleme mit der Umsetzung. "Ich kann's mir durchaus vorstellen, aber vieles ist noch ungeklärt", sagte Geier. Spies meinte: "Wenn man's machen will, dann muss man's vernünftig machen."
Auch die Frage nach Kosten und Nutzen spielte in der Diskussion eine Rolle. So argumentierten einige, auch in Vor-Corona-Zeiten seien nur selten viele Zuschauer in den öffentlichen Sitzungen gewesen. Dementsprechend seien auch bei einer Übertragung im Internet nicht viele Zuschauer zu erwarten. Befürworter des Livestreams hielten dagegen, dass es um Transparenz und einen Zugang für alle gehe – da dürfe man nicht mit geringen Zuschauerzahlen argumentieren.
Viel Aktionismus und eine Veränderung der Diskussionen
Michael Zehe (WG) meinte dennoch, bei dem Thema sei "viel Aktionismus dabei". Außerdem gab er zu bedenken, dass das Wissen um eine Liveübertragung auch die Art und Weise verändern könne, wie Stadträte ihre Reden halten. "Die Diskussionen werden sich verändern", prophezeite er. Denn mit einem Livestream würden sicher manche Stadträte mehr Wert auf die Außenwirkung ihrer Redebeiträge legen als bisher. So befürchte er, dass manche sich nicht mehr trauen würden, etwas zu sagen, während andere sich zu ausschweifenden Reden verleiten lassen, die eher an die Bevölkerung gerichtet sind als einen ernsthaften Beitrag zur Diskussion darzustellen.
Letztlich stimmten zwölf Ratsmitglieder für den Livestream, nur neun folgten dem Beschlussvorschlag der Verwaltung, die Übertragung abzulehnen. Somit wird die Verwaltung durch den Stadtrat beauftragt, ein Konzept zu erstellen, mit dem sich Livestreams der Sitzungen umsetzen lassen.
Stadträte die, nicht online in der Sitzung sein wollen, dürften demnach aus den gleichen Datenschutzvorwänden auch an öffentlichen Sitzungen nicht teilnehmen. Das ist ihr Recht, dann müssen sie aber ihr Mandat niederlegen, weil sie es damit dauerhaft nicht ausüben können.