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Haßfurt
Haßfurt: Norbert Geier, das Gesicht der Stadtrats-CSU, geht zur WG
"Unüberbrückbare Probleme": Der langjährige Fraktionsvorsitzende und jetzige Zweite Bürgermeister hat seinen Entschluss am Donnerstagabend bekannt gegeben.
Norbert Geier, Zweiter Bürgermeister von Haßfurt und langjähriger CSU-Stadtrat, schließt sich der Wählergemeinschaft der Kreisstadt an.
Foto: Wolfgang Sandler | Norbert Geier, Zweiter Bürgermeister von Haßfurt und langjähriger CSU-Stadtrat, schließt sich der Wählergemeinschaft der Kreisstadt an.
Martin Sage
 und  Peter Schmieder
 |  aktualisiert: 12.09.2022 15:05 Uhr

Diese Nachricht wird in den politisch interessierten Kreisen der Kreisstadt einschlagen wie die sprichwörtliche Bombe. Und sie wird auch die Christsozialen im Landkreis erschüttern: Norbert Geier, seit fast zwei Jahrzehnten eine Galionsfigur der CSU in Haßfurt und eine der tragenden Säulen der CSU-Stadtratsarbeit, kehrt seiner Partei voller Enttäuschung den Rücken. Er wechselt ins Lager der Wählergemeinschaft Haßfurt, die mit Günther Werner, der kurioserweise einst der SPD angehörte, auch den Bürgermeister stellt. Geier selbst ist seit der Kommunalwahl in diesem März Zweiter Bürgermeister. 

In einem Post auf Facebook und in einer nahezu gleichlautenden E-Mail an Haßfurter Tagblatt und Bote vom Haßgau begründet Geier am Donnerstagabend seine Entscheidung, die sich die Redaktion in einem kurzen Telefonat von dem Kommunalpolitiker bestätigen ließ.  

An eine Verbesserung will Geier nicht glauben

"Seit der Neuwahl 2020 hat sich die Zusammenarbeit und Kommunikation mit einigen Mitgliedern der Fraktion nicht so entwickelt, wie ich es mir gewünscht hätte", stellt der 64-Jährige in seinem Schreiben fest. In den vergangenen 18 Jahren habe es innerhalb seiner CSU-Fraktion keine unüberbrückbaren Probleme gegeben, seit diesem Frühjahr erlebe er es anders. Der Versuch, klärende Gespräche zu führen, habe nicht zum Erfolg geführt, an eine Verbesserung will Geier hier nicht mehr glauben. Persönlich merkte der Sparkassenbetriebswirt im Ruhestand an, dass er aber definitiv keine schmutzige Wäsche waschen wolle.

Geier wird Stadtrat und Zweiter Bürgermeister bleiben

Seine Ämter als Stadtrat und Zweiter Bürgermeister will das künftige WG-Mitglied behalten. Die Kommunalwahl sei eine Persönlichkeitswahl, er wolle das Vertrauen aller, die ihm hier ihre Stimme gegeben haben, nicht enttäuschen. Warum er gerade zur WG wechselt, begründet Geier: "Weil ich dort in der Vergangenheit eine hohe Zahl von Übereinstimmungen in vielen Bereichen der Stadtratsarbeit festgestellt habe."

Was ist mit der Haßfurter CSU los?

Dass Geier seinem bisherigen Lager den Rücken kehrt, wirft indes die Frage auf, wie es um die Haßfurter CSU bestellt ist. Erst im letzten Jahr hatte Michael Spies ebenfalls die "schwarze Fraktion" verlassen und sich der WG angeschlossen. Die beiden Schritte seinen aber nicht ganz vergleichbar, sagt Spies. "Die Grundmotivation war unterschiedlich", auch wenn es im einen oder anderen Punkt sicher Überschneidungen gäbe. Damit hält er sich, ähnlich wie Geier selbst, eher bedeckt, wenn es darum geht, in welchen Punkten sich die CSU nicht auf eine gemeinsame Linie einigen konnte.

Mehr Fragezeichen als Antworten

So wurde auch Volker Ortloff von der Nachricht überrascht. "Im Moment sehe ich mehr Fragezeichen, als dass ich Antworten habe", sagt der Fraktionsvorsitzende der CSU. Vor allem findet er, dass Geiers Entscheidung überraschend schnell kommt. "Wenn wir mehr erlebt hätten, dann hätte ich das eher verstanden", meint Ortloff. Beispielsweise, wenn die Fraktion ein Jahr lang zusammengearbeitet und sich über den Haushalt "gefetzt" hätte. Aber dass Geier nach wenigen Monaten mit gerade einmal drei Stadtratssitzungen und einer langen Sommerpause der CSU den Rücken kehrt, bezeichnet Ortloff als "sehr schnellen Entschluss".

Pannen und Peinlichkeiten

Zu den Pannen und Peinlichkeiten innerhalb der Haßfurter Christsozialen hatten sich zuletzt auch die völlig verunglückten Nazi-Vorwürfe gegen Ortloff gesellt, der auf Facebook Urlaubsfotos aus der Eifel geteilt hatte, woraufhin ihm einige SPD-Politiker zu große Bewunderung für die NS-Kaderschmiede Ordensburg Vogelsang unterstellt hatten. Die Spitze der Haßfurter CSU um die Vorsitzende Claudia Glückert und auch Norbert Geier distanzierte sich öffentlich von dem Post, während selbst politische Gegner, vor allem aus den Reihen der Grünen, Ortloff gegen die Anschuldigungen in Schutz nahmen. "Die zerfleischen sich am liebsten gegenseitig", hieß es hinter vorgehaltener Hand über das Frontpersonal der Kreisstadt-CSU.

Neuverteilung in den Ausschüssen

Michael Spies betont als Fraktionssprecher der Wählergemeinschaft, er freue sich auf die Zusammenarbeit mit Geier, den er als erfahrenen Stadtrat und Bereicherung bezeichnet. "Ich freue mich, dass er weitermacht und nicht den Weg des geringsten Widerstandes gegangen ist." Den Beschluss, den Ex-CSU-Politiker in ihren Reihen aufzunehmen, habe die WG-Stadtratsfraktion einstimmig getroffen.

Mit dem Fraktionswechsel kommt auch eine Neuverteilung der Sitze in den Ausschüssen. "Für uns ist das ein Schlag ins Gesicht", meint dazu Felix Zösch von den Grünen, denn die Rechnungen führen wohl dazu, dass seiner Fraktion ein Sitz in einem Ausschuss verloren geht, obwohl sich weder an der Gesamtzahl der Stadträte noch an der Zahl an Grünen-Stadträten etwas geändert hat.

Michael Spies betont, dass von den zusätzlichen Ausschusssitzen, die die WG durch ihr neues Mitglied bekommt, wohl keiner an Norbert Geier selbst gehen werde. "Norbert Geier hat immer gesagt, er will nicht mehr, nicht weniger Posten als vorher", betont Spies.

Eine Fraktion – drei Bürgermeister

Und was halten die Haßfurter Stadträte von der seltsamen Konstellation, dass nun eine einzige Fraktion sowohl den Bürgermeister als auch dessen beide Stellvertreter stellt? SPD-Fraktionsvorsitzender Manfred Stühler scheint damit kaum ein Problem zu haben. Er ist mit Norbert Geier befreundet und betont, trotz mancher Meinungsverschiedenheiten hätten sie sich "immer bestens verstanden". Zudem habe er Geier in der letzten Legislaturperiode als "den besten Stadtrat" erlebt. "Die Besten gehören vorne hin", betont Stühler.

Volker Ortloff findet es "demokratisch gesehen ungut", wenn alle drei Bürgermeister in einer Fraktion sind. "Das muss Norbert Geier auch bewusst gewesen sein." Allerdings sagt Ortloff auch: "Er ist für die CSU angetreten, aber er hat als Norbert Geier gewonnen." Die übrigen sechs CSU-Stadträte müssten nun "an einem Strang ziehen und ordentliche Oppositionsarbeit leisten".

"Jetzt nimmt er den Posten halt mit"

Ähnlich sieht es Felix Zösch von den Grünen. Auch er finde die Konstellation "komisch", dennoch sei die Wahl der stellvertretenden Bürgermeister eine Personenwahl. "Die Fraktion ist dabei zweitrangig, aber sie spielt trotzdem eine Rolle." Zösch nimmt es locker: "Jetzt nimmt er den Posten halt mit."

Michael Spies weist darauf hin, dass Haßfurt ja nicht die einzige Stadt im Landkreis sei, in der eine Fraktion alle Bürgermeister stellt. "In Königsberg ist es auch so, da hat es die CSU mit ihrer Macht durchgedrückt." Für die Haßfurter Wählergemeinschaft sagt er: "Wir hätten es bei der Konstituierenden Sitzung nicht so gemacht." Sprich: Auch wenn die WG die Macht gehabt hätte, sich alle drei Bürgermeisterposten zu sichern, hätte sie lieber einen abgegeben, um ein Zeichen für gute Zusammenarbeit zu setzen. "Aber dass es jetzt so ist, ist nicht unsere Schuld."

 
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  • M. S.
    @webewue:
    ich möchte entschieden wiedersprechen! Gerade in der Kommunalpolitik sollte die Parteipolitik hinten anstehen! Ihre Aussage "Kommunalpolitik is kein Zeitvertreib für Rentner" halte ich für eine grobe Beleidigung!
    Kommunalpoltik ist ein "Zeitvertreib" für engagierte Personen, egal ob sie jung oder alt sind. Viele dieser Ehrenämter werden von Personen besetzt die eh schon ehrenamtlich zum Wohle einer Gemeinschaft oder eines Vereins engagiert sind. Ein Hoch auf jede Person die sich ihrer Gemeinde verpflichtet fühlt und Parteistreitigkeiten die nichts in kleinen Ortschaften verloren haben den Kampf ansagt.
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  • W. B.
    Egal wer, wann, wo, wie, jeder ist ersetzbar! Wer andern eine Grube gräbt muss damit rechnen, dass er selbst reinfällt!
    Hätte man sich für das Wohl der Stadt eingesetzt, wäre kaum Zeit persönliche Befindlichkeiten so auszuleben! Kommunalpolitik ist kein Zeitvertreib für Rentner.
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