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Bad Kissingen/Würzburg
Tabuthema Vorsorgevollmacht: Brauche ich selbst eine Vorsorgevollmacht und was sollten Angehörige tun und wissen?
Wer eine Vorsorgevollmacht hat, darf finanzielle und gesundheitliche Entscheidungen für andere treffen. Berater Marco Brust sagt, was man beachten sollte.
Eine Vorsorgevollmacht sollte so früh wie möglich erteilt werden. Denn zum Zeitpunkt der Erteilung müssen Betroffene geschäftsfähig sein.
Foto: Torsten Leukert | Eine Vorsorgevollmacht sollte so früh wie möglich erteilt werden. Denn zum Zeitpunkt der Erteilung müssen Betroffene geschäftsfähig sein.
Nicole Schmidt
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:37 Uhr

Ob durch Unfall, Krankheit oder Alter - wer nicht mehr in der Lage ist, selbst Entscheidungen zu treffen, benötigt eine oder mehrere Personen, die sich um gesundheitliche oder finanzielle Belange kümmern. Dass später vielleicht einmal andere über das eigene Leben entscheiden, bereitet jedoch vielen Menschen Unbehagen. 

Umso wichtiger ist deshalb laut Berater Marco Brust, mithilfe einer Vorsorgevollmacht eine vertrauensvolle Betreuungsperson zu benennen. Der 52-Jährige vom ARV Betreuungsverein Unterfranken mit Sitz in Bad Kissingen berät seit 22 Jahren nicht nur Angehörige bei Fragen über die Vorsorgevollmacht. Er ist auch ehrenamtlicher Betreuer von rund 40 Personen zwischen 18 und 90 Jahren.

Warum sollte ich eine Vollmacht abschließen? Wie entscheide ich, welches Familienmitglied als Betreuerin oder Betreuer infrage kommt? Was passiert, wenn Angehörige die Vorsorgevollmacht missbrauchen? Diplom-Sozialpädagoge Marco Brust antwortet auf die wichtigsten Fragen.

Wann sollte ich eine Vorsorgevollmacht erteilen?

Eine Vorsorgevollmacht sollten alle ab dem 18. Lebensjahr erteilen. "Es ist unangenehm, sich mit der Vorsorgevollmacht auseinanderzusetzen", sagt Marco Brust, "doch viele Krankheiten halten sich nicht mehr ans Alter und können bereits in jungen und mittleren Jahren auftreten. Nur mit einer Vorsorgevollmacht habe ich Einfluss darauf, wer mich vertritt."

Die Annahme, dass Eltern oder Kinder automatisch im Falle einer Pflegebedürftigkeit für den jeweils anderen Entscheidungen treffen dürfen, ist falsch. Mit der Volljährigkeit erlischt das Sorgerecht, informiert das Bundesministerium für Justiz. Zwar greift seit 1. Januar 2023 bei fehlender Vorsorgevollmacht ein Ehegattennotvertretungsrecht, dieses ist aber stark eingeschränkt.

Es kann nur von Ehepartnern oder eingetragenen Lebenspartnern und lediglich für sechs Monate bei medizinischen Entscheidungen in Anspruch genommen werden, erklärt Brust. Das Problem: "Der Arzt ist gefordert und muss feststellen, ob ein Paar noch verheiratet ist. Oder ob es getrennt lebt oder aus einem anderen Grund ausgeschlossen wurde, dass der eigene Partner einen vertritt."

Mein Angehöriger ist nicht geschäftsfähig, hat aber keine Vorsorgevollmacht erteilt - was kann ich tun?

Ist eine Person nicht mehr geschäftsfähig, kann keine Vollmacht mehr erteilt werden. "Angehörige und auch der Betreffende selber müssen sich dann an das Betreuungsgericht wenden", erklärt Marco Brust vom Betreuungsverein. "Das hört sich jetzt schlimm an, ist es aber nicht." Das Betreuungsgericht gebe das Verfahren an die Betreuungsstelle von Stadt oder Landkreis weiter, wo beispielsweise durch ein medizinisches Gutachten geprüft wird, ob die Voraussetzungen für eine Betreuung tatsächlich gegeben sind. 

Erst dann schlägt die Betreuungsstelle eine Betreuerin oder einen Betreuer vor, teilt das Landratsamt Würzburg mit. Grundsätzlich würden die Betreuer zunächst in der Familie gesucht. Findet sich niemand, der die Betreuung ehrenamtlich übernimmt, wird ein Berufsbetreuer bestellt. Ehrenamtliche Betreuer müssen ein Führungszeugnis und eine Schuldnerauskunft vorlegen, Berufsbetreuer ein pädagogisches oder juristisches Studium vorweisen.

Marco Brust vom Betreuungsverein Unterfranken betreut selbst derzeit 40 Personen zwischen 18 und 90 Jahren. Sein Rat: Eine Vorsorgevollmacht sollte auch eine Vollmacht für das Bankkonto beinhalten.
Foto: Torsten Leukert | Marco Brust vom Betreuungsverein Unterfranken betreut selbst derzeit 40 Personen zwischen 18 und 90 Jahren. Sein Rat: Eine Vorsorgevollmacht sollte auch eine Vollmacht für das Bankkonto beinhalten.

Dass Berufsbetreuer die Betreuung übernehmen, kommt dem Landratsamt zufolge selten vor. "Wir werden immer mal angefragt, wenn Personen im Krankenhaus behandelt werden müssen und keine Angehörigen da sind", bestätigt Marco Brust. "Dann übernehmen wir eine Eil-Betreuung."

Muss ich mit der Vorsorgevollmacht alle Entscheidungen in die Hände des Bevollmächtigten geben? 

Der erste Schritt ist, sich zu überlegen, in welchen Bereichen der Bevollmächtigte handeln darf. Tipp des Experten: Die Vorsorgevollmacht sollte umfassend sein und neben gesundheitlichen Entscheidungen auch eine Vollmacht für Bankgeschäfte und den Zugriff auf die Post ermöglichen. "Das ist ein ganz wichtiger Punkt, denn nur dann darf der Bevollmächtigte die Post öffnen, lesen oder umleiten, das wird oft vergessen", sagt Brust.

Im zweiten Schritt sollten auch die Wünsche des Betreuenden in einer sogenannten Innenverhältnisregelung schriftlich festgehalten werden, um familiäre Konflikte zu vermeiden. So kommt es laut Dagmar Hoffmann, Sprecherin des Landratsamts Würzburg, teilweise zu Streit, wenn Kinder sich nicht über eine Maßnahme im medizinischen oder finanziellen Bereich einigen könnten.

Für mehr Sicherheit empfiehlt Brust in der Regelung festzuschreiben, dass zwei Ärzte unabhängig voneinander die fehlende Geschäftsfähigkeit bestätigen müssen oder der finanzielle Verfügungsrahmen des Bevollmächtigten beschränkt wird. Beispielsweise dass Geldgeschenke einen gewissen Betrag nicht übersteigen dürfen. Aber, sagt Brust: "Je mehr ich regle und festschreibe, desto eher kann ein Misstrauen entstehen." Der Bevollmächtigte sollte nicht das Gefühl bekommen, dass ihm nicht vertraut wird.

Wie entscheide ich überhaupt, wer im Notfall die Vorsorge für mich übernimmt?

Welches Familienmitglied dafür infrage kommt, ist eine individuelle Entscheidung. Ein Patentrezept gebe es nicht, sagt Brust. Er rät, sich mit seinen Angehörigen an einen Tisch zu setzen und nachzufragen, wer sich die Verantwortung zutraut. Denn mit der Vorsorge gehen Pflichten einher, beispielsweise müssen Anträge fristgerecht gestellt oder medizinische Dienste bezahlt werden. 

Sollte es nach der Erteilung der Vollmacht zu Streit mit dem Bevollmächtigen kommen, kann "die Vollmacht, solange eine Person noch geschäftsfähig ist, jederzeit zurückgenommen und geändert werden". Vergessen werden sollte dann aber nicht, die Vollmacht vom Bevollmächtigen im Original zurückzuverlangen. 

Wie merke ich, ob eine Vorsorgevollmacht missbraucht wird?

Berufliche und ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer unterliegen einer Nachweispflicht und müssen regelmäßig Berichte über Vermögenssituation oder Gesundheitszustand des Betreuenden an das Gericht verfassen. Diese Pflicht fällt bei einer Vorsorgevollmacht weg. Die Vollmacht könnte also leichter missbraucht werden, sagt Experte Marco Brust. Erste Warnsignale seien Mahnungen, weil Rechnungen nicht bezahlt wurden, das Bankkonto nicht mehr gedeckt ist oder die Pflege vernachlässigt wurde, sodass der Pflegebedürftige ungepflegt, ungewaschen oder mangelernährt ist.

Was kann ich dagegen tun, wenn ein Bevollmächtigter seine Vollmacht missbraucht?

Kommt der oder die Bevollmächtigte den Pflichten nicht nach oder missbraucht die Vollmacht, dann sollten Angehörige das Gespräch suchen. "Angehörige können verlangen, dass der Bevollmächtigte ihnen zeigt, was er gemacht hat, wie er es gemacht hat und wofür Geld ausgegeben wurde", sagt Marco Brust.

Verschafft das keine Klarheit, sollten Betroffene sich an das Betreuungsgericht wenden, um den Missbrauch zu melden, und sich zusätzlich anwaltlichen Rat einholen. Um das Missbrauchsrisiko zu senken, können auch mehrere Bevollmächtigte eingesetzt oder eine Kontrollperson vom Betreuenden bestimmt werden. 

Vordrucke zur Vorsorgevollmacht

Eine Beratung zur Vorsorgevollmacht erhalten Familien bei den Betreuungsvereinen. Zum Beispiel beim Betreuungsverein Unterfranken, Schönbornstraße 66, 97668 Bad Kissingen, Tel. (0971)9908 oder dem Betreuungsverein der AWO in Schweinfurt, Tel. (09721) 295702–0. Außerdem bekommt man Rat bei den jeweiligen örtlichen Betreuungsstellen und Betreuungsgerichten.
Ein Vordruck für eine Vorsorgevollmacht findet sich auf der Homepage des Bundesministeriums der Justiz (www.bmj.de). Einen Vordruck für eine Innenverhältnisregelung bietet zum Beispiel das Landratsamt Haßberge.
Quelle: nidt
 
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