
"Gelegenheit macht Diebe." Dieses Sprichwort hat sich im Falle eines 63-jährigen Schweinfurters bewahrheitet, der sich vor dem Schöffengericht wegen Untreue zu verantworten hatte. Die Gelegenheit, das war bei ihm die fortschreitende Pflegebedürftigkeit seiner Mutter, die, als sie 2016 in ein Seniorenwohnheim wechselte, ihrem Sohn eine Vollmacht für ihr Konto ausstellte.
Mit dieser Vollmacht und der Bankkarte in der Tasche bereicherte sich der Frührentner zwischen Mai 2016 und Dezember 2018 insgesamt 114 Mal am Konto der Mutter. In dieser Zeit war er ihr gesetzlicher Vertreter, was er auch finanziell ausnutzte. Mal waren es nur 35 Euro, dann auch mal 500 Euro – unterm Strich verschwanden 20.055 Euro vom Konto der Mutter.
Aufgeflogen war der perfide "Nebenerwerb" des Sohnes, als Ende 2018 auf Betreiben des Seniorenwohnheims ein offizieller Betreuer für die Frau bestellt wurde. Denn immer wieder war die Rente der Frau, die, abzüglich 143 Euro Taschengeld, zur Deckung der Kosten der Heimunterbringung herangezogen wird, nicht, oder unvollständig auf das Konto des Seniorenheimträgers überwiesen worden. Der bestellte Betreuer nahm das Konto der Frau unter die Lupe und entdeckte die Serienabbuchungen, die immer bei der gleichen Schweinfurter Bank vorgenommen wurden.
Beschuldigter will nur gut die Hälfte des Geldes für sich verwendet haben
Der Beschuldigte räumte die Abbuchungen ein, behauptete aber, dass seine Abhebungen im Wesentlichen mit der Mutter abgesprochen gewesen seien. "Wenn du was brauchst, kannst du dir was nehmen", so der Beschuldigte über das angebliche Einverständnis seiner Mutter. Nur gut die Hälfte des Geldes habe er mit Wissen der Mutter für sich abgezweigt, für die andere Hälfte habe er Arzneimittel, Kosmetik, Bekleidung, oder ihre Taxifahrten zum Kaffeetrinken bezahlt. Tatsächlich legte der Verteidiger des Beschuldigten, Rechtsanwalt Steffen Vogel, Abrechnungen von Apotheken vor, die dies belegen sollen.
Inwieweit die Mutter die Abbuchungen ihres Sohnes zumindest anfangs billigte, darüber kann sie heute keine verlässliche Auskunft mehr geben. Zu weit sei ihre Demenz fortgeschritten, so der am Verfahren beteiligte medizinische Gutachter, zu stark sei das Gedächtnis der mittlerweile geschäftsunfähigen Frau eingeschränkt. Als es ihr noch besser ging, das sagten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des sie betreuenden Seniorenwohnheimes aus, habe sie sich schon hin und wieder über ihren Sohn nach dem Motto "der will ja eh nur mein Geld" beschwert.
Der Sohn war kein gutes Thema
"Der Sohn war kein gutes Thema", so die Pflegedienstleiterin, die aber auch einräumte, dass das Mutter-Sohn-Verhältnis zumindest in den ersten beiden Jahren ihres Heimaufenthaltes noch Züge von Geben und Nehmen hatte. So habe der Sohn die Wäsche seiner Mutter zum Waschen mit nach Hause genommen oder mal etwas für sie aus der Apotheke besorgt. Von den Barabhebungen des Sohnes dürfte allerdings auch zu dieser Zeit nur das allerwenigste bei der Mutter gelandet sein, denn die habe nicht mal mehr Geld für ihre Zigaretten gehabt.
Als ein Betreuer bestellt wurde, flogen die Abbuchungen auf
Als der offizielle Betreuer für die Seniorin bestellt war und damit die Kontovollmacht des Sohnes erlosch, endeten auch die Besuche des Sohnes bei seiner Mutter. "Bis heute hat er sie seither nicht ein einziges Mal besucht", so eine Mitarbeiterin des Seniorenwohnheims.
Der Staatsanwalt gestand dem Beschuldigten zu, etwa 20 Prozent des veruntreuten Geldes tatsächlich zum Wohl der Mutter eingesetzt zu haben. Der Rest sei in die Tasche des Sohnes gewandert, der selbst in prekären finanziellen Verhältnissen lebt. Er forderte für den in der Sache geständigen und wegen Betäubungsmitteldelikten vorbestraften Mann zwei Jahre Haft auf Bewährung. Der Sohn habe sich durch die 114-fache Veruntreuung zulasten seiner Mutter eine fortlaufende Einnahmequelle verschafft. Dem schloss sich das Schöffengericht an. Zu zwei Jahren Haft, ausgesetzt auf drei Jahre Bewährung. Zusätzlich muss der Mann 16.044 Euro zahlen, die er wohl in den kommenden Jahren wird abstottern müssen.