
Ein Jahr und sechs Monate auf Bewährung, lautete die Empfehlung der Staatsanwaltschaft in einem Verfahren wegen Untreue. Bei der Verteidigung sorgte dies für Verärgerung: "Ich habe es in über 30 Jahren in diesem Beruf noch nicht erlebt, dass jemand ein solches Urteil fordert, ohne die wesentlichen Gegenstände des Verfahrens zu kennen", so einer der Verteidiger. Er forderte in seinem abschließenden Plädoyer einen Freispruch. Doch auch Strafrichter Sven Krischer sah nach drei Verhandlungstagen den Vorwurf der Untreue als erwiesen an.
Ein Vater-Sohn-Gespann aus dem Odenwald soll sich von verstorbenen Angehörigen, mit deren Pflege sie betreut waren und dafür als zukünftige Erben eine Kontovollmacht erhielten, insgesamt rund 133.000 Euro erschlichen haben. Am zweiten und dritten Verhandlungstag stand eine Depotauflösung aus dem Jahr 2018 im Mittelpunkt. In deren Folge wurden 65.000 Euro auf das Konto der Verstorbenen überwiesen und kurz darauf vom Jüngeren der beiden Angeklagten bei der Bank abgeholt.
Hohe Geldbeträge müssen bei der Bank telefonisch bestellt werden
Diesen Betrag haben wir nicht vorrätig, der muss telefonisch bestellt werden, informierte ein Bankangestellter, der auch die Auflösung des Depots in Absprache mit den Eheleuten, bei denen es sich um den Onkel und die Tante des älteren Mannes handelte, angestoßen hatte. "Es hat sich nicht mehr rentiert," so der Zeuge. Doch von einer geplanten Schenkung an die Beschuldigten wisse er nichts.
Gesprochen habe er mit den Eheleuten immer alleine, auch die Unterschriften für die Depotauflösung und die Kontovollmacht erfolgten getrennt. Das Problem: Wer die Auszahlung der 65.000 Euro telefonisch ankündigte, der Ehemann oder einer der Erben, musste damals nicht dokumentiert werden, und konnte auch im Verlauf der Verhandlung nicht geklärt werden.
Monatliche Auszahlungen zwischen 500 und 1500 Euro seitens des Ehemannes, einmal sogar 10.000 Euro, waren laut des Mitarbeiters nichts Ungewöhnliches. Er hat "Bargeld gebunkert", da er das Geld "nicht auf dem Bankkonto haben wollte", führte er aus. Trotzdem charakterisierte er das Paar – übereinstimmend mit anderen Zeuginnen und Zeugen – als "sparsam bis geizig".
Eine besonders emotionale Zeugin aus dem näheren Umfeld der Verstorbenen, deren Aussage durch die Verteidigung und den Richter unterbrochen werden musste, berichtete sichtlich nervös, dass der Ehemann sich selbst "20 Cent rausgeben hat lassen" oder bei ihr Zuhause das Licht ausschaltete, um zu sparen. Ohne konkreten Anlass hätte er in ihren Augen daher niemals einen so hohen Betrag verschenkt. Laut Verteidigung wurde beharrlich versucht den Eindruck eines "Geizhalses" zu vermitteln, obwohl der Ehemann einem Neffen rund 30.000 Euro schenkte, als dieser Hilfe benötigte.
Für Auszahlungen am Bankschalter ist eine Legitimation notwendig
Unabhängig davon ist bei einer Auszahlung am Bankschalter eine Legitimation notwendig, so der Bankberater, dazu brauche es eine Vollmacht. Er habe gewusst, dass der jüngere Angeklagte diese besitze und deshalb die 65.000 Euro ausgezahlt, auch weil dieser angab, dass der Kontoinhaber sich im Auto befinde. Gesehen hatte der Angestellte ihn zwar nicht, trotzdem glaubte er dem 37-Jährigen.
Weitere Zeuginnen bestätigten jedoch, dass die Eheleute nicht wussten, dass die Summe aus der Depotauflösung abgehoben wurden. Daraufhin reagierten diese "überrascht und erzürnt". Die Angeklagten belasteten zudem mehrere Anwaltsbriefe, in denen ihnen ein Haus- und Kontaktverbot auferlegt wurde, der Wiederruf der Vollmacht und eine eidesstaatliche Erklärung des Ehemannes in der dieser angab, dass das Geld von den Beschuldigten eigenmächtig abgehoben wurde.
Die polizeiliche Aussage der Ehefrau, dass nie eine Vollmacht erteilt wurde, führte der Richter auf eine diagnostizierte angehende Demenz zurück. Nicht geklärt werden konnte, ob die Angeklagten auch Bargeld aus den Schränken des Paares entwendet haben.
Richter sieht Vorwurf als erwiesen an
Während der Verteidiger den "Belastungseifer" einiger Zeuginnen als "nicht alltäglich" bezeichnete, sieht Richter Krischer den Vorwurf der gemeinschaftlichen Untreue als erwiesen an. Aufgrund der hohen Summe liegt eine besondere Schwere der Tat vor.
Da die Angeklagten den Betrag mittlerweile zurückerstattet haben und keine Vorstrafen besitzen, werden sie zu Freiheitsstrafen von einem Jahr verurteilt, die auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt werden. Den Belastungseifer sah auch der Richter in "deutlichem Maße" gegeben, eine Motivation zur Falschaussage läge aber nicht vor. Das Urteil ist damit rechtskräftig.