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Bad Brückenau
Geht in Bad Brückenau nichts voran? Die Fraktionsvorsitzenden des Stadtrats reden Klartext zum "Offenem Brief"
Unlängst hagelte es in einem "Offenen Brief" Kritik an der Stadtratspolitik. Was die Vertreterinnen und Vertreter von CSU, PWG, SPD, Grüne und FB/FDP davon halten.
In Bad Brückenau gibt es viel zu tun: Nach Angaben der Fraktionssprecher und -sprecherinnen im Stadtrat sind etliche der anstehenden Probleme aus früherer Zeit geerbt. Im Bild die Behelfstreppe von der Kirche hinunter zur Fußgängerzone.
Foto: Isolde Krapf | In Bad Brückenau gibt es viel zu tun: Nach Angaben der Fraktionssprecher und -sprecherinnen im Stadtrat sind etliche der anstehenden Probleme aus früherer Zeit geerbt.
Isolde Krapf
 |  aktualisiert: 10.02.2024 18:59 Uhr

In Bad Brückenau gehe politisch nichts voran, hatten die Unternehmer Hans-Jörg Heidelmeier und Klaus Abersfelder (beide PWG) unlängst in einem "Offenen Brief" moniert und den Rücktritt von CSU-Bürgermeister Jochen Vogel gefordert. Ihre massive Kritik bezieht sich freilich auch auf die Arbeit des Stadtrats. Von dort war öffentlich bislang wenig zu den harschen Vorwürfen zu hören gewesen. Tut sich tatsächlich politisch nichts im Stadtrat? Wie stehen die Fraktionen zum Rathauschef? Wir fragten nach.

Über den "Offenen Brief" sei in seiner Fraktion sachlich diskutiert worden, sagt CSU-Fraktionsvorsitzender Heribert Übelacker. Mit dem Anhang zu diesem Schreiben, das heißt mit den Bewertungen der bisherigen Bürgermeister und Bauamtsleiter, hätten sich die Briefeschreiber "disqualifiziert", so Übelacker. "Wir wollten uns nicht mit einer eigenen Stellungnahme auf dieses Niveau begeben", sagt Übelacker auf die Frage, warum seine Fraktion kein öffentliches Statement abgab.

Miteinander reden statt am Stammtisch polemisieren

"Es ist schade, dass man einem kranken Menschen die Krankheit vorwirft. Das geht gar nicht." Für Übelacker eine schwierige Sachlage: Wenn Polemik am Stammtisch gemacht wird, statt miteinander konstruktiv zu reden.

Spannend: So könnte es künftig in der neuen Sinnflut aussehen, wenn es nach den Architekten Brückner & Brückner (Würzburg) geht. 
Foto: Visualisierung: Brückner & Brückner Architekten | Spannend: So könnte es künftig in der neuen Sinnflut aussehen, wenn es nach den Architekten Brückner & Brückner (Würzburg) geht. 

Die Stadt sei nicht, wie in dem Brief behauptet, "führungslos", sagt Übelacker. Das wüssten die Menschen auch. In der Stadt sei Etliches vorangebracht worden. Das Sinnflut-Projekt befinde sich zum Beispiel auf einem guten Weg. Bei diesem Thema habe sich der Bürgermeister intensiv eingebracht.

Politische Schwerpunkte haben sich verlagert

Die politischen Schwerpunkte hätten in vorangegangenen Wahlperioden woanders gelegen, sagt Übelacker. "Wir müssen jetzt neue setzen und überlegen, was Bad Brückenau sich leisten kann." Der Stadtrat stehe hinter Vogel. "Wir vertrauen darauf, dass er weitermacht."

"Man muss in der Kritik sachlich bleiben, kann einen Menschen nicht persönlich angreifen."
Brigitte Meyerdierks, ehemalige Bürgermeisterin

Die sachliche Frage, ob ein Bürgermeister nach langer Krankheitsphase sein Amt wieder ausfüllen kann, müsse man stellen dürfen, sagt CSU-Ortsverbandsvorsitzende und Stadträtin Heike Kötzner.  "Es ist aber nicht die feine englische Art von zwei gestandenen Mannsbildern, so etwas zu schreiben", kommentiert Kötzner die gegen Vogel gerichteten Anfeindungen. Der CSU-Ortsverband stehe hinter dem Bürgermeister.

"Man muss in der Kritik sachlich bleiben, kann einen Menschen nicht persönlich angreifen", sagt auch Kötzners Stellvertreterin im CSU-Ortsverband, die frühere Bad Brückenauer Rathauschefin Brigitte Meyerdierks. Ihrer Ansicht nach hat dieser ganze Vorgang eine "verheerende Außenwirkung für die Stadt". Das sei schade, denn Bad Brückenau sei eine tolle Stadt mit einer sehr guten Infrastruktur.

Die aktuell als angebliche Missstände der Stadt bezeichneten Themen hätten zum Teil schon über Jahrzehnte auf der Agenda des Stadtrats gestanden, sagt Meyerdierks offen. Die Stadt habe schon immer viele Baustellen gehabt, aber wenig Steuereinnahmen, das sei stets schwierig gewesen. "Das kann man Jochen Vogel nicht allein ankreiden."

Von den 38 Brückenbauwerken im Stadtgebiet soll, nach Angaben von Bürgermeister Jochen Vogel, die Brücke über die Sinn bei Wernarz als erste saniert werden.
Foto: Archiv Ulrike Müller | Von den 38 Brückenbauwerken im Stadtgebiet soll, nach Angaben von Bürgermeister Jochen Vogel, die Brücke über die Sinn bei Wernarz als erste saniert werden.

Keiner in der eigenen Fraktion habe von diesem "Offenen Brief" gewusst, sagt PWG-Fraktionsvorsitzender Dirk Stumpe. "Wir distanzieren uns von persönlichen Meinungen, von wem auch immer", macht Stumpe klar. Wenn man Kritik übt, sollte man seine gute Kinderstube nicht vergessen und sachlich bleiben, kommentiert der Fraktionsvorsitzende die Art der Formulierungen in diesem Schreiben. "Wenn jemand krank ist und versucht zu Kräften zu kommen, kann man nicht noch drauf hauen."

Etliche Themen aus früherer Zeit noch nicht abgearbeitet

Was die sachliche Ebene dieses Briefs angeht, sei es schon so, dass in der Stadtpolitik einiges verpasst worden sei. Nach Stumpes Ansicht hätte man vonseiten der Verwaltung "mehr vorantreiben" können. Es stünden in der Stadt viele Projekte im Raum, die nicht angegangen worden seien. Es handle sich dabei freilich auch um ältere Themen vergangener Legislaturperioden, die man aufgeschoben habe, weil die Mittel fehlten, sagt der Fraktionsvorsitzende, der in der vierten Wahlperiode dabei ist.

Den derzeit amtierenden Bürgermeister könne man dafür nicht allein verantwortlich machen, denn auch der Stadtrat sei zuständig. Vieles werde aktuell im Gremium "zu Tode diskutiert" und die Verwaltung könne nicht handeln, sagt Stumpe. Umgekehrt arbeite die Verwaltung verzögert, so dass der Stadtrat nicht aktiv entscheiden könne.

Sanierungsbedarf gibt es auch im Alten Rathaus. Vor allem das schadhafte Dach bereitet offenbar Sorgen.
Foto: Isolde Krapf | Sanierungsbedarf gibt es auch im Alten Rathaus. Vor allem das schadhafte Dach bereitet offenbar Sorgen.

Nach Stumpes Ansicht würden für die Stadt die falschen Prioritäten gesetzt, denn man müsse sich zuvorderst um die Zufriedenheit der Bürger kümmern. Diese würden sich zum Beispiel für die Stadt Sauberkeit wünschen, bestimmte Regeln erwarten und mehr Interesse für Kindergärten und die Zukunft der Musikschule.

„Manches in dem Brief ist richtig dargestellt, vieles liegt aber nicht in Vogels Verantwortung.“
Florian Wildenauer, SPD-Fraktionsvorsitzender

"Manches in dem Brief ist richtig dargestellt, vieles liegt aber nicht in Vogels Verantwortung", sagt SPD-Fraktionsvorsitzender Florian Wildenauer. Den Umgang mit den Problemen der Stadt müsse man "differenziert betrachten", weil die Haushaltssituation der Stadt seit Langem sehr eng sei.

Ende der 1990er Jahre sei dies noch anders gewesen, erinnert sich Wildenauer. Da wurden zum Beispiel die Entlastungsstraße gebaut und die Fußgängerzone hergerichtet, weil damals noch mehr Geld da gewesen sei.

Vom menschlichen Standpunkt aus seien die Vorwürfe in Bezug auf den Bürgermeister in diesem "Offenen Brief"  unangebracht, denn man könne niemanden wegen seiner Krankheit verurteilen. Auch könne man nicht vorschreiben, was ein Bürgermeister, der krank ist, tun darf und was nicht.

Der Stadtrat lasse sich nicht von derartigen Briefen beeinflussen. Freilich sei es nicht schön, dass Vogels Präsenz bei Terminen noch unterdurchschnittlich sei. Aber man sollte ihm die paar Monate noch geben, die er sich nach eigener Aussage als Ziel zu einer persönlichen Entscheidung gesetzt habe.

Konsequente Linie für Bad Brückenau finden

Sie sei auch nicht einverstanden mit dem, was in der Stadt nicht passiert, drückt FDP-Fraktionssprecherin Adelheid Zimmermann aus, dass ihr wichtige Weichenstellungen fehlen. Ihrer Ansicht nach müsste die Innenstadtentwicklung ganz oben auf der Tagesordnung stehen. Schon vor der letzten Kommunalwahl 2020 habe sie das im Stadtrat so verfochten. "Es wird immer viel diskutiert, aber die Stadt hat noch keine konsequente Linie."

War schon in der vorhergehenden Stadtratsperiode im Gespräch: die Sanierung der Georgi-Kurhalle.
Foto: Archiv Barbara Bedacht | War schon in der vorhergehenden Stadtratsperiode im Gespräch: die Sanierung der Georgi-Kurhalle.

Weil der Bürgermeister noch nicht voll einsatzfähig sei und die Stellvertreter auch hin und wieder im Urlaub seien, werde es manchmal "eng". Denn die Stadt habe akute Probleme, wie unlängst die Sitzung zum Thema Sinnflut gezeigt habe. Das Landratsamt habe nämlich deutlich gemacht, dass es den Bad Brückenauer Haushalt in der aktuellen Form nicht genehmigen könne. "Ich hoffe, dass wir uns von der Sinnflut nicht verabschieden müssen. Aber wo sollen wir sonst kürzen?"

"Das ist 7. Klasse, Pubertätsniveau."
Eva Reichert-Nelkenstock, Fraktionssprecherin der Grünen zum Anhang des "Offenen Briefs"

Den Anhang zu diesem "Offenen Brief" bezeichnet die Grünen-Fraktionssprecherin Eva Reichert-Nelkenstock schlicht als "7. Klasse, Pubertätsniveau". Dass die Georgi-Halle sanierungsbedürftig ist, das Sinnflut-Bad in schlechtem Zustand, dass das Bahnhofsgelände entwickelt werden muss und ein neues Rathaus her müsste – alles schon mal da gewesen, sagt Reichert-Nelkenstock. "Das sehen die Bürger aber nicht", glaubt sie und mahnt deshalb "mehr Transparenz" für Stadtrat und Verwaltung an. Dann würde man, ihrer Ansicht nach, auch verstehen, warum ein Bauamtsleiter reagieren muss, wenn Gebäude, Treppen oder Brücken baufällig sind – und zwar vieles davon seit 20 Jahren.

Jetzt ein neues Konzept für die Zukunft entwickeln

Der aktuelle Bauamtschef habe schon 2022 eine Liste mit 180 dringenden Baumaßnahmen präsentiert. Vieles sei in der Vergangenheit auf die lange Bank geschoben worden, weil die Stadtkasse stets knapp war. Man könne langfristig nicht mehr nur alles flicken, wie das in den vergangenen Jahrzehnten der Fall war. "Man braucht ein Konzept, nach dem man vorgeht."

Jetzt Bürgermeister Vogel dafür verantwortlich zu machen, finde die Fraktion der Grünen "unter aller Kanone." Bürgermeister Vogel habe "Pech gehabt" mit dieser Long-Covid-Erkrankung. "Wir Grüne stehen voll hinter ihm."

 
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