Wirtschaftlich sind sie Konkurrenten. Und privat keine Freunde. In Sachen Stadtpolitik ticken Hans-Jörg Heidelmeier und Klaus Abersfelder gleich. Gemeinsam haben die Unternehmer einen offenen Brief an Bürgermeister Jochen Vogel ( CSU ) und die Stadträte mit heftigen Vorwürfen verfasst. Sie fordern Vogels Rücktritt .
„Die bisherige Bilanz ist leider verheerend für unsere Stadt“, meinen Heidelmeier und Abersfelder. Bad Brückenaus Bürger würden sich von Vogel weder mitgenommen noch gut vertreten fühlen. „Wie auch, denn Sie sind offensichtlich in den vergangenen drei Jahren weder physisch noch psychisch in unserer Stadt angekommen.“
Fehlen in der Sinnflut-Stzung angekreidet
Weder trete der Bürgermeister öffentlich nennenswert in Erscheinung, noch sei er von seinem bisherigen Wohnort Motten in die Stadt umgezogen. Besonders kreiden ihm die Unternehmer an, dass er nicht an der von seiner eigenen CSU-Fraktion am 17. März anberaumten offenen Fraktionssitzung zum Thema „Zukunft der Therme Sinnflut“ teilnahm.
Jochen Vogel fungiert seit Mai 2020 als hauptamtlicher Bad Brückenauer Bürgermeister . In seinem Heimatort Motten war er zuvor 18 Jahre lang Ortschef.
Mehr Präsenz und ansteigende Form
Vogel kontert die Vorwürfe. Er verweist auf zwei Jahre Pandemie , in der kaum Veranstaltungen möglich waren. „An den wenigen, die es gab, habe ich teilgenommen.“ Als Beispiele nennt er die Motorradsegnung am 1. Mai 2022, das Stadtfest light mit Sportlerehrung im Juni, die Verabschiedung der Gymnasiasten im selben Zeitraum, den Pinklauf, mehrere Regionalmärkte. . „Mehr ging aus gesundheitlichen Gründen nicht.“
Ab Frühjahr 2022 war Vogel wieder präsent, nachdem er eine schwere Corona-Erkrankung durchlitten hatte, unter deren als Long-Covid bekannten Folgen er noch heute leidet. Diesbezüglich sieht der Bürgermeister bei sich eine ansteigende Form. „Ich hoffe, dass das so weitergeht.“ Im Schnitt sieben Stunden pro Tag arbeitet er nach eigenen Angaben derzeit. Das sei mehr, als sein Arzt ihm empfehle.
Sinnflut-Forum war nicht entscheidend
Dass er nicht an der Sinnflut-Sitzung teilnahm, habe mit seiner Erkrankung und damit verbundener Erschöpfung zu tun gehabt. An jenem 17. März habe er zuvor wichtige Termine absolviert. „Das war keine Sitzung, die das Schicksal der Sinnflut entschieden hätte.“
Vogels Erkrankung nehmen Hans-Jörg Heidelmeier und Klaus Abersfelder am Ende des Briefes stärker ins Visier. Sie seien sich seines gesundheitlichen Schicksals bewusst, schreiben sie. „Dennoch muss umgehend eine Lösung für die unzähligen Probleme unserer Stadt gefunden werden.“
Bürgermeister soll sich für Bad Brückenau zerreißen
Bad Brückenau brauche in der größten Krise seit der Bezirksreform einen Bürgermeister , der sich für die Belange ihrer Heimatstadt zerreiße. „Dies können Sie verständlicherweise aus gesundheitlichen Gründen nicht leisten.“ Deswegen fordern die Firmenchefs Vogel auf, „entweder umgehend zurückzutreten oder Ihre dauerhafte Dienstunfähigkeit amtsärztlich bestätigen zu lassen, um den Weg zu Neuwahlen im Zuge der Landtagswahl im Oktober freizumachen.“
Vogel: „Weiter bis mindestens 2026“
Jochen Vogel sieht das komplett anders. „Ich sehe mich weiter in der Lage, alles für Bad Brückenau zu tun.“ Auf jeden Fall wolle er sein Amt mindestens bis Ende der Wahlperiode 2026 ausfüllen.
Und Vogel ergänzt: „Die Arbeit, die ich mache, mache ich aus Überzeugung und mit Herzblut.“ Da komme es auch nicht darauf an, wo man wohne, so Vogel, sondern wie man sich engagiere. Die Entfernung von Motten nach Bad Brückenau sei nicht ausschlaggebend. Auch habe er nie einen Umzug nach Bad Brückenau versprochen, sondern gesagt, dass er sich eine wohnung suchen werde, sollten es die dienstlichen Belange erfordern.
Permanentes Arbeiten an den Problemen
Dem Bürgermeister geht es nach eigenen Worten darum, dass die Stadt vorankommt, dass sich etwas entwickelt. Er wisse, wo in Bad Brückenau der Schuh drückt und nennt unter anderem die Problemfelder Altes und Neues Rathaus, Brücken sowie Belebung der Kernstadt. „Wir arbeiten als Stadt permanent daran.“ Oberste Priorität genieße aber die Therme Sinnflut. Dort sei man in ständigem Austausch mit der Regierung von Unterfranken , Planer und Stadtwerken.
Nicht immer gebe es nach Gesprächen etwas zu verkünden. Viele – auch mit Bürgern und Betroffenen – seien vertraulich. „Wenn es Spruchreifes gibt, wird das öffentlich bekanntgegeben.“
Mobbing und Grüppchenbildung in der Stadtverwaltung?
Abersfelder und Heidelmeier äußern in ihrem Brief auch Kritik an der Verwaltung im Rathaus. Die habe sich „in weiten Teilen selbstständig gemacht“. Chaos werde verwaltet; es herrsche „Mobbing und Grüppchenbildung“.
Verwaltung steht hinter dem Bürgermeister
Der Bürgermeister weist das von sich. Verwaltungsleute springen ihm bei. Geschäftsleiter Michael Worschech berichtet von Mitarbeitern, die auf ihn zugekommen seien mit der Frage, wo diese Missstände in der Verwaltung denn herrschen sollen. Auch habe man sich privat in der Freizeit auf der Kissinger Hütte getroffen – etwas, was bei einer vergifteten Atmosphäre unter Mitarbeitern unmöglich wäre.
Ähnlich äußern sich die Bürgermeister-Stellvertreter Jürgen Pfister und Dieter Seban sowie Thorsten Grament vom städtischen Bauamt. Und Vogel bittet die Brandbrief-Schreiber zu belegen, wo in der Verwaltung Mobbing und Grüppchenbildung herrschen.