Als Energieberater ist Andreas Miller derzeit sehr gefragt. Der 51-jährige Architekt aus Münnerstadt (Landkreis Bad Kissingen) hat ein Ingenieurbüro und berät und plant zusammen mit seiner Frau Jeannette und seinem Bruder Daniel in Sachen Energieeffizienz, erneuerbare Energien, solare Architektur und Energiemesstechnik.
Mit steigendem Umweltbewusstsein und höheren Kosten für Energie füllen sich die Auftragsbücher. Doch wie groß ist dabei der Nachhaltigkeitsgedanke? Welche Erfahrungen Miller macht und welche Tipps er aktuell gibt.
Andreas Miller: Es gab natürlich schon immer Aufträge, aber die Voraussetzungen haben sich geändert. Momentan haben wir schon sehr gut zu tun.
Miller: Ich will nicht pauschal alle über einen Kamm scheren. Viele haben das Thema Umweltbewusstsein schon auf dem Schirm. Aber bei mehr als 90 Prozent geben am Ende doch eher die ökonomischen Gründe den Ausschlag für gewisse Entscheidungen. Der Großteil entscheidet über die Gesäßtasche.
Miller: Spätestens jetzt sollten alle aufgerüttelt worden sein, um die eigene Energiewende zügig und strukturiert umzusetzen. Momentan ist jedoch eine schwierige Zeit, um schnell zu investieren. Natürlich zusammenhängend mit der Ukraine-Krise, aber auch durch die Baupreise und den Fachkräftemangel. Übers Knie würde ich aktuell nichts brechen. Die Preise, die momentan aufgerufen werden, sind zum Teil schon erschreckend.
Miller: Ich denke, wir waren der breiten Masse im Bewusstsein in Bezug auf das Bauen schon voraus. Aber das Passivhaus hat sich ja schon seit 1995 als effizientester Stand der Technik herauskristallisiert. Und inzwischen gibt es einfach viel mehr Möglichkeiten bei der Umsetzung. Welche Produkte setze ich ein, wie entstehen sie und wie werden sie dann irgendwann wieder zurückgebaut? Auch die Förderungen gehen ja endlich in Richtung Nachhaltigkeit.
Miller: Weil es dieses Denken in den Überlegungen beim Bauen einfach zwingend benötigt. Dass man wirklich sagt: Wie muss ich bauen? Wie groß muss ich noch bauen? Muss ich überhaupt neu bauen? Das sind elementare Dinge. Deutschland ist meiner Ansicht nach zu 99 Prozent fertiggebaut. Das, was an Neubau dazu kommt, ist sehr gering. Die großen Einsparpotenziale liegen im Bestand.
Miller: Die Mehrinvestitionen waren nach vier oder fünf Jahren längst wieder drin. Da muss man kein Bauphysiker sein: Wenn ich eine gute Thermoskanne habe und der Deckel zu ist, hält die relativ lange warm, ohne dass ich heißes Wasser nachschütten muss. So funktioniert es auch mit der Heizwärme.
Miller: Ja, ganz klar. Heute liegt der Fokus weiter nur auf den Erstellungskosten und weniger auf den Betriebskosten. Man muss aber eine Vollkosten-Betrachtung machen. Wenn man es richtig angeht, stehen die Mehrkosten, die zum Beispiel für eine effiziente Sanierung oder einen Neubau anfallen, in einem sehr wirtschaftlichen Verhältnis zu dem, was man auf Dauer herausholen kann.
Miller: Das hängt schon sehr stark vom Gebäude ab. Die Wärmepumpe mit Photovoltaik-Anlage hat Vorteile, weil sie den selbst erzeugten Strom direkt im Gebäude nutzen kann. Trotzdem ist eine Biomasse-Heizung, vor allem wenn die Sonne nicht scheint, oft im Vorteil. Eine Kombination aus beidem finde ich interessant. Aber wie gesagt, es kommt immer auf das Gebäude an. Wenn ich zum Beispiel ein altes Haus habe, das kaum energetisch saniert wird, dann würde ich eher auf die Wärmepumpe verzichten. Weil da der Energiebedarf zu groß ist, um einen Großteil mit selbst erzeugtem Strom zu decken.
Miller: Man kann vor allem schauen, welche Räume zuhause überhaupt beheizt werden müssen. Und sich fragen, ob man in der Wohnung wirklich 24, 25 Grad haben muss. Vielleicht reichen ja auch 21 Grad. Jedes Grad spart vier bis fünf Prozent Energie ein.
Miller: Natürlich Lebensmittel nachhaltig, regional und ökologisch einkaufen, sofern die finanziellen Möglichkeiten dafür vorhanden sind. Und drittens kann man das Thema Mobilität mit dazu nehmen: Gerade in der Stadt muss man nicht jeden Weg mit dem Auto zurücklegen. Auf dem Land sind wir in Sachen ÖPNV aber leider noch nicht gut aufgestellt.
Miller: Ist die Zukunft, eigentlich sogar eher die Gegenwart. Und das am besten mit selbst erzeugtem Strom.
Miller: Wäre eine der einfachsten Maßnahmen, um einiges an Energie zu sparen. Das kann jeder für sich auch ohne Tempolimit umsetzen.
Miller: Ich persönliche fliege schon seit etwa 20 Jahren nicht mehr. Jeder sollte sein eigenes Verhalten reflektieren. Eine Kompensation des CO²-Abdrucks ist beim Fliegen mit den richtigen Zertifikaten generell möglich.
Miller: Perfektes Stichwort! Es ist auf dem Land nicht tot. Aber in Ballungszentren und wenn man nachhaltig leben möchte, sind Mehrfamilienhäuser oder Geschosswohnungen natürlich energetisch und vom Raumbedarf her zu bevorzugen. Ich will kein Plädoyer für oder gegen das Einfamilienhaus halten. Vielleicht sollten wir darüber nachdenken, die Wohnungsgröße flexibler an die aktuelle Lebenssituation anzupassen. Das fände ich total spannend.
Schön geschriebener Bericht, den jeder verstehen kann. Danke.