Es erscheinen zuweilen Leserbriefe, die manchen Lesern/innen nicht gefallen, weil sie die darin vertretene Meinung ablehnen, ja weil sie die für „einseitig bis radikal“ (so ein Kritiker) halten. Das gilt gleichermaßen für Nutzerkommentare auf mainpost.de. Die werden hin und wieder sogar als schmerzhaft empfunden. Gleich wegwerfen muss man die gedruckten aber nicht. Besser für die eigene Kompenz ist es, bewusst und kritisch zu Kenntnis nehmen.
Zu "Ergüssen" im "liberalen Blatt"
Herr M.C. hat mir als „aufmerksamer Konsument“ zu einem in der Zeitung veröffentlichten Leserbrief geschrieben: „Ich schätze <ihre Zeitung> als liberales Blatt und würde mich freuen, wenn Sie künftige Ergüsse von Herrn XX nicht mehr publizierten.“ Hinzuzufügen ist, dass M.C. das Gefühl hat, dass Zuschriften von XX, in dem er einen AfD-Anhänger vermutet, relativ häufig erscheinen.
Nachvollziehbare Beurteilung
Seine Kritik und Beurteilung sind nachvollziehbar. Doch die erwünschte Freude, kann ihm die Redaktion nicht machen. So habe ich M.C. zumindest geantwortet, dass ich seine sachlich vorgetragenen Argumente zu den Briefen von XX verstehe und sogar teile. Was gewiss nicht nur für mich, sondern auch für viele Mitglieder der Redaktion gilt.
Keine Grenzüberschreitung
Aber in den von M.C. kritisierten Zuschriften von XX war nichts zu erkennen, was deren Veröffentlichung aus rechtlichen oder ethischen Gründen verhindert hätte. Das wäre der Fall, wenn eine Grenzüberschreitung (wie falsche Fakten, extreme, also grundgesetzwidrige Passagen, Hetze usw.) erkannt wird. Deshalb muss Herr M.C. auf die erwünschte Freude verzichten.
Teil der Überparteilichkeit
Offener Umgang mit anderen Meinungen, ist eine ernsthafte Angelegenheit. Radikale (politisch-ideologische von weit abseits der Mitte) Zuschriften, können in einzelnen Fällen als schmerzhaft empfunden werden. Das sollte man aber hinnehmen. Es ist dem Grundsatz geschuldet, dass die Redaktion nicht nur Ansichten veröffentlicht, welche sie selbst teilt. Das gehört zur Überparteilichkeit. Und auf die achten gerade kritische Zeitgenossen.
Kennen, ertragen, widersprechen
Auch Meinungen vom Rand der Gesellschaft dürfen nicht verborgen bleiben. Gerade den Menschen, die Medien nutzen, kann man genug Kompetenz zutrauen, um alle Leserbriefe (die grundsätzlich Meinung darstellen) einordnen zu können. Darüber kann sich ihre Medienkompetenz, zu der vor allem der redaktionelle Teil mit Nachrichten und Kommentaren beitragen muss, nur verbessern. Dass das funktioniert, darauf sollte man sich in einem Land mit grundgesetzlich garantierter Meinungsfreiheit verlassen können. Das heißt auch: Radikale Ansichten, wie die von Herrn XX, sollte man kennen und ertragen. Das versetzt in die Lage, sachlich begründet zu widersprechen. Denn das ist notwendig.
Einmal monatlich
Ich halte fest, dass ich das hier beschriebene Thema immer wieder aufgreifen muss. Und weil es stark belastet, es in einzelnen Antwortschreiben an fragende Leser/innen immer und immer wieder erklären zu müssen, wiederhole ich hier ganz formal: Briefe desselben Absenders zu überregionalen Themen werden in der Zeitung nur einmal monatlich veröffentlicht. Das betrifft vor allem sog. „Vielschreiber“, gilt also auch für Herrn XX. Nur Online, auf mainpost.de, kann am diesselben Autoren auch häufiger lesen.
Mehr zu Leserbriefen finden Sie auch bei "Journalistische Leitlinien der Main-Post-Redaktionen".
Frühere Leseranwalt-Kolumnen zu diesem Thema:
"Ein schlechter Witz" (2017)
"Falsche Tatsache im Leserbrief" (2019)
"Leserbriefe stärken den demokratischen Diskurs" (2018)
"Wider den Vorwurf, Redaktionen würden Meinungsfreiheit einschränken" (2018)
"Lesermeinungen sollen aktuell sein, wenn sie in der Zeitung erscheinen" (2009)
"Keine mildenden Umstände für ängstlichen Leser" (2018)
"Veröffentlichungen von Nutzer-Kommentaren sind keine redaktionelle Unterstützung einer Meinung oder Person" (2015)
"Der verbrämte Nazi-Vergleich" (2018)
Anton Sahlender, Leseranwalt. Siehe auch: www.vdmo.de