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LESERANWALT
Leserbriefe stärken den demokratischen Diskurs
Großzügigkeit für Leserbriefschreiber       -  Ich meine, dass ist wichtig für die Zeitung....
| Ich meine, dass ist wichtig für die Zeitung....
Anton Sahlender
Anton Sahlender
 |  aktualisiert: 27.04.2023 06:23 Uhr

Leser G.W. will keinen Leserbrief für die Zeitung mehr schreiben. Er teilt mir mit, dass er schon in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht habe. Wegen der (so seine Worte) „furchtbaren Sachen, die in der Ausgabe vom 17. Februar angesprochen wurden, Schlachthäuser (Gesamtausgabe) und Jagd“ (Kissinger Teil) hatte er aber noch einmal einen Leserbrief geschrieben. Sein dafür eingeschickter Text:

„Menschen und Tiere - eine elende und beklagenswerte Beziehung seit langer Zeit. Treffliches dazu las ich grad in der Main-Post vom 17. Februar. Zum einen war‘s der Leitartikel, der sich mit den Schlächtereien in Schlachthöfen befaßte, und zum anderen sind‘s zwei Leserbriefe im Hammelburger Teil gewesen, die die Feldzüge unserer Jägerschaft zum Thema hatten. Beim Lesen kam er mir wieder in den Sinn, der leider nur allzu wahre Ausspruch von Karlheinz Deschner: 'Gegenüber dem Tier ist der Mensch Gewohnheitsverbrecher'.“

Erschienen ist dann am 22. Februar in der Zeitung:

„Beim Lesen kam mir wieder ein allzu wahrer Ausspruch von Karlheinz Deschner in den Sinn: 'Gegenüber dem Tier ist der Mensch ein Gewohnheitsverbrecher'.“

 

Die Beschwerde

G.W. beschwert sich. Die wesentlichen Eingangssätze seien weggelassen worden, besonders im Bezug auf die Jagd. So habe man ihn in einen „luftleeren Raum sinnlos hineinreden“ lassen. Ein „nur“ sei vernichtet worden und Deschner werde noch im Grab belehrt, dass ein „ein“ zwischen Mensch und Gewohnheitsverbrecher angebracht wäre. Das ist für G.W. unredlich und unter seinem Namen eine Fälschung.

 

Formale Streichung

Die Redaktion begründet die Streichung der ersten Sätze nüchtern und sachlich. Sie bezogen sich auf Zuschriften in einer Lokalausgabe, die nicht – wie nun der Leserbrief –, in der Gesamtausgabe zu lesen waren. Deren Lesern hätte somit der Bezug gefehlt. So wurde aus formalen Gründen mehr als die Hälfte gestrichen. Unnötig, meine ich. Man hätte ausnahmsweise mal anders entscheiden können, zugunsten des Leserbriefschreibers. Denn der  Hinweis von G.W. auf den Inhalt der Briefe aus dem Lokalteil („Feldzüge unserer Jägerschaft“ - siehe auch Fotos) hätte den Sinn für alle Leser ausreichend erhalten. Möglicherweise wären die ersten Sätze nicht gestrichen worden, hätte. G.W. nur über Feldzüge der Jägerschaft geschrieben, ohne sich auf die lokalen Leserbriefe zu beziehen.

 

 

 

Leserbrief Hammelburg zur Jagd       -  Nur in einem Lokalteil am 17.2.18 erschienen. Leserbrief zum Thema Jagd.
| Nur in einem Lokalteil am 17.2.18 erschienen. Leserbrief zum Thema Jagd.
Leserbrief vom 17.2. Hammelburg       -  Dieser Leserbrief war ebenfalls am 17.2 nur im Lokalteil Hammelburg in der Kissinger Ausgabe zu lesen.
| Dieser Leserbrief war ebenfalls am 17.2 nur im Lokalteil Hammelburg in der Kissinger Ausgabe zu lesen.

 

 

 

 

Redaktioneller Sündenfall

Der für die Veröffentlichung eingesetzte unbestimmte Artikel „ein“ mag bedeutungslos wirken. Er dokumentiert aber einen redaktionellen Sündenfall. Die Ergänzung, so gering sie auch sein mag, hat in einem wörtlichen Zitat aus dem Werk eines Dritten absolut nichts zu suchen.

 

Großzügigkeit für Leserbriefschreiber

In einen luftleeren Raum hat G.W. aber trotzdem nicht hineingeredet, weil die gesamte Leserbriefseite an diesem Tag alleine den Vorgängen im Tauberbischofsheimer Schlachthof gewidmet war (Überschrift: „Wenn nur der Profit im Vordergrund steht, sind die Tiere die Verlierer“ - siehe Foto).

 

 

Leserbriefseite vom 22.2.18       -  Die Leserbriefseite vom 22.2.18 zu nur einem Thema. Kein luftleerer Raum also, auch nicht für einen kurzen Brief.
| Die Leserbriefseite vom 22.2.18 zu nur einem Thema. Kein luftleerer Raum also, auch nicht für einen kurzen Brief.

 

 

 

Jedenfalls entschuldige ich mich bei G.W., halte aber fest, dass von Fälschung nicht die Rede sein kann. Es geht um Fehler und bei Streichungen um fehlende Großzügigkeit. Genau die haben gerade jene Leute verdient, die sich die Mühe machen, Leserbriefe zu schreiben. Die gehören zum demokratischen Diskurs und stärken ihn auch in der Zeitung. Und das ist neben den digitalen Medien dringend notwendig. So bitte ich Herrn G.W.: Geben Sie nicht auf.

Frühere Leseranwalt-Kolumnen zu Leserbriefen:

"Ein Eingeständnis wäre gut gewesen" (Sept. 2017)

"Des Lesers Gedanke in Kürze bringt dem Nachrichtenfluss die Würze" (Apr. 2010)

"Volkes Meinung wird nicht unbedingt in veröffentlichten Leserbriefen deutlich" (Juli 2014)

"Ein Lebenselement, die Leserbriefschreiber" (Juni 2015)

Anton Sahlender, Leseranwalt. Siehe auch www.vdmo.de

 
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